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Veröffentlicht am 17­.02.2014

17.2.2014 - Ruhr-Nachrichten

Richtige Konfession wird für Kirche als Arbeitgeber zum Problem

Was für die meisten Menschen im Alltag kaum eine Rolle spielt, kann bei der Jobsuche ein entscheidender Faktor sein: die Religionszugehörigkeit. Denn kirchliche Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter in der Regel nach Konfession auswählen. Wegen Personalmangels verzichten Caritas und Diakonie allerdings zunehmend auf ihr Sonderrecht. Denn nicht nur im Pflegebereich drohen zunehmend Probleme. Die Kirchen, mit 1,3 Millionen Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland nach dem öffentlichen Dienst, haben in ihrer Grundordnung (katholische Kirche) und in der Loyalitätsrichtlinie (evangelische Kirche) verankert, dass in ihren Einrichtungen die Zugehörigkeit zur jeweiligen Kirche – gegebenenfalls auch einer anderen christlichen Kirche – Voraussetzung für eine Einstellung ist. Doch schon heute werden sowohl bei katholischen als auch evangelischen Trägern zunehmend auch Bewerber anderer Glaubenszugehörigkeit eingestellt.

Rein katholisch "funktioniert nicht mehr"

„Würde man nach rein konfessionellen Voraussetzungen einstellen und auf katholisch beharren, wäre es sicherlich schwierig“, betont nun Harald Westbeld vom katholischen Caritasverband für die Diözese Münster. Wie fast alle anderen Arbeitgeber im Pflegebereich spürt auch die Caritas einen Mangel an Fachkräften. Rein katholisch, so Westbeld, würde „heute gar nicht mehr funktionieren“.

Neben der Pflege könnte das Problem künftig auch in anderen Bereichen vermehrt zum Tragen kommen. So könnten in den Kindergärten die Stellen derzeit zwar noch besetzt werden, doch sei „die Zahl der Bewerbungen deutlich geringer geworden“, sagt Westbeld. Zunehmend schwierig gestalte sich die Suche nach Vertretungskräften. „Selbst bei Sozialarbeitern für Beratungsstellen, die vor wenigen Jahren noch eher Schwierigkeiten Stellen zu finden, bekommen wir von unseren Verbänden Rückmeldungen, dass es kaum Bewerbungen auf Ausschreibungen gibt.“

Zahl der offenen Stelle in der Pflege steigt

Der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn will von einem Personalnotstand im Pflegebereich zurzeit noch nicht sprechen, gleichzeitig betont Sprecher Jürgen Sauer aber auch, dass „die Zahl der offenen Stellen in diesem Bereich steigt“. Gerade auf die stationären Jugendhilfe-Einrichtungen werde in einigen Jahren aufgrund der aktuellen Altersstruktur des Personals ein echtes Problem zukommen. Und auch „im Kita-Bereich gibt es aktuell Probleme, kurzfristige Vertretungen im Fachkraftbereich und für Leitungsstellen zu gewinnen.“

Keine allzu guten Aussichten, und so warnt Christoph Graetz vom Caritasverband für das Bistum Essen, davor, die Augen vor künftigen Herausforderungen insbesondere in diesen Bereichen zu verschließen. „Die Träger sozialer Einrichtungen müssen sich damit beschäftigen, wie einer sich zukünftig noch verschärften Situation begegnet werden kann.“

Erzieher müssen katholisch sein

Doch die Möglichkeiten, die Probleme zu lösen, sind eingeschränkt: So haben die deutschen Bischöfe mit der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Jahr 2011 im Prinzip konkrete Funktionen benannt, für die die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche erforderlich ist. Für die Caritas gelte dies für Personen, die in Leitungsaufgaben arbeiten sowie für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im erzieherischen Bereich, betont Jürgen Sauer vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn. Demnach verstünden sich gerade katholische Kitas als pastorale Orte, die einen festen Platz im Leben einer Kirchengemeinde haben. „Die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist für Erzieher und Erzieherinnen in diesen Einrichtungen obligatorisch“, so Sauer.

Grundsätzlich bestehe die Anforderung an alle Mitarbeiter – egal in welchem Bereich –, dass sie den Zielen einer katholischen Einrichtung zustimmen, ergänzt Christoph Graetz. Mit einer Einschränung: „Bei einem Austritt aus der katholischen Kirche ist jedoch keine Einstellung möglich.“

Loyalität zum Arbeitgeber

Loyalität zu den Grundeinstellungen des Dienstgebers zu verlangen, sei allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche, versucht der Münsteraner Westbeld zu relativieren. „Das fordern Wirtschaftsunternehmen ebenso – wenn auch nicht so explizit –, und in vielen Verwaltungsbehörden kommt man ohne das passende Parteibuch nicht in leitende Positionen.“

„Wir werden allein mit Blick auf den demografischen Wandel und die Prognose, dass im Jahr 2030 nur noch 2,6 Millionen junge Menschen zwischen 0 und 19 Jahren einem evangelischen Bekenntnis angehören, kaum in der Lage sein, die konfessionelle oder kirchliche Bindung aller unserer Mitarbeitenden durchzuhalten“, betont dennoch Pfarrer Uwe Becker, Vorstandssprecher der evangelischen Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL). Die Diskussion, die jetzt geführt werden müsse, gehe daher in die Richtung zu fragen: „Wie können wir eine diakonische Unternehmenkultur gestalten in Unternehmen und Einrichtungen der Diakonie, in denen 20 oder auch 30 Prozent der Mitarbeitenden keine kirchliche Zugehörigkeit aufweisen können?“ Eine Antwort hat auch er noch nicht.

Reformbewegung befürwortet ökumenische Denke

Christian Weisner, Bundessprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche“, spricht sich dagegen für eine Öffnung der Kirchen hin zu einer ökumenischen Denke aus. „Wir müssen weg von dem Gedanken einer katholisch engen Kirche hin zu einer Kirche mit katholischer Weite.“ Ein wechselseitiges Wirken zum Beispiel zwischen katholischer und evangelischer Kirche wäre nach Ansicht von Weisner ein empfehlenswerter Weg.


http://www.ruhrnachrichten.de/nachrichten/wirtschaft/aktuelles_berichte/Verzicht-auf-das-Sonderrecht-Richtige-Konfession-wird-fuer-Kirche-als-Arbeitgeber-zum-Problem;art318,2279725

Zuletzt geändert am 20­.02.2014