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Veröffentlicht am 26­.10.2013

26.10.2013 - Hess. Nieders- Allgemeine

„Wir brauchen ein neues Bischofsbild“

Interview: Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ über den Fall Tebartz-van Els

Noch bis morgen findet die Bundesversammlung der Kirchenreformbewegung „Wir sind Kirche“ in Kassel statt. Wir sprachen mit ihrem Sprecher Christian Weisner über den Fall Tebartz-van Elst und die Folgen.

Von Moritz Schäfer

Herr Weisner, welche Auswirkungen haben ihrer Meinung nach die Geschehnisse um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst auf das Verhältnis zwischen Kirche und Gläubigen? Christian Weisner: Ich denke, die Vorgänge im Limburger Bistum haben die Vertrauenskrise, in der sich die katholische Kirche spätestens seit dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle 2010 befindet, noch verstärkt. Die Auswirkungen beschränken sich ja nicht auf das Bistum. Der Fall wirft ein schlechtes Licht auf die ganze katholische Kirche. Das sieht man auch an den Diskussionen um die kirchlichen Finanzen, die in dem Zusammenhang aufgekommen sind.

Was halten Sie von der Entscheidung Papst Franziskus’, den Bischof vorerst aus dem Amt zu nehmen?

Weisner: Sie ist richtig. Aber viel wichtiger ist jetzt die Frage, inwiefern der Limburger Fall nicht repräsentativ für ein generelles Problem der Kirche steht.

Was meinen Sie damit?

Weisner: Die Führungsriege der Kirche ist ein Problem. Sie steht als eine Art Isolierschicht zwischen dem Papst und dem Kirchenvolk.

Meinen Sie damit, dass diese klerikale Führungsriege mögliche Reformen des neuen Papstes dämpft?

Weisner: Genau. Man muss wissen, dass alle Kardinäle und Bischöfe, die derzeit im Amt sind, unter Papst Benedikt und dessen Vorgänger Johannes Paul ins Amt gekommen sind. Und sie haben dieses alte, einem monarchisch geprägten Gehorsam entsprechende Bischofsverständnis – dass also ein Bischof sich nur dem Papst und Gott gegenüber verantwortlich fühlt und keinerlei Rechenschaftspflicht nach unten sieht. Wir brauchen aber ein neues Bischofsbild.

Und was kann der Papst da konkret tun?

Weisner: Franziskus hat ganz klar gesagt: Er will Hirten, die den Geruch der Schafe haben. Er will keine Universitätsprofessoren als Bischöfe. Er will keine Staatsfunktionäre. Und damit sind wir an einer ganz entscheidenden Wegmarke. Wir müssen abwarten, ob er sich damit auch durchsetzen kann. Es gibt in diesem System alte, konservative Seilschaften, die man nicht unterschätzen darf. Aber ein neues Bild ist wichtig, vor allem im Hinblick auf die Bischofsernennungen der nächsten Zeit in Freiburg, Köln, Hamburg, Passau und Erfurt.

Kann es nicht auch sein, dass der Reformwille des Papstes nur ein neues Image aufbauen soll und die eingefahrenen Strukturen der Kirche unverändert bleiben?

Weisner: Die Zeichen, die jetzt gesetzt werden, verändern auch Strukturen. Das sieht man deutlich am Beispiel von Tebartz-van Elst: Franziskus hat für seine Entscheidung Berater von außen geholt, sich also nicht nur auf den Hofstaat des Vatikans verlassen. Er hat die Untersuchung an die deutsche Bischofskonferenz delegiert. Damit wählt der Papst ja den Weg einer Rechtskultur und überwindet dieses monarchische System. Und er setzt als Nachfolger – wenn auch nur vorübergehend – keinen Stadthalter von Rom ein, sondern mit Wolfgang Rösch jemanden aus der Diözese. Und es ist eben kein Theologieprofessor, sondern jemand mit pastoraler Erfahrung. Das sind alles sehr gute Zeichen.

Zuletzt geändert am 29­.10.2013