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Veröffentlicht am 17­.06.2016

17.6.2016 - Tyroler Tageszeitung

„Typisch Franziskus“ - Der Papst und die ungültigen Ehen

Rom (APA/dpa) - Dass der Papst Rede und Antwort steht, kommt nicht jeden Tag vor. Bei einem Kongress seiner Diözese in Rom ist es wieder einmal soweit. Nach der Eröffnung am Donnerstagabend werden ihm drei Fragen gestellt. Es geht um die Krise der Ehe, den Lebensstil junger Leute und die daraus resultierenden Probleme in den Gemeinden.

Die Themen sind nah dran an den Erfahrungen der in der Lateranbasilika versammelten Seelsorger. Franziskus hört zu und ist um Antworten nicht verlegen.

Wie häufig, wenn er seine Botschaft unterbringen will, greift Franziskus auf eigene Erfahrungen als Seelsorger zurück und erzählt etwa aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires, von Begegnungen mit Bischöfen und Gesprächen, in denen es um Probleme wie diese geht. Diesmal sagt er: „Wir leben in einer Kultur der Vorläufigkeit.“ Das gelte auch für das religiöse Leben. „Darum ist ein Teil unserer sakramentalen Ehen ungültig“, heißt es in der am Freitag vom Vatikan veröffentlichten offiziellen Version der Papst-Rede.

Was meint der Papst? Seiner Einschätzung nach sagen viele Paare leichtfertig „Ja“, schließen den Bund fürs Leben, sind sich über das Sakrament der Ehe und dessen Bedeutung aber nicht wirklich im Klaren. „Sie sagen es und sind guten Willens, aber sie haben nicht das Bewusstsein.“ Das Sakrament der Ehe sei in einer Krise, weil viele nicht mehr wüssten, „was das Sakrament ist, die Schönheit des Sakraments: Man weiß nicht mehr, dass es unauflöslich ist, für das ganze Leben“.

Für sich genommen klingt das aus dem Mund des Oberhaupts der katholischen Kirche nach starkem Tobak. Doch Beobachter halten das Vorgehen des 79-jährigen Argentiniers nur für folgerichtig. „Ihm geht es darum, die praktischen Probleme anzusprechen“, sagt Mario Galgano von der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Dies tue der Papst oft anekdotenhaft, wenn er etwa auf die Erfahrungen aus seiner Zeit in der Seelsorge zurückgreife. „Das ist typisch Franziskus.“ Er halte keinen rein theologischen Vortrag, der sich etwa nur auf Gesetzestexte und Verweise auf Kirchenväter beschränke.

Ganz konkret wird Franziskus etwa, wenn es über die sozialen Gründe einer Hochzeit spricht, etwa wenn ein Baby unterwegs ist. So habe er in seiner Zeit in Argentinien schlichtweg verboten, dass solche Ehen „aus Eile heraus“ geschlossen werden. „Ich habe verboten, dass es so gemacht wird, weil sie (die Partner) nicht frei sind.“ Seine Empfehlung als Bischof von Rom an die Seelsorger seiner Diözese: Die Vorbereitung auf die Ehe muss mit Nähe und Geduld vonstatten gehen. Man müsse zuhören und begleiten.

Franziskus stelle seinen „pastoralen Realitätssinn“ unter Beweis, findet etwa Christian Weisner von „Wir sind Kirche“. Vor allem begrüßt er, dass er sich gegen den sozialen Druck bei der Heirat wende, den immer wieder auch Vertreter der Kirche ausübten. „Nun muss es aber auch ein neues Nachdenken in den unterschiedlichen Bereichen der Weltkirche geben.“

Über Ehe und Familie ist in den vergangenen Monaten viel gesprochen und auch gestritten worden in der katholischen Kirche. Der Papst hatte Anfang April das Schreiben „Amoris Laetitia - über die Liebe in der Familie“ veröffentlicht. In dem Text fasste er die Ergebnisse zweier Bischofssynoden aus den vergangenen Jahren mit seinen eigenen Schlussfolgerungen zu den heiklen Streitthemen zusammen und eröffnet den Katholiken neue Spielräume. Gesetzliche Vorgaben lässt Franziskus aber in Kraft.

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Zuletzt geändert am 18­.06.2016