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Veröffentlicht am 18­.02.2016

18.2.2016 - Südkurier

Katholische Bischöfe stärken Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik demonstrativ den Rücken

Vielleicht hätte Angela Merkel vor dem EU-Flüchtlingsgipfel im Kloster Schöntal Mut tanken sollen: Die deutschen Bischöfe liegen voll auf Linie der Kanzlerin. Es fehlte nur ihr „Wir schaffen das“.

Wenn Kardinal Reinhard Marx an diesem Tag im schmucken Kloster Schöntal über die Flüchtlingskrise spricht, klingt der Chef der Deutschen Bischofskonferenz wie Bundeskanzlerin Merkel (CDU) – und weniger wie ihr CSU-Widersacher Seehofer. „Wir sollten aufhören, die gespaltene Gesellschaft heraufzubeschwören“, sagt Marx. Er könne diese nicht erkennen. „Wer nach Europa flüchtet, weil er in seiner Heimat um Leib und Leben fürchten muss, hat Anspruch auf unseren Schutz und ein faires Verfahren“, gibt er Merkel mit zum EU-Gipfel.

Die Herausforderungen seien riesig. Klar. Gemeinsam seien sie aber zu bestehen. Merkels „Wir schaffen das“ nahm der Kardinal zwar nicht in den Mund. Er betonte aber die Schaffenskraft von 5100 Hauptamtlichen und mehr als 100 000 Ehrenamtlichen alleine bei der Katholischen Kirche. „Das ist ein Schatz für unsere Gesellschaft.“ Und das Engagement lasse nicht nach.

„Man kann immer noch mehr machen“, hat Marx jüngst Kritik aus den eigenen Reihen zurückgewiesen. Etliche Diözesen, darunter das Bistum Rottenburg-Stuttgart als Gastgeber des Treffens der Bischöfe, hatten angesichts sprudelnder Kirchensteuereinnahmen zuletzt einen Ausbau der Flüchtlingsarbeit angekündigt. 50 Projekte zählt man in Rottenburg auf, darunter größere Unterkünfte für Flüchtlinge in den Klöstern Weingarten oder dem Stuttgarter Haus Martinus. Seit der Öffnung des Klosters Weingarten im Oktober 2013 seien viele Gemeinden von sich aus auf Suche nach geeigneten Immobilien gegangen, hieß es.

Mehr als 112 Millionen Euro an Flüchtlingshilfe

Mindestens 112 Millionen Euro hätten die 27 deutschen Bistümer und die kirchlichen Hilfswerke im vergangenen Jahr für die Flüchtlingshilfe aufgewendet – rund 71 Millionen Euro für die Förderung von Initiativen im Inland und rund 41 Millionen für Flüchtlingsprojekte in den Krisenregionen. Unter dem Strich seien das fast 40 Millionen Euro mehr gewesen als im Jahr davor.

Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ hatte von den Bischöfen „viel mehr“ Engagement für Flüchtlinge gefordert. Es gebe noch Priesterseminare oder Klöster, in denen Zuwanderer unterkommen könnten. Die Hilfe werde weiter „angepasst“, verspricht Marx. Welche Herausforderungen kämen, sei etwa in Hamburg schon zu erahnen, berichtet von dort Erzbischof Stefan Heße als Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der DBK: Ein Drittel der Katholiken in der Hansestadt habe nicht Deutsch als Muttersprache. Auch mehr nach Merkel denn nach Seehofer klingen im Kloster Aussagen zur Flüchtlings-Obergrenze oder zum Familiennachzug: „Wir vermögen nicht zu erkennen, wie eine „Obergrenze“ für die Aufnahme von Flüchtlingen mit unserem Grundgesetz und mit den Verpflichtungen, die sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben, vereinbar sein könnte“, sagt der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle als Vorsitzender der Migrationskommission der DBK. Die Diskussion über eine Obergrenze „führt zu nichts“, sagt Marx. Und der zuletzt viel diskutierte Familiennachzug sei schlicht ein „Menschenrecht“ für jemanden, der auf unabsehbare Zeit in einem fremden Land bleiben müsse.

Trelle nannte die Einheit der Familie ein hohes und schützenswertes Gut, das nicht in den Hintergrund treten dürfe. Annahmen, der Familienclan sei die erste Keimzelle einer Parallelgesellschaft, gingen fehl.

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Zuletzt geändert am 18­.02.2016