17.3.2015 - Main-Post
Wider die Meinungsfreiheit
"Gegen den Strom von Meinungsdiktatur und Political Correctness“ lautet der Titel des Podiumsgesprächs, zu dem die Stiftung „Kirche in Not“ auf ihrem Kongress Weltkirche geladen hat. Rund 2000 Besucher hat das Hilfswerk am Ende der Veranstaltung gezählt. Wer sich aber eine spannende Diskussion oder gar kritische Auseinandersetzung über Medien erwartet hat, der ist im Franconia-Saal des Würzburger Congress Centrums fehl am Platz.
Ein spannender Austausch kann sich schon deshalb nicht entwickeln, weil die Personen auf dem Podium weltanschaulich alle aus der gleichen Ecke kommen. Zudem sind sie geeint in ihrer vermeintlichen Opferrolle, die sie genüsslich zelebrieren. Zum Beispiel die Soziologin und Buchautorin Gabriele Kuby, die sich vor allem damit einen Namen gemacht hat, dass sie sich gegen das so genannte „Gender Mainstreaming“ wehrt – die Bemühung also, die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen. Sie spricht von einer „zerstörerischen Ideologie“ und empört sich, dass es in Deutschland 2000 Gleichstellungsbeauftragte gebe – in ihren Augen Geldverschwendung.
Und der Beweis dafür, dass sich der Staat immer mehr in das Leben der Bürger einmische. Dabei ist die Aufgabe, den Menschen zum Guten zu erziehen, laut Kuby doch bisher, neben der Familie, vor allem der Kirche zugefallen. Warum Letztere, im Gegensatz zur Politik, das Recht haben soll, sich massiv in das Privatleben der Menschen einzumischen, erklärt die Soziologin nicht. Lieber beschwert sie sich, dass Familien und Kirchen das Fundament entzogen werde. Und wer sich dagegen wehre, gelte schnell als fundamentalistisch, bigott, sexistisch und biologistisch.
Hier hakt Hans Mathias Kepplinger, Professor für Empirische Kommunikationsforschung am Institut für Publizistik der Universität Mainz, ein. Er beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Bedeutung der Massenmedien und könnte eigentlich spannende Ansätze liefern, für eine Diskussion um die Qualität von Journalismus und eine schweigende Mehrheit, die angeblich von einer lauten Minderheit gegängelt wird. Doch statt der erhofften differenzierten Betrachtung, gibt es vom Professor nur Verallgemeinerungen zu hören: „In keinem Artikel wird mehr argumentiert. Die Leute werden mit Schlagworten mundtot gemacht.“ Journalisten seien zu 70 Prozent Linke, die SPD oder – schlimmer noch – Grüne wählen und in homogen ausgerichteten Redaktionen mit Gleichgesinnten frönend der Welt ihrer Sicht der Dinge aufdrücken wollen. Und diese steht – die Opferrolle gebietet es – natürlich im Gegensatz zum Weltbild der wahren Christen.
Traurig aber wahr ist, dass Kepplinger trotz Verallgemeinerungen und überspitzten Formulierung immer noch der einzige auf der Bühne ist, der wenigstens ansatzweise eine abweichende Meinung vertritt. Zum Beispiel, als die Sprache auf Markus Hollemann kommt, um den Anfang des Jahres eine Diskussion entbrannt war, an der sich auch „Kirche in Not“ rege beteiligt hatte. Der ÖDP-Mann wollte in München Gesundheitsreferent werden, stieß aber aufgrund seiner Nähe zu radikalen Abtreibungsgegnern auf Widerstand und zog schließlich die Kandidatur für das Amt zurück. „Eine richtige Entscheidung“, findet Kepplinger, da Hollemann in seinem Amt auch für die Schwangerenberatung und die damit verbundene Entscheidung über eventuelle Schwangerschaftsabbrüche zuständig gewesen wäre. „Wir sollten moralische und politische Aufgaben trennen. Politik muss neutral sein“, betont der Professor und empörtes Gemurmel macht sich im Saal breit. Es ist deutlich, dass seine Meinung nicht auf Gegenliebe stößt. Die meisten, wenn nicht alle hier, sind wie Markus Hollemann strikte Abtreibungsgegner.
„Man darf scheinbar nicht mehr für das Leben eintreten“, hatte „Kirche-in-Not“-Geschäftsführerin Karin Maria Fenbert, die ebenfalls auf dem Podium sitzt, schon bei der Pressekonferenz vor dem Kongress moniert. Und man möchte ihr zurufen: „Doch, das darf man!“ Aber bitte, ohne deshalb andere zu stigmatisieren. Frauen, die sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens für eine Abtreibung entscheiden, sind keine Mörder und begehen kein „abscheuliches Verbrechen“ – auch wenn das die Meinung vom in der Gesprächsrunde sitzenden Professor und Pater Wolfgang Hariolf Spindler ist. Verständnis für Menschen mit anderen Ansichten gibt es auf dem Podium nicht. Selbst aber möchten die Redner natürlich ernst genommen werden.
„Wenn man als Christ in der Öffentlichkeit seine Meinung sagt, erwarte ich dafür ein Mindestmaß an Respekt. Daran mangelt es“, klagt etwa der Jurist Klaus Michael Alenfelder, lässt aber gleichzeitig jede Wertschätzung für Andersdenkende vermissen. Wer abtreibe betäube sein Gewissen mit verharmlosenden Begriffen wie Schwangerschaftsabbruch.
Nur sie, die Lebensbefürworter würden aussprechen, was wahr sei und dadurch zu „Störenfrieden“ werden. Deshalb stelle man diese gläubigen Christen in eine Ecke mit Nationalsozialisten, zerstöre sie so und müsse sich dann mit ihren Argumenten nicht mehr auseinandersetzen. „Diese Strategie ist bösartig, aber kann durchaus wirksam sein“, sagt Alenfelder. Wieder dieser jammernde Tonfall, wieder Opferrolle. Toleranz ist hier Fehlanzeige.
Info: „Kirche in Not“
Das Hilfswerk, früher bekannt unter dem Namen „Ostpriesterhilfe“, gibt es seit 1947. In diesem Jahr organisierte der belgische Pater Werenfried von Straaten eine riesige Hilfsaktion für Heimatvertrieben und Flüchtlinge aus dem Deutschen Osten. Daraus entwickelte sich die „Ostpriesterhilfe“ und später „Kirche in Not“. Dass sich seit den Anfängen kaum etwas an den Werten und Zielen geändert hat, davon ist Magnus Lux, Mitglied im Bundesteam der KirchenVolksBewegung „Wir sind Kirche“ überzeugt. „Dort herrscht ein Kirchenbild wie vor 70 Jahren“, erklärte er im Vorfeld des Kongress im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch wenn das Hilfswerk viel Gutes tue und in mancherlei Hinsicht „Großartiges bewirke“, seien für ihn viele Unterstützer von „Kirche in Not“ im negativen Sinn konservativ. Sie wollten um jeden Preis ihre Werte erhalten, stünden allem Modernen ablehnend gegenüber. „Dabei geht es doch nicht darum, dass man dem Zeitgeist erliegt, sondern dass man den Glauben in der heutigen Zeit lebt“, so Lux. Nach Ansicht des Theologen und Opus-Dei-Experten Peter Hertel siedelt das Hilfswerk „im Bereich des katholischen Fundamentalismus“.
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Zuletzt geändert am 26.03.2015