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Veröffentlicht am 02­.10.2013

2.10.2013 - DIE ZEIT (Glauben & Zweifeln)

Die Rückkehr des heiligen Franz

Papst Franziskus reist nach Assisi und bekennt sich zur Kirche der Armen Von Evelyn Finger

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Also Katholiken, zurück in die Zukunft! Das franziskanische Programm ist eine Kehrtwende vorwärts. Franz von Assisi war zwar kein Kirchenreformer und kein Linkskatholik im heutigen Sinne. Aber sein Orden inspirierte jahrhundertelang die katholischen Abweichler – von Wilhelm von Ockham und Michael von Cesena bis hin zu Hans Küng und Leonardo Boff. Das Christentum, wie die Fans des heiligen Franz es verstehen, erweist sich nicht in der Macht, sondern im Machtverzicht, nicht in der Stärke, sondern in der Liebe.

Liebe ist nunmal das Gegenteil von Eigentum. Und Eigentum ist kein Wert an sich. – Mit dieser Behauptung verärgerte vor 50 Jahren der reformerisch gesinnte Konzilspapst Paul VI. die Wall Street. Daran knüpfe Franziskus nun an, sagt der katholische Unternehmensberater Edgar Büttner, der die Topmanager der deutschen Wirtschaft berät und Mitglied der Kirchenvolksbewegung ist. Büttner will die Armut nicht romantisieren, natürlich brauche die Kirche Geld, um Gutes zu tun. Aber was tue sie wirklich? Der verschwenderische Limburger Skandalbischof Tebartz Van Elst ist ja in Deutschland keineswegs der einzige Bischof mit einer Prachtresidenz, und dass er jetzt von einem römischen Inspektor besucht wurde, war eine Warnung an alle Kollegen. Wer Barmherzigkeit predigt, muss nicht von gestern sein! Der neue römische Führungsstil, sagt Büttner, sei aus unternehmensberaterischer Sicht sehr zeitgemäß. Franziskus führe symbolisch, er entscheide im Team und agiere strategisch im Umgang mit seinem Vorgänger. Er spreche eine einfache Sprache, werte die Frauen auf und suche bei seinen Gegnern Konsens für Veränderungen, aber vor allem: Er lebe sein Ideal vor, wie Franz von Assisi. Dessen Armut war gelebte Predigt und tatkräftige Liebe.

Diese Liebe ist gefährlich. Kurz vor seiner Wahl zum Papst, während des Konklaves in Rom, las Jorge Mario Bergoglio in einem Buch über das Revolutionäre der christlichen Liebe. Sie sprenge das menschliche Maß, weil sie sich an der Liebe Jesu bemesse. Sie sei ein Korrektiv, nicht nur zur Welt, auch zum selbstgerechten, hochfahrenden, lieblosen Glauben. »Allein die Liebe ist das Unterscheidungsmerkmal des wahren Christen«, schrieb der Verfasser. Sein Name: Walter Kasper. Der Titel des Buches: Barmherzigkeit. Während des Konklaves hatte der deutsche Kardinal Kasper ein Zimmer nicht weit von Bergoglio. Nachdem dieser zum Papst gewählt worden war, bedankte er sich für die Lektüre, indem er bei seinem ersten öffentlichen Gebet auf dem Petersplatz aus dem Buch zitierte: dass alle Frömmigkeit nichts nütze ohne Barmherzigkeit. Nur wer barmherzig sei, sei auf dem Weg der Liebe. Dieser Weg, schreibt Kasper, sei alles andere sentimental. »Konkret realistisch! « Mit anderen Worten: Eine machbare Utopie. Ein menschenmögliches Wunder. Wie die Rosen des Heiligen Franz. Nun muss Franziskus sie nur noch zum Blühen bringen in Rom.

Zuletzt geändert am 03­.10.2013