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Veröffentlicht am 26­.04.2014

26.4.2014 - Neue Osnabrücker Zeitung

Papst Franziskus spricht zwei Vorgänger heilig

Osnabrück. Zwei Millionen Pilger werden an diesem Sonntag in Rom erwartet, wenn Papst Franziskus zwei seiner Vorgänger heilig sprechen wird: Johannes XXIII. und Johannes Paul II. Beide haben das 20. Jahrhundert geprägt; kirchenpolitisch stehen sie für sehr gegensätzliche Richtungen.

Johannes XXIII. (1958-1963) brachte frische Luft in die katholische Kirche und leitete den Aufbruch in die Moderne ein – Johannes Paul II. hat seine Fans dagegen vor allem bei den Konservativen. Doch Linkskatholiken wie die Anhänger der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ würdigen ebenfalls seine Predigten gegen das Elend der Welt, den Einsatz für Frieden und Menschenrechte sowie für die Versöhnung der Weltreligionen.

Der polnische Papst (1978-2005) war innerkirchlich stark umstritten, etwa wegen seiner unbeugsamen Haltung zur Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland. Kritisiert wurde zudem sein zentralistisches, ganz auf Rom ausgerichtetes Kirchenbild. Unbestritten ist aber, dass der politisch denkende Theologe, geprägt von persönlichen Erfahrungen in zwei Diktaturen, wesentlich zum friedlichen Ende des Kommunismus und Ostblocks beitrug.

Schon morgen wird es damit einen Heiligen geben, den viele Menschen aus der Region aus nächster Nähe erlebt haben: Vor mehr als 33 Jahren, am 16. November 1980, besuchte Johannes Paul II. Osnabrück. Anlass war das Jubiläum des Bistums, das sein 1200-jähriges Bestehen beging.

Bewusst hatte sich der Papst auf seiner ersten Deutschlandreise für diese Station entschieden, um die Katholiken in der Minderheit in Norddeutschland zu stärken. Das Bistum Osnabrück erstreckte sich zu dieser Zeit noch bis Flensburg und Schwerin in der DDR; es war die an Fläche größte deutsche Diözese und zugleich ein Bindeglied zu den verstreut lebenden katholischen Christen in Skandinavien.

Es war ein nasskalter Sonntag, als den Papst auf der Osnabrücker Sportanlage Illoshöhe bei strömendem Regen rund 140000 Gläubige jubelnd begrüßten und mit ihm Gottesdienst feierten.

Der junge Priester Franz-Josef Bode lebte noch nicht in der Hasestadt, später ist er als Bischof dem Papst mehrmals persönlich begegnet. Johannes Paul II. hat auch seine Ernennungen unterschrieben, als er 1991 Weihbischof in Paderborn und 1995 Bischof in Osnabrück wurde. „Auf mich hat er stets den Eindruck eines liebevollen und starken Hirten gemacht“, erinnert sich Bode. „Es ist ein ganz eigenes Gefühl, dass künftig zwei Päpste als Heilige verehrt werden, mit denen mein Leben so eng verknüpft ist.“

Am 11. Oktober 1962, da war Bode gerade zehn Jahre alt, versammelten sich die Schüler des Paderborner Gymnasiums Theodorianum in der Aula um einen kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher. Es gab unterrichtsfrei wegen eines welt- und kirchengeschichtlichen Ereignisses: Johannes XXIII. eröffnete feierlich das Zweite Vatikanische Konzil . Bode denkt heute zurück an die warme, bäuerliche Stimme des Norditalieners, der die „Medizin der Barmherzigkeit“ angewandt habe. „Seine Weise, Papst zu sein, hat mich als Kommunionkind und Messdiener tief beeindruckt“, sagt der Osnabrücker Bischof.

Das ging nicht nur ihm so. Der 77-jährige, 1958 gewählt und von den Italienern „papa buono“ genannt, galt wegen seines Alters zunächst nur als Übergangspapst. Seine Gesten und seine Menschlichkeit erinnern viele Ältere an den heutigen Papst Franziskus. Die von Johannes XXIII. ausgehende Aufbruchsstimmung wirkte gerade in den sechziger und siebziger Jahren prägend.

Selige und Heilige werden in der katholischen Kirche verehrt als Vorbilder christlichen Lebens – die Seligen in einer Region, die Heiligen für die ganze Weltkirche. Ein kompliziertes, genau festgelegtes, jahrelanges Verfahren mit kritischer Prüfung geht dem voraus. Beteiligt sind Anwälte, Staatsanwälte, Richter und Gutachter, darunter Theologen und Mediziner. Sie wägen die Argumente ab.

Eigentlich dürfen die Seligsprechungsverfahren , die Vorstufe zur Heiligsprechung, frühestens fünf Jahre nach dem Tod des Kandidaten eröffnet werden. Bei Johannes Paul II., der selbst nicht weniger als 482 Frauen und Männer heilig gesprochen hat, ging es viel schneller: Sein Nachfolger Benedikt XVI. erteilte bereits an dessen erstem Todestag 2006 eine Ausnahmegenehmigung. Ein Jahr zuvor hatten rund vier Millionen Menschen an den Trauerfeierlichkeiten in Rom teilgenommen, und auf dem Petersplatz riefen schon damals Gläubige „Santo subito“ („sofort heilig“).

Nach der Anerkennung eines ersten Wunders im Seligsprechungsverfahren (der Spontanheilung einer französischen Ordensschwester von Parkinson) hat der Vatikan ein zweites gefordertes medizinisch unerklärliches Wunder anerkannt: Floribeth Mora Diaz litt an einer als unheilbar geltenden Hirnverletzung; die Frau aus Costa Rica hatte den verstorbenen Papst am Tag seiner Seligsprechung um Fürsprache gebeten. Nun ist sie von der lebensgefährlichen Gehirnerkrankung geheilt.

Johannes XXIII. dagegen wird ohne ein amtlich beglaubigtes Wunder heilig gesprochen – was für Verwunderung sorgte, weil es dafür in der jüngsten Kirchengeschichte kein Vorbild gibt. Papst Franziskus entschied sich wohl zu diesem ungewöhnlichen Schritt, weil er auf jeden Fall beide Päpste gemeinsam heiligsprechen wollte, sodass die zerstrittenen kirchenpolitischen Lager zur gemeinsamen Feier verdonnert werden.

Hinzu kommt, dass der populäre Johannes XXIII. längst überall auf der Welt verehrt wird, und zwar mit Zustimmung des Vatikans. So trägt zum Beispiel die Johannesschule in Meppen seinen Namen, und das bereits seit 38 Jahren. Für die Oberschule ist die Heiligsprechung ein besonderes Ereignis, wie Schulleiter Georg Jansen berichtet. Aus diesem Anlass sind 150 Schüler der Oberschule mit 18 Begleitern mit Bussen in Richtung Rom aufgebrochen, um bei den Feierlichkeiten dabei zu sein. Zu dem Ereignis werden Regierungsdelegationen aus 93 Ländern, Repräsentanten der orthodoxen und protestantischen Kirchen sowie rund 150 Kardinäle, 1000 Bischöfe und 6000 Priester erwartet.

http://www.noz.de/deutschland-welt/vermischtes/artikel/470082/papst-franziskus-spricht-zwei-vorganger-heilig

Zuletzt geändert am 27­.04.2014