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Veröffentlicht am 23­.10.2013

23.10.2013 - Main-Post

»Auftreten, nicht austreten«

»Wir sind Kirche«: Wie der Theologe Magnus Lux die strukturellen Probleme der katholischen Kirche einschätzt

Mag­nus Lux, Theo­lo­ge und Gym­na­sial­leh­rer, sieht die Situation der Kirche als strukurelles Problem Mag­nus Lux ist seit vier Jah­ren im Bun­des­team der Re­form­be­we­gung »Wir sind Kir­che«. Der aus Scho­nun­gen bei Schwein­furt stam­men­de Theo­lo­ge und Gym­na­sial­leh­rer en­ga­giert sich in der Diöze­se Würz­burg für Er­wach­se­nen­bil­dung und die Fort­bil­dung der Pfarr­ge­mein­de­rä­te - und will die ka­tho­li­sche Kir­che von in­nen her ve­r­än­dern.

Bettina Kneller hat den Experten im Zuge der Affäre um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst zu den strukturellen Problemen der katholischen Kirche gefragt.

»Wir sind Kirche« versteht sich als Reformbewegung. Was gilt es in der katholischen Kirche zu reformieren?
Auf den Prüfstand gehört die römische Kirche insgesamt: das »System Kirche« und die Art der Glaubensverkündigung. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich eine monarchische, absolutistische Leitungsform herausgebildet. Die entspricht aber nicht der Botschaft des Neuen Testaments. Dort heißt es: Einer ist euer Meister, ihr alle seid Brüder und Schwestern. Von »big brother is watching you« ist da nicht die Rede. Dieses System entzieht sich jeder Kontrolle. Wohin das führen kann, haben wir jetzt in Limburg gesehen: Größenwahn, Lüge und Rechtsbruch. Was dringend nötig ist, ist mehr Transparenz und Mitsprache des Kirchenvolkes bei der Bischofsernennung.

Inzwischen haben viele Bistümer in Deutschland die Vermögen des bischöflichen Stuhls veröffentlicht. Sehen Sie das als Beginn einer Umwandlung innerhalb der Kirche?
Es ist höchste Zeit, das offenzulegen. Diese Vermögen sind ja keine Privatvermögen, sondern dienen dazu, die Arbeit in den Diözesen zu ermöglichen. Die Veröffentlichungen deuten auf mehr Transparenz der Kirchenleitungen hin. Die Bischöfe müssen aber auch sagen, woher die zum Teil sehr großen Summen kommen und wozu sie verwendet werden. Sonst werden die Menschen fragen: Geht es nach kapitalistischer Manier nur darum, Reichtum anzuhäufen? Wie wollen die Bischöfe dann rechtfertigen, dass sie die Gläubigen immer wieder zu Spenden auffordern? Man kann nicht Wasser predigen und Wein trinken.

Papst Franziskus schlägt einen mutigen Kurs ein. Diese Haltung öffnet die Kirche für viele, die sich schon längst abgewandt hatten. Wie erleben Sie das?
Die Worte von Papst Franziskus sind sehr erfrischend. Tabuthemen gibt es für ihn offenbar nicht. Eine stärkere Einbindung von Frauen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen in der männerbündischen Kirche immer noch Menschen zweiter Klasse sind. In die Entscheidungsprozesse werden sie nicht einbezogen, die Kleriker-Ämter in der Kirche stehen ihnen nicht offen. Und die sexuelle Ausrichtung eines Menschen darf nicht zu Ausgrenzungen vom kirchlichen Dienst führen - wie es schon passiert ist.
Dass Franziskus den Weg der Erneuerung der Kirche weitergehen wird, davon bin ich fest überzeugt. Er wird aber auf Widerstände stoßen. Und das nicht nur in Rom, sondern bei den Ultra-Konservativen weltweit. Die Verweigerung von Reformen geben sie als Festhalten am wahren Glauben aus.

Der katholischen Kirche laufen seit Jahren die Gläubigen weg. Ein Zustand, mit dem sich offenbar viele Diözesen zufrieden geben. Haben Sie das Gefühl, dass das den Diözesen egal ist?
Lippenbekenntnisse der Verantwortlichen in der Kirche, dass jeder, der austritt, einer zu viel ist, werden nicht reichen. Auch nicht der Hinweis, dass die Treuen bleiben. Dann haben wir keine katholische, das heißt weltweite Kirche mehr, sondern eine Sekte. Franziskus hat die Kleriker aufgefordert, so zu predigen, dass die Menschen die Botschaft auch verstehen.

Kirche will doch Halt und Stütze sein. Offenbar erleben aber viele das Gegenteil davon. Spielt da auch mit hinein, dass die Kirche Reformbewegungen gar nicht ernst nimmt?
Die Skandale der letzten Jahre haben viele Gläubige vor den Kopf gestoßen. Die sexualisierte Gewalt und deren jahrzehntelange Vertuschung hat das Vertrauen bis ins Mark erschüttert. Der abgehobene Stil so mancher »Kirchenfürsten« ist für demokratisch denkende Menschen heute unerträglich. Die Reformgruppen sind jedoch von Erzbischof Müller als »parasitäre Existenzen« bezeichnet worden - und kein Bischof hat dem widersprochen. Kirche sind aber nicht nur die Leiter, sondern das ganze Volk Gottes. Und deshalb heißt unser Motto: Auftreten, nicht austreten!

Was sagen Sie zur Entscheidung des Papstes zum Limburger Bischof?
Papst Franziskus hat eine weise Entscheidung getroffen. Das gestörte Vertrauen im Bistum lässt es nicht zu, dass Tebartz-van Elst im Augenblick nach Limburg zurückkehrt. Die endgültige Entscheidung wird erst fallen, wenn das Ergebnis der Kommission vorliegt. Einen Neuanfang mit Bischof Tebartz-van Elst in Limburg kann ich mir trotzdem nicht vorstellen.

Hintergrund: Die Bewegung »Wir sind Kirche« »Wir sind Kirche« ist eine Initiative aus Österreich, die das Kirchenvolks-Begehren vom 3. bis 25. Juni 1995 organisiert hat. Zu den Zielen gehören der Abbau des Klerikalismus und die Stärkung der Gemeinschaft zwischen Laien und Klerikern, die Beteiligung aller Gläubigen an Entscheidungsprozessen, die Gleichstellung der Frau in den Ämtern der Kirche und eine eben solche Gleichstellung der Laien mit dem Klerus sowie eine menschenfreundlichere Sexualethik. Sie ist von der römisch-katholischen Kirche offiziell nicht anerkannt. Maßgeblich wird »Wir sind Kirche« in Deutschland durch den Städteplaner Christian Weisner organisiert. Prominente Unterstützer sind unter anderem Eugen Drewermann und Hans Küng. (Wikipedia)
http://www.main-netz.de/nachrichten/politik/politik/art4204,2798774

Zuletzt geändert am 24­.10.2013