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Veröffentlicht am 01­.01.2015

02.01.2015 - Weser-Kurier

Christliche Vermieter

Die evangelische und katholische Kirche besitzen mehrere Zehntausend Wohnungen in Deutschland

Joachim Görres

Kirche und Immobilien? Vielen fallen da zunächst die klassischen Gotteshäuser ein. Doch neben Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäusern, Altenheimen, Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern haben die beiden christlichen Kirchen Wohnungen in ihrem Bestand und zählen zu den großen Vermietern in Deutschland.

Spätestens seit den explodierenden Baukosten für den mehr als 30 Millionen Euro teuren Dienstsitz des einstigen Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst steht das Thema kirchliche Bautätigkeit in der Öffentlichkeit. Weniger bekannt ist dagegen, dass die katholische Kirche auch ein großer Vermieter von Privatwohnungen ist. Rund 130 000 Mietobjekte gehören katholischen Wohnungsunternehmen bundesweit.

Eines der 15 Siedlungswerke der deutschen Diözesen ist das Stephanswerk, an dem das Bistum Osnabrück mit 75,7 Prozent und der Bischöfliche Stuhl Osnabrück mit 24,3 Prozent beteiligt sind. Das Stephanswerk vermietet rund 850 Wohnungen vor allem im Bereich des Bistums Osnabrück, das unter anderem Bremen, Syke, Diepholz, Osnabrück, das Emsland sowie Ostfriesland umfasst. Zudem werden auch Eigentumswohnungen gebaut. So stehen derzeit beispielsweise in der Kornstraße in Bremen rollstuhlgerechte Wohnungen zum Verkauf. Schwerpunkt ist seit einigen Jahren der Bau und die Vermietung von Seniorenwohnungen.

„Früher haben katholische Unternehmen ihre Wohnungen oft nur an Katholiken vermietet, heute ist das nicht mehr so. Es spielt auch keine Rolle mehr, ob ein Paar verheiratet ist oder nicht“, sagt Daniel Bigalke, für die Öffentlichkeitsarbeit beim Katholischen Siedlungsdienst in Berlin zuständig, dem Dachverband der kirchlichen Wohnungsunternehmen. Die Mitglieder legen besonderen Wert auf eine „familiengerechte Wohnraumversorgung“.

Evangelische Wohnungsunternehmen bieten rund 35 000 Wohnungen an. „Uns geht es um alle, die Probleme haben, etwas bezahlbares zu finden, also auch Alleinerziehende, Studenten, Senioren“, sagt Hannes Erhardt, Geschäftsführer des Evangelischen Siedlungswerks in Nürnberg. Der nach eigenen Angaben größte deutsche evangelische Vermieter will seinen Bestand von derzeit 5000 Wohneinheiten – davon 20 Prozent Sozialwohnungen – bis 2020 auf 6000 ausbauen, vor allem in Städten mit zu knappem Angebot wie München und Nürnberg. Die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter liegt bei 5,67 Euro, 2013 betrug sie noch 5,27 Euro.

„Wir liegen bei unseren Angeboten immer noch im unteren Bereich. Unsere Wartelisten sind lang“, sagt Erhardt und ergänzt: „Kundenbetreuer suchen bei Problemen nach Lösungen, alle Modernisierungen laufen bei uns ohne Rechtstreitigkeiten ab. Wir legen bei Sanierungen nie die vollen Kosten um, die wir rechtlich auf die Mieter umlegen könnten.“ Gewinne werden nicht an die evangelisch-lutherische Landeskirche Bayern als größten Gesellschafter ausgeschüttet, sondern sie fließen in soziale Projekte. Zwangsräumungen kämen vor, seien aber sehr selten. „Wir genießen auch bei Menschen ohne kirchliche Bindung als seriöser Vermieter ein hohes Vertrauen. Damit muss man haushalten und darf es nicht enttäuschen“, betont Erhardt.

Neben kirchlichen Wohnungsunternehmen treten auch katholische Bistümer, evangelische Landeskirchen, kirchliche Stiftungen, Kirchenkreise und -gemeinden als Vermieter auf. Die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover, die größte Landeskirche in Deutschland, vermietet nach eigenen Angaben vorwiegend an eigene Mitarbeiter weniger als 50 Wohnungen – dieser Bestand soll reduziert werden.

Nach Angaben von Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, gibt es immer wieder Fälle, in denen Kirchengemeinden versuchten, „exorbitant hohe Mieterhöhungen geltend zu machen“. Es gelinge meistens, die Erhöhungen wieder zurückzuschrauben, „weil die Kirche einfach sieht und akzeptiert, dass dies sozial schlicht unmöglich ist.“

In einem Impulspapier fordert die Evangelische Kirche Deutschlands bis zum Jahr 2030, dass „die evangelische Kirche neben der Kirchensteuer als ihrer Finanzbasis . . . eine weitere Säule der Finanzierung ihrer Aufgaben etabliert hat“. Dafür kommt laut Dagmar Reiß-Fechter, Geschäftsführerin des Evangelischen Bundesverbandes für Immobilienwesen in Wissenschaft und Praxis, als „rentierliches Vermögen“ der Immobilienbesitz in Frage.

Kirchen also als „normale Vermieter“, die vor allem ihre Rendite im Blick haben? Daniel Bigalke und Hannes Erhardt betonen, dass es ihnen nicht um Gewinnmaximierung gehe. Und auch Ropertz sieht trotz seiner Kritik an Einzelfällen die Kirchen zusammen mit kommunalen Unternehmen und Genossenschaften als einen Gegenpol zu renditeorientierten Wohnungsunternehmen an.

Letztlich bleiben viele Fragen offen. Die evangelische Immobilienexpertin Reiß-Fechter betont: „Wie groß das Immobilien- und Liegenschaftsvermögen der Kirchen ist, weiß niemand, da es nicht erfasst und bewertet ist.“ Die Forderung von Christian Weisner, Sprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“: „Mehr Transparenz beim kirchlichen Vermögen ist unbedingt notwendig, so wie es die Bischöfe nach dem Limburger Skandal zugesagt haben. Nur wenn alle Fakten zum kirchlichen Immobilienbesitz offengelegt werden, kann man beurteilen, ob das wirtschaftliche Handeln der Kirchen ihren eigenen Grundsätzen entspricht.“

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Zuletzt geändert am 09­.01.2015