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Veröffentlicht am 21­.06.2016

21.6.2016 - OVB-online

Der schwierige Weg zur Transparenz

Die Kirche und das liebe Geld – eine unendliche Geschichte. Der Papst will eine arme Kirche, in Limburg sorgte indes ein protziges Bischofshaus für Proteste. Wie viel Geld hat die Kirche denn jetzt? Das Erzbistum München und Freising erlaubt nun einen Blick in die Bücher, aber auch der ist nicht vollständig.

Erzbistum legt Teile des Vermögens offen

Die Kirche und das liebe Geld – eine unendliche Geschichte. Der Papst will eine arme Kirche, in Limburg sorgte indes ein protziges Bischofshaus für Proteste. Wie viel Geld hat die Kirche denn jetzt? Das Erzbistum München und Freising erlaubt nun einen Blick in die Bücher, aber auch der ist nicht vollständig.

Von Claudia Möllers

München – Die Zahl, die alle mit Spannung erwartet haben, will ihm erst nicht über die Lippen kommen. Sechs Milliarden Euro sind nun einmal eine stattliche Summe, die das Erzbistum München und Freising gestern als Vermögen offenlegte. Generalvikar Peter Beer scheut sich gestern zunächst, in der Pressekonferenz in München diese Summe zu nennen. „Sie können es sich zusammenrechnen“, weicht er mit genervtem Blick aus. Aber anhand des umfangreichen Zahlenmaterials, das die Erzdiözese erstmals vorlegt, ist schnell klar: Das Münchner Erzbistum ist wohl die reichste Diözese Deutschlands. Zumindest nach den bisher vorgelegten Summen aus anderen Bistümern (siehe Kasten).

Beer weiß natürlich, wie sensibel diese Zahlen sind. Schließlich war seit dem Finanzskandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der mit seinem Protzbau im Jahr 2013 Zigtausende von Gläubigen zum Kirchenaustritt getrieben hat, der Druck der Öffentlichkeit enorm groß. Viel wurde gemunkelt, wie hoch das Vermögen der Bistümer wohl sein werde, zumal die Diözesen zwar ihren Haushalt regelmäßig veröffentlichen, aber ihr Vermögen als Verschluss-Sache behandelten.

Das Vertrauen in die Kirche ist zudem durch den Missbrauchsskandal 2010 erschüttert worden. Vielen Verantwortlichen in den Leitungen der Diözesen wurde immer klarer: Die Kirche muss transparenter mit ihrem Geld umgehen. Zumal sich im Laufe der Zeit Praktiken in Kirchenverwaltungen eingeschlichen hatten, die finanztechnisch nicht mehr mit dem modernen Haushaltsrecht vereinbar waren. Etwa, dass sich Gremien Mittel bewilligten und dann sogar noch die Aufsicht darüber führten.

Das geht jetzt im Erzbistum München und Freising nicht mehr. Wobei man unter der Hand auch schon mal hört: „Wir sind froh, dass wir von außen einen Anstoß hatten, weil das kirchliche System oft zu Bequemlichkeit neigt. Der Tritt in den Hintern war heilsam.“ Im Münchner Erzbistum packte man das heiße Eisen an, hat in einem organisatorischen Kraftakt innerhalb von zweieinhalb Jahren die Verwaltung ungekrempelt, die Rechnungslegung von der üblichen kameralistischen Buchführung auf die doppelte Buchführung gemäß Handelsgesetzbuch umgestellt. Und man hat externe Wirtschaftsprüfer zu Rate gezogen.

Die Finanzen der Kirche offenlegen ist aber eine höchstkomplizierte Geschichte. Denn es gibt nicht nur 27 höchst unterschiedlich strukturierte (Erz)-Bistümer in Deutschland. Sondern in jedem Bistum auch noch hunderte von Stiftungen – etwa für die einzelnen Pfarrgemeinden – , die als eigene Rechtsträger zu betrachten sind. Allein im Münchner Erzbistum sind es 750 Kirchen- und Pfründestiftungen, deren Vermögen in den sechs Milliarden Euro noch gar nicht enthalten sind. Auch das Geld, über das das Domkapitel in München und zum Beispiel die Knabenseminarstiftung verfügen, sind noch unter Verschluss. Der Generalvikar versichert: „All das wird aber bei weitem nicht so viel sein, wie wir jetzt offengelegt haben.“ Und er hofft, dass im Laufe der Zeit auch diese Rechtsträger sich dem Vorbild des Erzbistums anschließen und ihre Finanzen nach den neuen Richtlinien verwalten.

