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Veröffentlicht am 23­.03.2015

23.3.2015 - Badische Zeitung

"Wir sind Kirche": Frohbotschaft statt Drohbotschaft

Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" setzt sich für einen Wandel der katholischen Kirche ein. Bis heute erkennt diese aber die Bewegung nicht an. Nun steht die Bundesversammlung in Freiburg an.

Das Markenzeichen "Wir sind…" leiht sich "Wir sind Kirche" von einem erfolgreichen historischen Vorbild. Denn "Wir sind das Volk", skandierten vor gut einem Vierteljahrhundert immer mehr DDR-Bürger, die auch damit die SED-Diktatur zum Einsturz brachten. Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" pocht zwar nicht auch auf Umsturz, sehr wohl aber auf ebenfalls tiefgreifenden Wandel. Die Pfarrer sollen heiraten, Frauen Priesterinnen werden dürfen. "Wir sind Kirche" kämpft für echte Ökumene und für Mitsprache bei der Besetzung der Bischofsstühle. Vor allem aber: das Evangelium dürfe nicht länger als Drohbotschaft gepredigt, sondern es müsse als Frohbotschaft vermittelt werden.

"Die haben uns gerade noch gefehlt", mögen zumindest die Konservativen oder gar Reaktionären unter den 27 deutschen Bischöfen geseufzt haben, als sich die aus Österreich kommende, inzwischen in mehr als 40 Ländern präsente Kirchenvolksbewegung vor 20 Jahren auch in Deutschland etablierte. Denn dieser Teil des Episkopats tut sich schon mit dem "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" (ZdK) erkennbar schwer. Weil auch dieses sich eine glaubwürdige katholische Kirche der Zukunft vorstellt wie "Wir sind Kirche". Auch wenn es sich moderater und kompatibler gibt und sich in einer speziellen Kontaktgruppe sogar mit den Bischöfen trifft. Derzeit ist hingegen kaum vorstellbar, dass sich eine Bischöfe-Delegation auch mit Christian Weisner und dessen Vorstandsteam von "Wir sind Kirche" an einen Tisch setzt.

Weisner (63) steht an der Spitze der von sechs Sprecherinnen und Sprechern geführten Organisation. Der gelernte Stadt- und Verkehrsplaner aus Dachau muss damit leben, dass die "Amtskirche" seine Bewegung bis heute nicht anerkennt. Der spätere Papst Benedikt hat als Kardinal und oberster Glaubenswächter "Wir sind Kirche" schon 1997 brüsk zurückgewiesen. Ihm zufolge widersprechen die Reformziele der Bewegung "zum Teil der christlichen Lehre und sie stehen in offenem Gegensatz zur kirchlichen Ordnung".

Gerhard Ludwig Müller, heute Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation und von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt, beschimpfte laut Weisner noch als Bischof von Regensburg "Wir sind Kirche" als "parasitäre Existenzform". Doch die Zahl der – wenn auch oft nur heimlich – unterstützenden Bischöfe wachse, bilanziert Weisner (siehe auch das Interview am Fuß dieser Seite). Das machten theologische oder kirchenrechtliche Positionen selbst deutscher Kardinäle deutlich. Auch in der Erzdiözese Freiburg zählt er eine Reihe von Persönlichkeiten zu den Unterstützern – wenn auch keine aus dem Establishment.

Die Bewegung selbst sieht sich durch die dogmatische Konzilskonstitution "Lumen Gentium" (Licht der Völker) über das Selbstverständnis der Kirche und ihrer Gläubigen legitimiert. Und vom Trendmonitor der deutschen Bischöfe von 2010, demzufolge sich nur noch 54 Prozent der Katholiken ihrer Kirche verbunden fühlen und davon mehr als zwei Drittel "in kritischer Weise". Für Rückenwind sorgten Weisner zufolge als Erstunterzeichner und Sympathisanten der Bewegung neben anderen der Kirchenkritiker Eugen Drewermann, der Theologe Hans Küng, der Sport-Reporter Dieter Kürten und die ehemaligen Präsidenten des Bundestages Rita Süssmuth und Wolfgang Thierse.

Martina Kastner, seit fünf Jahren Vorsitzende des Diözesanrats, engagiert sich zwar nicht in, aber wie "Wir sind Kirche" dafür, dass auch die katholische Frau geweiht werden kann. Und zwar nicht nur als Diakonin, sondern auch als Priesterin. "Die Frauen wollen nicht nur helfen und dienen, sondern ihre Begabungen einbringen und das kirchliche Leben verant-wortlich mitgestalten", sagte sie im Vorfeld der Pfarrgemeinderatswahl im Erzbistum im Interview der Badischen Neuesten Nachrichten.

Und Erwin Teufel, CDU-Politiker und einst baden-württembergischer Ministerpräsident, hat sich mit seinem Buch "Ehe alles zu spät ist" mit den Reformforderungen von "Wir sind Kirche" inzwischen solidarisiert.

Als deutliches Zeichen der Entspannung zwischen der "Amtskirche" und seiner Kirchenvolksbewegung bewertet es Christian Weisner, dass der von Erzbischof Stephan Burger im Januar ernannte neue Freiburger Generalvikar Axel Mehlmann die Bundesversammlung am Samstagmorgen mit einem Grußwort beehrt: "Ein Zeichen der Wertschätzung."

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Zuletzt geändert am 23­.03.2015