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Veröffentlicht am 19­.03.2016

imprimatur 1.2016

Offener Brief zur Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 15.-18. Februar 2016 in Kloster Schöntal

München, 11. Februar 2016

Für eine wirkliche Beteiligung des Kirchenvolkes auf allen kirchlichen Ebenen

Sehr geehrte Herren Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe, liebe Brüder im bischöflichen Dienst,

dies ist Ihre erste Vollversammlung nach der weltweiten Bischofssynode und nach Ihrem Ad-limina-Besuch in Rom im Spätherbst des vergangenen Jahres. Die Synode in Rom hat angesichts noch fehlen¬der konkreter Ergebnisse enttäuscht; sie hat aber deutlich gemacht, dass wirksame synodale Struk¬turen endlich wieder auch innerhalb der röm.-katholischen Kirche zur Geltung kommen müssen.

Papst Franziskus forderte eine „heilsame Dezentralisierung“ und eine Aufwertung der synodalen Strukturen auf allen Ebenen in seiner historischen Rede beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Bischofssynode am 17. Oktober 2015 in Rom: Synodalität als ein konstitutives Element von Kirche und als wichtig für das Verständnis des hierarchischen Dienstes. Dies setzt ein Aufgeben von im Laufe der Kirchengeschichte angehäuften Privilegien voraus, und das auf allen Ebenen der Kirche.

In den Bistümern müssten die „Organe der Gemeinschaft“ wie Priesterrat, Domkapitel oder Pasto-ralräte gestärkt werden, so Franziskus. „Nur in dem Maß, in dem diese Organismen mit der ‚Basis‘ verbunden bleiben und von den Menschen ausgehen, von den Problemen des Alltag, kann von dort aus eine synodale Kirche ausgehen“. Auch auf der Ebene der Bischofskonferenzen hält Franziskus den Geist der Kollegialität, wie ihn das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) formuliert hat, noch nicht für ausrei-chend verwirklicht. Denn in einer synodalen Kirche müsse der Papst die Ortsbischöfe nicht bei allen Ent-scheidungen ersetzen. Auch die Bischofskonferenzen haben als Subjekte mit konkreten Kompetenzbe-reichen eine gewisse authentische Lehrautorität (vgl. Evangelium Gaudium 32).

Dies eröffnet Ihnen als Bischöfen Handlungsperspektiven, erfordert von Ihnen aber auch gemein-same Initiativen, theologisch weiterzudenken und neue Wege vor allem in der Pastoral zu gehen. Nur so kann die von Papst Franziskus gewünschte pastorale Umkehr (conversión pastoral) gelingen, die schließlich dann auch in der dogmatischen und juridischen Verfasstheit unserer Kirche nachvollzogen werden muss, damit es nicht nur bei gut gemeinten Absichtserklärungen bleibt. Deshalb ist es notwen-dig, dass eine Synode nicht nur beratende Funktion, sondern auch Entscheidungsbefugnisse hat. Das Zweite Vatikanische Konzil stellt das gemeinsame Priestertum aller vor das besondere Priestertum, das im Dienste aller steht. Das bedeutet, dass die Kirchenleitung nur dann legitim spricht, wenn sie das Kirchenvolk in ihre Entscheidungen einbezogen hat.

Die Würzburger Synode (1971-1975) verwirklichte dieses Prinzip. Die Zusammenarbeit von Kirchenlei-tung und Kirchenvolk brachte gute Früchte hervor. Nur ein Anknüpfen an diese gemeinsame Arbeits-weise wird dem theologischen Anspruch vom „Volk Gottes unterwegs“ gerecht:

• Die an der Zahl der immer weniger werdenden Priester orientierten Auflösungen oder Zusam-menlegungen von Pfarreien müssen beendet werden! Diese rein administrativen Maßnahmen ha-ben wesentlich zum fortschreitenden Verlust der Kirchenbindung beigetragen. Kirche braucht Orte, an denen die christliche Botschaft erfahrbar wird. XXXL-Pfarreien, die nur dem Mangel an zöliba-tären Klerikern geschuldet sind, können die notwendige pastorale Umkehr nicht leisten.

