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Veröffentlicht am 04­.05.2016

4.5.2016 - epd

Reformkatholiken würdigen Lehmanns Einsatz für zeitgemäße Theologie

epd-Gespräch: Karsten Packeiser

Mainz (epd). Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" den Beitrag des scheidenden Mainzer Kardinals Karl Lehmann für eine zeitgemäße Ausrichtung der katholischen Kirche hervorgehoben. "Die Kirche müsste Lehmanns Kompetenzen auch über seinen 80. Geburtstag hinaus nutzen, das hätte sie dringend nötig", sagte der Sprecher der Reformkatholiken, Christian Weisner, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wie kein anderer leitender Geistlicher habe sich der Mainzer Bischof darum bemüht, den Aufbruch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vor Ort in Deutschland fortzusetzen. Dabei sei Lehmann auf tragische Weise von konservativen Kräften ausgebremst worden.

Der von dem Jesuiten Karl Rahner geprägte Mainzer Bischof sei ein echter "Ausnahmetheologe", sagte Weisner: "Lehmann ist ein Kämpfer mit theologischen Argumenten, aber gegen die Machteliten in Rom hat er sich nicht durchsetzen können." Während seiner Amtszeit sei deutlich geworden, wie sehr sich der Wind in Rom gedreht habe. Dies habe sich ganz besonders während der Amtszeit von Papst Benedikt XVI. gezeigt. Lehmann und der 2005 zum Papst gewählte Joseph Ratzinger hätten auf "verschiedenen theologischen Kontinenten" gelebt.

Auch unter Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. sei der Mainzer Bischof und langjährige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz nicht auf Verständnis gestoßen. Jahrelang sei Lehmann trotz seiner herausragenden Rolle unter den deutschen Bischöfen die Kardinalswürde verweigert worden. "Normalerweise hätte er den Kardinalshut sehr schnell erhalten müssen", erklärte Weisner. "Das ist natürlich eine Demütigung gewesen."

Für die Anliegen der Reformbewegung "Wir sind Kirche" habe Lehmann immer ein offenes Ohr gehabt. So hätten Laien im Bistum Mainz 1995 auch in kirchlichen Einrichtungen problemlos Unterschriften für das "Kirchenvolksbegehren" zur Reform der katholischen Kirche sammeln dürfen, während dies in den meisten deutschen Diözesen ausdrücklich verboten worden sei. Auch Mainzer Priester hätten sich ohne disziplinarische Folgen zu den Anliegen der Reforminitiative bekennen können.

Karl Lehmann wird am Pfingstmontag, 16. Mai, 80 Jahre alt. Aller Voraussicht nach wird Papst Franziskus an diesem Tag Lehmanns Rücktrittsgesuch annehmen und ihn in den Ruhestand entlassen. Der Mainzer Bischofsstuhl bleibt dann bis zur Wahl eines Nachfolgers vakant.

Zuletzt geändert am 14­.05.2016