HerderKorrespondenz 1/2014
Glück 2.0
Die Vollversammlung des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK) bescherte ein eindrucksvolles Wahlergebnis, mit 177 von 182 Stimmen bestätigte das Laiengremium Ende November letzten Jahres seinen Präsidenten Alois Glück für eine zweite Amtszeit und feierte ihn mit minutenlangen stehenden Ovationen.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, würdigte in seinem Gratulationsschreiben zur Wiederwahl den 73-jährigen Oberbayern als "hochgeschätzten Ratgeber und Gesprächspartner", für ihn persönlich und ebenso für viele andere Bischöfe in Deutschland. Glücks Erfahrung und Klugheit stellten eine große Hilfe dar. Und selbst die Reform-Initiative "Wir sind Kirche" - das Verhältnis zwischen ihr und dem ZdK ist nicht immer spannungsfrei - gratulierte und dankte Glück für sein "beharrliches und eindringliches Werben für Dialog, Aufbruch und Reformen" in der Kirche.
Selbstredend bemühten die professionellen Beobachter wieder einmal das durchaus ja nahe liegende Sprachspiel vom Glücksfall, den Glück für das ZdK, für die Bischofskonferenz wie für die Kirche in Deutschland insgesamt darstelle. Nüchterner Realitätssinn, verbindliche Beharrlichkeit und vor allem das in einem langen politischen Leben erworbene, offenkundig kaum beirrbare strategische Gespür und Geschick scheinen Glück wie keinen anderen für dieses heikle Amt zu qualifizieren.
Ein Satz, in dem sich Haltung und Einstellung Glücks besonders konzentriert widerzuspiegeln scheinen, findet sich in verschiedenen Variationen in vielen Reden und Interviews: Man stehe vor der Alternative, ob man den tief greifenden Wandel, den die Kirche in absehbarer Zeit zu durchleben habe, aktiv gestalten oder mit viel Selbstmitleid lediglich erleidend hinnehmen wolle. Für Glück selbst allerdings scheint sich diese Alternative gar nicht zu stellen, und auch nie gestellt zu haben.
Dabei hat Glück vor seiner Wiederwahl keinen Zweifel daran gelassen, dass nach der Hälfte dieser zweiten Amtszeit Schluss sein soll, endgültig und seiner Familie zuliebe. So hatte er aus familiären Gründen schon 2009 für das Präsidentenamt nicht kandidieren wollen, trotz vielfachen Umwerbens von allen Seiten. Seine spontane Bereitschaft zur Präsidentschaft war eine Rettungsaktion: Die Bischöfe hatten kurz vor der Vollversammlung durchblicken lassen, dass sie dem einzigen Kandidaten für das Präsidentenamt im Fall seiner Wahl das im ZdK-Statut vorgeschriebene Placet verweigern würden (vgl. HK, Juni 2009, 277ff.). Das ZdK war damals für einen Augenblick in eine tiefe Existenzkrise geraten.
Dass Glück jetzt noch für zwei Jahre weitermacht, hat - auch wenn mancher im ZdK gezittert haben mag, ob mit ihm wirklich zu rechnen ist - eine hohe Plausibilität. Der von Erzbischof Zollitsch Ende 2010 initiierte diözesenübergreifende Dialog- oder Gesprächsprozess soll 2015 mit der Feier des 50. Jahrestags des Konzilsendes abgeschlossen werden. Vielen gelten aber das ZdK und besonders sein Präsident als so etwas wie heimliche Mitveranstalter dieses Selbstverständigungsprozesses der deutschen Ortskirche, mit dem vor allem verloren gegangenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiedergewonnen werden sollen (HK, Oktober 2013, 493ff.).
Fraglos ist das Gelingen dieses Gesprächsprozesses ein Herzensanliegen Glücks. Erzbischof Zollitsch dankte denn auch in seinem Gratulationsschreiben ausdrücklich für die "stets große Offenheit" und "nachhaltige Unterstützung" mit der der ZdK - Präsident viele Initiativen der Bischöfe unterstütze, besonders den Gesprächsprozess. Glücks Engagement ist dabei nicht risikolos. Im Fall eines Scheiterns - er selbst warnt unermüdlich, es dürfe nicht bei einem "folgenlosen" Gespräch bleiben - wird der ZdK - Präsident vermutlich in Mithaftung genommen werden, trotz seiner im letzten geringen Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten.
Für Glück gilt es aber offenbar, auch noch ein zweites Projekt zu einem guten Ende zu bringen: der 99. Katholikentag in Regensburg im Mai dieses Jahres. Und gerade hier scheint der politische Stratege aus Oberbayern mit seinem ganzen Geschick gefordert. Gestaltete sich doch schon der Vorbereitungsprozess dem Vernehmen nach als recht mühsam: angefangen bei einer Stadt, die für dieses kirchliche Großevent kaum geeignet scheint - im Programm musste der räumlichen Gegebenheiten wegen deutlich abgespeckt werden - bis zu manch eigenwilliger Vorstellung des gastgebenden Bischofs Rudolf Voderholzer beziehungsweise seiner Umgebung; eingeladen hatte zur Überraschung vieler freilich noch der Vorgänger Voderholzers, Gerhard Ludwig Müller, heute Präfekt der römischen Glaubenskongregation.
So mühsam der Anweg nach Regensburg offenkundig ist, so beglückt reagierte die Herbstvollversammlung des ZdK umgekehrt jetzt auf die sympathisch und ermunternd vorgetragene Einladung zum 100. Katholikentag 2016 nach Leipzig, überbracht vom offenkundig hoch motivierten Dresdner Bischof Heiner Koch und einer Delegation aus Bistum und veranstaltender Stadt.
Und wenn Glück sein Werk zu Ende gebracht haben wird? Bei der jetzigen Wahl standen die Zeichen ganz auf Kontinuität - auch die vier ZdK - Vizepräsidenten wurden mit großer Mehrheit bestätigt: Christoph Braß, Karin Kortmann, Claudia Lücking-Michel und Alois Wolf. Was den Präsidenten angeht, wird die Suche nach einem geeigneten Nachfolger, einer Nachfolgerin schon sehr bald weitergehen müssen. Namen werden einige gehandelt, aufzudrängen scheint sich keiner Ob man beim nächsten Mal das gleiche Glück wie mit Glück haben wird?
A.F.
Zuletzt geändert am 05.01.2014