• Kirchengemeinden sind dazu zu ermutigen, sich ihrer Verantwortung als christliche Zentren in der Gesellschaft wieder neu bewusst zu werden – so wie dies viele Gemeinden derzeit beispiels-weise ganz konkret für Flüchtlinge tun! Das Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ hat den Weg gewiesen, wie dieses „Kirche sein“ in der Welt aussehen kann. Dazu notwendig sind eine Neuorien-tierung auf gemeindliche Stärken und Aufgaben, die Einbindung der „Laien“ in die Gemeindelei-tung, verstärkte ökumenische Zusammenarbeit sowie auch neue Zugangswege zum priesterlichen Dienst.

• Da eine universalkirchliche Veränderung der Disziplin des Zölibats derzeit noch nicht zu erwar-ten ist, so sind regionale Lösungsvorschläge gefragt, um den Gemeinden regelmäßige Eucharis-tiefeiern zu ermöglichen! Bereits das Zweite Vatikanische Konzil hat erklärt, dass Zölibat und priesterlicher Dienst nicht notwendigerweise zusammengehören. Die jüngsten Aussagen von Kardi-nalstaatsekretär Pietro Parolin zum Zölibat und der Briefwechsel von Dr. Wunibald Müller mit dem Vatikan zeigen, wie sehr das Thema auf den Nägeln brennt.

• Es braucht neue Initiativen für den „Diakonat der Frau“, der schon Thema auf der „Würzbur-ger Synode“ war! Auf der Synode in Rom forderte der kanadische Erzbischof Paul-André Duro-cher eine Debatte über den Diakonat der Frau angesichts der nach wie vor weitverbreiteten Gewalt gegen Frauen.

• Für die Ökumene, vor allem im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017, sind weitere kon-krete Schritte nötig wie wechselseitige Zulassung zu Eucharistie und Abendmahl sowie die An-erkennung der Ämter. Die sichtbare Trennung der christlichen Konfessionen bleibt ein Skandal, auch angesichts der Weltlage und weltweiten Christenverfolgungen.

• In der derzeitigen innenpolitischen Debatte ist den wachsenden Widerständen gegenüber Ge-flüchteten in Wort und Tat zu begegnen, so wie es Kern der christlichen Botschaft ist. Mit der aktuellen Flüchtlingskrise ist eine Zeitenwende angesagt. Erst wenn wir akzeptieren, dass wir es mit einer globalen Wanderbewegung zu tun haben, werden wir fähig zu handeln, auch im Umgang mit fremden Kulturen und im weltweiten Verbund der Menschheit.

• In den einzelnen Diözesen und in Deutschland muss endlich ein breiter Dialogprozess beginnen, der dem synodalen Anspruch wirklich gerecht wird. Der nach dem Aufdecken der Vertuschung sexualisierter Gewalt im Jahr 2010 von Ihnen einberufene fünfjährige unverbindliche Gesprächs-prozess hat allenfalls das Kommunikationsklima mit den ohnehin Engagierten verbessern können, aber keine konkreten Ergebnisse hervorgebracht.

Die KirchenVolksBewegung wünscht der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz den Mut, neue Wege zu gehen. Jetzt geht es darum, zusammen mit Papst Franziskus endlich die Visio-nen des Zweiten Vatikanischen Konzils konkret in die heutige Zeit umzusetzen. Die Deutungshoheit über den Weg der Kirche darf nicht den von Angst und Mutlosigkeit geleiteten Gegnern jeder Reform überlassen werden! Ihr Handeln wird daran zu messen sein, wie sehr Sie alle bereit sind, synodale Pro-zesse endlich wieder auf allen kirchlichen Ebenen in Deutschland zu praktizieren.

Mit geschwisterlichen Grüßen

Sigrid Grabmeier, Ilona Schwiermann, Christian Weisner für das Bundesteam der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche

Zuletzt geändert am 04­.04.2016