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Veröffentlicht am 27­.09.2013

27.9.2013 - Main-Netz

Der Franziskus-Effekt: Papst-Stil setzt deutsche Bischöfe unter Druck

Deutsche Bischofskonferenz in Fulda Der neue Stil von Papst Franziskus soll künftig auch bei den deutschen Bischöfen Einzug halten. Barmherzig, nah bei den Menschen, mit offenen Ohren für Sorgen und Nöte. Das neue Oberhaupt hat Maßstäbe gesetzt. Vor einer Woche verbreitete es mit aufsehenerregenden Äußerungen zum Selbstverständnis der katholischen Kirche eine Aufbruchstimmung – frischer Wind, der auch in Fulda ankam.

Deutsche Bischofskonferenz Männer unter sich: Die deutschen Bischöfe bereiten sich im Fuldaer Dom auf den Eröffnungsgottesdienst vor. Foto: Arne Dedert Dort, wo die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) zur Herbstvollversammlung zusammenkam. Einige Bischöfe werden sich gefragt haben: Und nun? Was bedeutet das für uns und für die Kirche?

Sie brauchten ein paar Tage zum Nachdenken und zum Austausch. Am Freitag gab der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch (Freiburg), dann Antworten. Die Kirche wolle mehr Seelsorge betreiben. Missionarisch unterwegs sein. Ohne Berührungsängste, auch gegenüber Menschen, die die Kirche eher skeptisch sehen.

Die mahnenden Worte des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio, seit einem halben Jahr in Amt und Würden, wurden als »revolutionär« bewertet. Er hatte mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sich die Kirche nicht so sehr auf heikle Fragen der Sexualmoral kaprizieren, sich nicht so sehr als moralische Instanz gerieren solle.

In Fulda bestand nach dem Papst-Interview viel Rede- und vor allem Interpretationsbedarf unter den 67 Bischöfen und Weihbischöfen aus den 27 Diözesen in Deutschland. Bischof Franz-Josef Bode (Osnabrück) befand: Der Papst pflege eine öffnende Sprache, die offenbar noch nicht alle einzuordnen wüssten – womöglich nicht nur im Kirchvolk.

Erzbischof Zollitsch nahm die Anregungen des Pontifex als Steilvorlage auf und sagte: »Papst Franziskus hat Zeichen gesetzt. Er spornt uns an, es ihm gleichzutun. Wir sind dankbar für die Anregungen.« Viele deutsche Bischöfe hätten sie mit Freude vernommen.

Christian Weisner von der Laienorganisation »Wir sind Kirche« glaubt aber: »Es ist nicht einfach für manch einen deutschen Bischof, sich auf den Kurs des Papstes umzustellen.« Er bilanzierte nach der Versammlung in Fulda: »Es ist noch kein »Wind of Change« bei den deutschen Bischöfen spürbar.« Der Kurswechsel müsse aber deutlich werden im Lebensstil, im Handeln und bei den Entscheidungen der Bischöfe. Eine Umsetzung der Reformimpulse sei nicht erkennbar. Der Franziskus-Effekt setzt die Bischöfe somit unter Handlungsdruck.

Zollitsch sieht reichlich Denkanstöße: »Wir müssen herausfinden, wie wir mehr Barmherzigkeit mit den Menschen zeigen und bezeugen können.« Er ist über den sinkenden Stellenwert der Kirche in der Gesellschaft besorgt. Es habe sich der Eindruck verstärkt, dass die Kirche weit weg von den Menschen sei. Diese Einschätzung artikuliere sich auch in der Dauerkritik an der kirchlichen Sexualethik. Sie werde als menschenfern und argumentativ nicht länger anschlussfähig betrachtet.

Zollitsch schloss sich dem Appell von Papst Franziskus an, in einfacher und leicht verständlicher Art zu den Menschen zu sprechen. »Diese Aufgabe, der »Grammatik der Einfachheit« zu folgen, ist uns Bischöfen in besonderer Weise gestellt.«

Die Linie des Papstes öffnet den Bischöfen Handlungsspielräume. Schließlich soll es keine Denkverbote geben. Franziskus pflegt einen neuen Stil. Bescheiden, demütig und unkompliziert. Kommunikation und Authentizität sind ihm wichtig. Er öffnet mit dieser Offenheit Türen. Türen zu Themen, die früher versiegelt erschienen.

Die Chancen, die sich ergeben, wird Zollitsch nicht mehr ergreifen können. Er hat letztmalig die Herbstvollversammlung geleitet. Im März wird beim Frühjahrstreffen in Münster altersbedingt ein Nachfolger für den seit 2008 amtierenden 75-Jährigen gewählt.

Offiziell stand dieses Thema in Fulda nicht auf der Tagesordnung. Öffentlich werden auch keine Namen gehandelt. Aber hier und da werden die Kardinäle Reinhard Marx (München und Freising) und Rainer Maria Woelki (Berlin) als Kandidaten genannt. Auch der Name von Bischof Franz-Josef Bode (Osnabrück) war zu hören.

Klar ist: Der neue Mann muss dem Stil des Papstes entsprechen. Er muss auch fähig sein, mit den verschiedenen Strömungen im Episkopat umzugehen. Er muss ein guter Kommunikator sein, verbindend und vernetzend. Dass es zu einem erbitterten Posten-Geschacher der potenziellen Kandidaten kommt, ist bislang nicht zu erwarten.

Zollitsch regte in Fulda an, vor der Wahl des Vorsitzenden eine Debatte über Inhalte und Profilanforderungen zu führen. Bei der Aussprache vor dem geheimen Wahlgang könne man auch versuchen, gemeinsame Ziele zu benennen. Darüber müsste dann aber erst mal Einvernehmen hergestellt werden.

Jörn Perske, dpa

http://www.main-netz.de/nachrichten/regionalenachrichten/hessenr/art11995,2767466

Zuletzt geändert am 28­.09.2013