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Veröffentlicht am 10­.08.2016

August 2016 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Immer mehr Geld für immer weniger Mitglieder?

Es ist schon merkwürdig: Trotz anhaltend hoher Kirchenaustrittszahlen steigen derzeit die Kirchensteuereinnahmen in Deutschland – bedingt durch die gute Konjunktur und die hohe Zahl von Kirchenmitgliedern in regulären Arbeitsverhältnissen. Etwa 6,09 Milliarden Euro Kirchensteuer erhielt allein die Römisch-katholische Kirche im Jahr 2015.

Die Kirchenaustrittszahlen sind allerdings nach wie vor dramatisch. Bei den Katholiken liegen sie mit 181.925 für das Jahr 2015 zwar unter dem Vorjahreswert, aber immer noch etwas über dem Spitzenwert im Krisenjahr 2010, als in Deutschland die systematische Vertuschung sexualisierter Gewalt ans Licht kam. Auf die doppelt so hohen Zahlen in der Evangelischen Kirche zu verweisen, wäre kein gutes Zeichen der Ökumene. Der Bedeutungsverlust trifft die christlichen Kirchen, zu denen sich jetzt nur noch knapp 60 Prozent der rund 82 Millionen Deutschen bekennen, als Ganzes.

Doch der gemeinhin als Säkularisierung bezeichnete Bedeutungsverlust ist in vielem hausgemacht. Durch die unsäglichen Pfarreizusammenlegungen und -schließungen entfernt sich Kirche rein räumlich immer mehr von den Menschen. Wann endlich machen die Bischöfe die von Papst Franziskus angeforderten „mutigen Vorschläge“, wie in überschaubaren Gemeinden Gottesdienste in lebensnahen Zusammenhängen gefeiert werden können? Zum anderen fehlen neue Zugänge zu Menschen, die sich zwar mit der christlichen Botschaft identifizieren können und sich dafür auch einsetzen, aber kein Interesse mehr an überlebten kirchlichen Strukturen und Hierarchiedenken haben. Wie derzeit die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen zeigt, können Gemeinden auch ein wesentlicher Kristallisationspunkt des immer wichtiger werdenden zivilgesellschaftlichen Engagements sein. Für die Zukunft wird es darauf ankommen, sich mit der Säkularisierung auseinanderzusetzen, die nicht nur als Bedeutungsverlust und Glaubensverlust, sondern als eine tiefgreifende Umgestaltung der Glaubensformen zu deuten ist.

Aber auch der Umgang mit Geld bleibt wichtig: Seit dem Skandal um den früheren Limburger Bischof Tebartz-van Elst sind die deutschen Bistümer um mehr finanzielle Transparenz bemüht. Doch mit dem Vorlegen umfangreichen Zahlenmaterials ist es nicht getan. Es kommt darauf an, wer entscheidet und wofür das Geld ausgegeben wird. Nur dann werden die Kirchenbürger und Kirchenbürgerinnen auch in Zukunft bereit sein, ihre Kirchensteuer zu zahlen, um kirchliche Strukturen zu erhalten und zivilgesellschaftliches Engagement zu ermöglichen.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 21­.07.2016