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Veröffentlicht am 10­.12.2016

Dezember 2016 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)

Mauern helfen nicht auf Dauer

Gerade einmal 28 Jahre hat die Berliner Mauer die gesellschaftliche Entwicklung aufhalten können. Allerdings hat sie ein ganzes Volk gespalten und viele Todesopfer gefordert. Die Trennung wirkt in manchem bis heute nach. Selbst die „Große Mauer“ in China oder der römische Limes, so imposant sie auch waren, erfüllten nur für begrenzte Zeit ihren Zweck. Heute sind es die USA und die westeuropäischen Staaten, die mit allen Mitteln versuchen, sich gegenüber den Problemregionen der Welt abzuschotten. Der künftige amerikanische Präsident Donald Trump will gar eine hohe Mauer entlang der mexikanischen Grenze bauen, um illegale Einwanderer fernzuhalten.

Noch gravierender als die realen Mauern können die geistigen Mauern sein, die Rechtspopulisten in aller Welt zu errichten versuchen. Überall erleben wir Versuche der Weigerung, die Realität in ihrer ganzen Komplexität wahrzunehmen. Mauern, Vorurteile und Schuldzuweisungen scheinen die bequemste Art zu sein, uns dem zu entziehen, was wir nicht wahrhaben wollen. Besonders unverantwortlich ist dieses Verhalten, wenn wir zum Beispiel durch ungerechte internationale Handelsbeziehungen selbst mit daran beteiligt sind, den Menschen in anderen Ländern die Lebensgrundlagen zu entziehen.

„Solange die Probleme der Armen nicht von der Wurzel her gelöst werden, … werden sich die Probleme der Welt nicht lösen und kann letztlich überhaupt kein Problem gelöst werden“, schrieb Papst Franziskus 2013 im Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ (202). Noch deutlicher als seine Vorgänger hat er die absolute Autonomie der Märkte und der Finanzspekulation als die strukturellen Ursachen der Ungleichverteilung der Einkünfte benannt. Beim Dritten Welttreffen der Sozialen Bewegungen im November 2016 in Rom warnte Franziskus in scharfen Worten vor der Herrschaft des Geldes, das mit einer „Geißel der Angst, Ungleichheit und wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und militärischer Gewalt“ herrsche und „immer mehr Gewalt in einer Abwärtsspirale hervorbringt, die nie zu enden scheint“. Die VertreterInnen der weltweiten Sozialen Bewegungen bestärkte der Papst, Demokratie, die sich in einer ernsten Krise befindet, „wieder zu beleben und wieder neu zu errichten“. „In diesen Zeiten von Lähmung, Desorientierung und destruktiven Plänen kann die aktive Mitwirkung von kleinen Leuten, die das Gemeinwohl anstreben, mit Gottes Hilfe die falschen Propheten besiegen, die nur Angst und Hoffnungslosigkeit ausnutzen oder magische Formeln von Hass und Grausamkeit oder von egoistischem Wohlstand und illusorischer Sicherheit verkaufen wollen.“ Eine absolut lesenswerte, hochengagierte Rede des Papstes (www.itpol.de/?p=2451).

Für Wir sind Kirche hat der Vatikan mittlerweile seine Mauern geöffnet. Zum ersten Mal seit 21 Jahren war eine Delegation der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche zu dieser Versammlung des Papstes mit den weltweiten Sozialen Bewegungen ausdrücklich eingeladen und wir sind dieser Einladung gerne gefolgt.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 13­.11.2016