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Veröffentlicht am 08­.04.2016

8.4.2016 - Passauer Neue Presse

"Epochenwandel": Reaktionen auf Papst-Schreiben

Das päpstliche Schreiben "Amoris Laetitia" ist in Bayern auf viel Zustimmung gestoßen. Nach Ansicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx ergeben sich aus dem Dokument weitreichende Konsequenzen für den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.

Seelsorger müssten nun "in jedem einzelnen Fall die besondere Lebenssituation der Betroffenen" betrachten und könnten dann über eine Zulassung zur Kommunion entscheiden, teilte die Deutsche Bischofskonferenz mit ihrem Vorsitzenden Marx am Freitag mit. "Nur im Blick auf die jeweilige Lebensgeschichte und Realität lässt sich gemeinsam mit den betroffenen Personen klären, ob und wie in ihrer Situation Schuld vorliegt, die einem Empfang der Eucharistie entgegensteht."

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sagte: "Der Papst erweist sich auch in "Amoris Laetitia" als Realist." In dem Schreiben, das der Vatikan am Freitag veröffentlichte, hebt der Papst die Bedeutung individueller Gewissensentscheidungen hervor, ohne die kirchenrechtlichen Vorgaben zu ändern. Demnach sind Geschiedene nach einer neuen Heirat eigentlich vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen.

"Es ist sehr gut, dass in der Frage des Kommunionsempfangs die Ampel auf Grün oder zumindest auf Gelb geschaltet wurde", sagte der Sprecher der reformkatholischen Bewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner aus Dachau. Er sprach von einem "Epochenwandel": "Die Veränderungen sind tiefgreifender und auf Dauer angesetzt. Es ist ein Mentalitätswechsel." Der Papst zeige, "dass die Kirche auf die Menschen zugeht und nicht nur Verbotsschilder aufstellt".

Nun seien die deutschen Bischöfe gefragt, mahnte Weisner, "damit es in Deutschland der Situation angepasste Regelungen gibt und die Menschen nicht allein auf ihren Ortspfarrer angewiesen sind und sich ihre Kommunion in der Nachbargemeinde erschleichen müssen". Homosexuelle Menschen könnten vom Schreiben des Papstes enttäuscht sein, sagte Weisner - "weil sie nur in indirekter Weise erwähnt werden und homosexuelle Lebensgemeinschaften leider nicht anerkannt sind".


Auch der Regensburger Theologe Wolfgang Beinert sieht grundlegende Veränderungen in der katholischen Kirche. "Die Fassade bleibt, aber es entsteht etwas ganz Neues. Es ist ein wirkliches Reformschreiben", sagte der Schüler von Benedikt XVI. der Deutschen Presse-Agentur. Franziskus höhle "den legalistischen, kasuistischen Geist des Kirchenrechts von innen her aus. Das ist so, wie wenn man ein Haus innen entkernt und neu baut, aber außen die Fassade lässt."

Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann kündigte an: "Mit Blick auf Paare, die sich getrennt haben oder die nach ihrer Trennung über eine erneute Wiederheirat nachdenken, wollen wir ein abgestimmtes Seelsorge- und Begleitungsangebot anbieten." Franziskus mache deutlich, "dass es nicht darum geht, die kirchliche und christliche Lehre infrage zu stellen, sondern bei den einzelnen Menschen zu sein, sie zu begleiten in all ihren Lebenssituationen, Krisen und Brüchen. Dies wird auch für uns das Seelsorgeprogramm der Zukunft sein."

http://www.pnp.de/nachrichten/bayern/2025923_Wir-sind-Kirche-Nagelprobe-fuer-Reformfaehigkeit.html

Zuletzt geändert am 15­.04.2016