| |
Veröffentlicht am 11­.06.2016

11.6.2016 - Neues Ruhr-Wort

"Hoffentlich nicht zu spät"

"Wir sind Kirche": Münchner Reformgruppen gegen pastorale Leitlinien München. Die Münchner Reformgruppen "Wir sind Kirche", Gemeindeinitiative und Münchner Kreis begrüßen in einer Pressemitteilung, dass der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx "jetzt dazu einlädt, Pastoralkonzepte vor Ort zu erarbeiten, die auch offen 'für neue Wege und Experimente' sein sollen, und dass endlich auch verschiedene Leitungsmodelle und Beteiligungsmöglichkeiten von Haupt- und Ehrenamtlichen an der pastoralen Arbeit in der praktischen Umsetzung geprüft werden sollen".

Aus Sicht der Kirchenbasis sei es nicht nur wegen des immer dramatischer werdenden Priestermangels dringend erforderlich, die pastoralen Konzepte neu auszurichten und die bisherigen Ergebnisse der Strukturreform im Erzbistum auf den Prüfstand zu stellen. Das Erzbistum hatte dazu im März Forschern der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Paderborn den Auftrag für eine groß angelegte Umfrage erteilt.

Bereits unter Kardinal Friedrich Wetter hatte es Ausnahmen gegeben, dass zum Beispiel auch Pastoralreferenten statt eines geweihten Priesters an der Spitze einer Gemeinde oder eines Pfarrverbands stehen konnten. Diese Praxis hatte Kardinal Marx direkt nach seinem Amtsantritt zum großen Bedauern der betroffenen Gemeinden unterbunden. Auch die Priester und Diakone des „Münchner Kreises“, die Laien in der „Gemeindeinitiative“ im Erzbistum sowie die Bewegung „Wir sind Kirche“ hatten diese Strukturreform „von oben“ kritisiert.

Die Reformgruppen stellen mit Bedauern fest, dass die sehr allgemein gehaltenen „Leitlinien für das pastorale Handeln im Erzbistum München und Freising“ erst jetzt, mehr als fünf Jahre nach Abschluss des Diözesanforums „Dem Glauben Zukunft geben“ vorgestellt werden und inhaltlich keinen Bezug auf die damals sehr umfangreichen und konkreten 61 Reformvorschläge nehmen. Leider ist auch die Sprache der Leitlinien eher "kirchisch" und wird von vielen nicht mehr verstanden. Die Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaft entscheide sich für die Gläubigen nicht daran, "dass man Kirche abgehoben sakramentalisiert, sondern wie viel Bedeutung die Gemeinschaft, deren Engagement, Aussagen und Feiern mit ihrem konkreten Leben zu tun haben."

Echte Miteintscheidung?

Wenn das kirchliche Leben vor Ort lebendig bleiben soll, müssten die Christen in den Gemeinden mit einbezogen werden. "Insofern hätte es die aus Taufe und Firmung sich begründende gemeinschaftliche Verantwortung deutlicher gemacht, wenn Gläubige und Leitung zusammen Leitlinien entwickelt hätten, statt dass der Bischofsrat vorgibt und der Kardinal verkündet", heißt es in der Stellungnahme. Im Begleitschreiben zu den Leitlinien wende sich Kardinal Marx nur an Priester und pastorale Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das erweckt den bereits überholt geglaubten Eindruck, Gläubige seien Objekte von Seelsorge statt verantwortlich mithandelnde Subjekte in der Kirche. Die vorgeschriebene Zusammenarbeit mit den Bischofsvikaren und dem Projektteam „Pastoral planen und gestalten“ mag dabei sinnvoll sein, darf aber nicht zur Gängelung werden.

Die Nagelprobe für die Veränderungsbereitschaft, auch der Kirchenleitung wird sich insbesondere an folgenden Punkten zeigen:
- Wieweit werden neue Wege und Experimente wirklich zugelassen und die Angst der Kirchenleitung vor Kontrollverlust überwunden?
- Wird man sich auf die Möglichkeit des Zugangs von Frauen zu kirchlichen Diensten und Ämtern einlassen? Der deutliche Einsatz für den gleichrangigen Diakonat für Frauen wäre ein Zeichen – theologisch möglich und historisch in der frühen Kirche belegt.
- Wird den Pastoral- und GemeindereferentInnen sowie fähigen Laien und Laiinnen wieder die Möglichkeit zur Predigt in Eucharistiefeiern geöffnet?
- Bekommen die Gläubigen, die ja Kirchenbürger und Kirchenbürgerinnen sind, endlich ein Mitspracherecht bei der Bestellung von Leitungsverantwortlichen auf allen Ebenen?
- Bekommen Gemeinden echte Mitentscheidungsmöglichkeiten, die nicht vom Wohlwollen des örtlichen Pfarrers abhängen und an seinem Veto scheitern können?
- Wird es – wie es die Bischöfe Kräutler und Lobinger vorschlagen – für die Leitung von Eucharistiefeiern ortsgebundene Beauftragungen auch für Laien wie für Laiinnen geben, damit die immer wiederholte Aussage, dass Eucharistie das Zentrum der Kirche sei, nicht hohle Behauptung bleibt?

Zuletzt geändert am 13­.06.2016