„Ihr könnt nicht beidem dienen – Gott und dem Mammon“. Peter Beer weiß um das schwierige Verhältnis von Kirche und Geld. Bei der Höhe von sechs Milliarden Euro dränge sich dieses Bibelzitat natürlich auf. Der Streit darüber, ob, was und wie viel Kirche besitzen soll, sei bis heute ein Stachel im Fleisch. Deswegen müsse man immer wieder fragen, was Kirche besitzen müsse, um effektiv und effizient zu arbeiten, klug vorzusorgen, vorausschauend zu planen. Beer räumt vor der Presse ein, „dass uns die richtige Antwort auf die Frage, wer wem dient, wir dem Mammon oder der Mammon uns, nicht immer gelingt, ja auch missrät. Das ist immer dann der Fall, wenn wir aufhören zu fragen, ob wir noch in der richtigen Spur sind.“

Damit es nun auf die richtige Spur kommt und dort auch bleibt, hat das Erzbistum einen großen Teil seines Vermögens zweckgebunden auf drei Stiftungen aufgeteilt:
- die Bischof-Arbeo-Stiftung mit 633 Millionen Euro, deren Erträge für Bildungsaufgaben bestimmt sind.
-die St. Antonius-Stiftung mit 680 Millionen Euro, die karitativen Zwecken (1300 soziale Einrichtungen für Kinder, Jugendliche, Senioren, Kranke, Pflegebedürftige, Behinderte und Flüchtlinge).
- die St. Korbinian-Stiftung, die dem gemeindlichen Leben der 748 Pfarreien zugute kommen soll.

„Wir haben das Geld vor uns selber in Sicherheit gebracht“, sagt Generalvikar Beer durchaus selbstkritisch. Denn dieses Geld ist damit dem Zugriff der Bistumsleitung entzogen, das Vermögen darf nicht geschmälert werden, und über die Verwendung der Erlöse entscheidet der Diözesansteuerausschuss. Vorsitzender ist der Erzbischof oder sein Generalvikar – beide haben aber kein Stimmrecht. Über jede Stiftung wachen Aufsichtsgremien, die mit externen, von der Kirche finanziell unabhängigen Wirtschaftsexperten besetzt sind.

Zu dem Geld, das in den Stiftungen steckt, kommen in der Vermögensaufstellung die Bilanzsumme des Erzbistums mit 3,3 Millionen Euro, der Erzbischöfliche Stuhl (Träger des mit dem Amt des Erzbischofs verbundenen Vermögens) mit einer Bilanzsumme von 56,3 Millionen Euro, die Emeritenanstalt (die die Pensionen der Priester sichert) mit 236,6 Millionen Euro und 440 Millionen Euro stille Reserve, also nicht zweckgebundene Rücklagen. Der Wert von 350 Gebäuden des Erzbistums (darunter wenige Kirchen, denn diese gehören in der Regel den Kirchenstiftungen), 7800 Flurstücken, 6000 Verträgen und zahlreichen Kunstgegenständen ist in der Bilanzsumme des Erzbistums enthalten. Wie schwierig die Zuordnung ist, zeigt auch die Tatsache, dass der Liebfrauendom in München, die Kathedralkirche des Erzbischofs, der Domkirchenstiftung gehört – und damit nicht zu dem jetzt veröffentlichten Vermögen zählt.

All diese Zahlen sagen aber nichts aus über die finanziellen Verpflichtungen der Kirche. So müssen nicht nur mehr als 15 000 Mitarbeiter bezahlt werden – auch der Unterhalt von Gebäuden schlägt zu Buche. In Niedrigzinszeiten müssen auch mehr Rücklagen für die Pensionsansprüche erbracht werden.

Ein Ranking unter den deutschen Bistümern ist allerdings schwierig. Thomas von Mitschke-Collande aus Tutzing (Kreis Starnberg), Unternehmensberater und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, hält den Vergleich der Bistümer untereinander für schwierig. „Es gibt keine wirklich vergleichbaren Zahlen“, sagt er auf Nachfrage. So vermutet er, dass das Erzbistum Köln womöglich nicht alle Stiftungen offengelegt habe. Das Erzbistum Paderborn halte bisher das Vermögen des Bischöflichen Stuhls unter Verschluss.

„Man muss es aber positiv sehen, dass man sich um Transparenz bemüht“, sagt er zur Initiative des Münchner Erzbistums. Zwar seien die Vermögenswerte unvollständig, doch man sei hier schon sehr weit. „Es ist aber dringend erforderlich, dass sich alle deutschen Bistümer auf einheitliche Bewertungsstandards einigen“, betont er. Besonders wichtig seien unabhängige Persönlichkeiten in den Aufsichtsgremien, die auch mal einem Kardinal widersprechen könnten. Man habe ja in Limburg gesehen, wohin es führe, wenn die Aufsichtsgremien sich nicht trauten.

Eine Auffassung, die auch Christian Weisner von der kirchenkritischen Bewegung „Wir sind Kirche“ so teilt. Man sehe auch, wie schwierig so ein Zahlenwerk sei. Ihn wundere, dass die deutschen Bistümer nicht gemeinsam vorgingen. „Was uns aber noch viel mehr am Herzen liegt, ist die Frage: Wer entscheidet über das Geld?“ Die Offenlegung des Vermögens sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, weitere müssten aber folgen.

https://www.ovb-online.de/politik/schwierige-transparenz-6505584.html

Zuletzt geändert am 21­.06.2016