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Veröffentlicht am 24­.09.2014

24.9.2014 - Publik-Forum

»Gut, dass wir gesprochen haben!«

von Thomas Seiterich

Seit vier Jahren veranstalten die katholischen Bischöfe Deutschlands einen Gesprächsprozess. Die Stimmung ist gut. Doch viel mehr ist dabei bislang nicht herausgekommen. Und das wird wohl auch so bleiben. Zwischenruf eines gequälten Beobachters

»Gut, dass wir gesprochen haben!« Ein Satz, der je nach Kontext nichts oder vieles aussagt. Man kann mit ihm eine gewisse Inhaltsleere überbrücken. Dann steht das Kommunikative im Vordergrund. Die Einschätzung »Es ist gut, dass wir miteinander sprechen«, bekommt man von vielen Teilnehmenden des »Gesprächsprozesses« in der katholischen Kirche zu hören, wenn man nachfragt: Was sind denn nun erste Ergebnisse? Gibt es Reformen, die aus dem Dialogprozess erwachsen, bei dem die Deutsche Bischofskonferenz der Gastgeber ist?

Im Herbst 2010, als die Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche infolge der Missbrauchs- und Vertuschungsskandale katastrophaler war als je zuvor, erfand der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, seine Dialog-Initiative. Sein Mut, die Gespräche mit dem Kirchenvolk gegen die Konservativen in der Bischofskonferenz durchzusetzen, lohnte sich. Denn der Dialogprozess führte die angeschlagene Kirche aus der Schockstarre heraus, die sich im Schreckens- und Absturzjahr 2010 ausgebreitet hatte.

Und heute, im Jahr 2014? Stuhlkreis-Katholiken kann man sie langsam nennen, die jeweils etwa 300 gremienerfahrenen Laien und Bischöfe, die seit 2011 an den vier pädagogisch begleiteten und auf Glaubensfragen ausgerichteten Gesprächstreffen in Mannheim, Hannover, Stuttgart und kürzlich abschließend in Magdeburg teilnahmen. In den vier Jahren wurde deutlich, wie bequem das Setting dieser Gesprächstagungen für die Oberhirten ist. Denn die Bischöfe bestimmen die Tagesordnung. Es herrscht eine sanfte »Kultur der Folgenlosigkeit«.

Ein Indiz dafür: Im Lauf der Jahre wurde das Wort »Dialog« durch das weichere Wort »Gespräch« ersetzt. Für die Sprachschreiner war »Dialog« wohl zu sehr mit Debatten und Abstimmungen verknüpft. Und so geht es jetzt um den Austausch der Meinungen, nicht jedoch um konkrete Reformschritte, die notwendig Konflikte nach sich ziehen würden. Es fehlt den meisten Bischöfen an der kämpferischen Bereitschaft, wegen überfälliger Reformen einen harten Konflikt mit der vatikanischen Glaubensbehörde unter Kardinal Gerhard Ludwig Müller durchzustehen.

Kein Wunder, dass der neue erste Mann unter den Bischöfen, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, eine neue gesamtdeutsche Synode ablehnt. Sie wurde in Magdeburg von vielen gewünscht. Doch bei einer Synode wären die Bischöfe nicht mehr die alleinigen Hausherren. Auch die Laien-Delegierten besäßen Rechte. Man würde um Reformen inhaltlich streiten, statt sich nur nett zu unterhalten. Wie gespalten die Bischöfe sind, zeigte sich im Prozess. Die Reformer von Wir sind Kirche, die vom Gesprächsprozess ausgegrenzt wurden, weisen nach, dass knapp die Hälfte der Oberhirten nicht oder kaum an den Gesprächen teilnahm. Bistümer wie Paderborn, Regensburg, Köln, Aachen, Augsburg, Eichstätt oder Görlitz wurden kaum von ihren Bischöfen vertreten; während die Teilnahme der eher aufgeschlossenen Bischöfe regelmäßig und intensiv war.

Was bleibt? Es sind eher kleine Brötchen: Kardinal Marx wird ein Papier zugunsten der wiederverheirateten Geschiedenen bei der römischen Bischofssynode im Oktober einreichen und dort argumentativ vertreten – deutsche Rückenstärkung für Papst Franziskus und seinen theologischen Lautsprecher, Kurienkardinal Walter Kasper. Das Papier habe ein Kreis von Bischöfen erstellt, angestoßen durch den Dialogprozess, erklärte Marx. Dies ist erfreulich. Doch die Laien dürfen den Text nicht lesen. Er bleibt Verschlusssache. Zweitens soll das kirchliche Arbeitsrecht humaner werden. Reinhard Marx will die Loyalitätspflichten je nach Aufgabe der Mitarbeitenden in kirchlichen Institutionen abstufen: »Einen automatischen Rauswurf nach Scheidung und Neuheirat zum Beispiel gibt es nicht.« Die Bischöfe wollen diese Position spätestens 2015 verbindlich festschreiben und so mehr Klarheit schaffen.

All dies ist nicht nichts. Doch es ist zu wenig für vier Jahre Gesprächsprozess. Wer genügsamere Gesprächspartner als die katholischen Laienvertreter finden will, dürfte sehr lange suchen.

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Zuletzt geändert am 27­.09.2014