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Veröffentlicht am 22­.01.2017

22.1.2017 - Main-Post

Die Kanzlerin inWürzburg: Politik und Kirche im Widerstreit?

Politik und Kirche: An diesem Montag spricht Angela Merkel (CDU) auf Einladung von Bischof Friedhelm Hofmann beim Diözesanempfang in Würzburg. Das belastete Verhältnis der CSU zur Kirche könnte dabei auf eine neue Probe gestellt werden.

Die Heilige Dreifaltigkeit in Bayern bestand seit Jahrzehnten aus der Kirche, der CSU und der Tradition. Auf das Zusammenspiel der Kräfte war Verlass. Die Grenzen sind oft fließend, wenn im Parlament im Maximilianeum gepredigt und von der Kanzel herunter politische Fragen beantwortet werden. Anschließend sitzen Politiker und Priester gemeinsam am Stammtisch.

Doch nun gibt es Haarrisse, und das hat natürlich auch mit dem Selbstverständnis der Regierungspartei zu tun, die ihren Machtanspruch gerne irgendwo ansiedelt gleich hinter dem Herrgott. Die Kritik mehrerer Bischöfe an der Flüchtlingspolitik der CSU hat Furchen hinterlassen.

So sagte unlängst der Landtagsabgeordnete Oliver Jörg aus Würzburg, grundkatholisch, in der „Süddeutschen Zeitung“, dass der vorauseilende Vertrauensvorschuss für die Kirchen „bei mir jetzt wirklich verbraucht ist“. Er habe Sorge, „dass das Verhältnis mit der Kirche nicht mehr richtig funktioniert“, so Jörg, auch Mitglied im ständigen Arbeitskreis „Politische Grundfragen“ im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Markus Söder sagt: „Die Kirchen sind nicht die Gewerkschaften des Himmels“

Finanzminister Markus Söder, seinerseits Mitglied der evangelischen Landessynode, erteilte der Glaubensfraktion gleich einen zünftigen Ratschlag: „Der Staat soll sich um seine Angelegenheiten kümmern, die Kirche um ihre. Die Kirchen sind nicht die Gewerkschaften des Himmels. Es wäre für die Kirchen besser, sie würden sich stärker auf den Glauben konzentrieren und weniger Politik machen.“

In diesem Konzert der Misstöne darf es durchaus als Paukenschlag bezeichnet werden, dass es dem Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann gelungen ist, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Festrednerin des Diözesanempfangs zu gewinnen. An diesem Montagabend wird die Kanzlerin vor 2000 geladenen Gästen im Würzburger Congress-Centrum einen Vortrag halten zum Thema: „Verbundenheit in offener Gesellschaft: Pluralität und Identität – Herausforderung und Chance.“

Die CDU-Chefin ist mit ihrer „Wir schaffen das“-Politik zur Zielscheibe zahlreicher Attacken aus Bayern geworden. Zuletzt erst verknüpfte Ministerpräsident Horst Seehofer in mehreren Interviews die Zukunft der Union untrennbar mit der Einführung einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr – ein Punkt, den Merkel beharrlich ablehnt.

So entbehrt Merkels erster Besuch in Bayern im Jahr der Bundestagswahl nicht einer Prise Brisanz. Bischof Friedhelm war es schließlich, der im Herbst den CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nach dessen Äußerungen über fußballspielende und ministrierende Senegalesen abgekanzelt hatte: „Wo bleibt hier noch das Christliche“, hatte der Bischof im Gespräch mit dieser Redaktion in Richtung CSU gefragt, und hinzugefügt: „Welch beleidigendes Denken steckt hinter einer solchen Aussage. Wie wird hier Stimmung gegen junge Flüchtlinge gemacht.“ Es war der Beginn des Disputs.

80 Medienvertreter aus ganz Deutschland sind angemeldet

Die Worte der Kanzlerin könnten von Würzburg aus einen gewaltigen Widerhall erfahren. 80 Medienvertreter aus ganz Deutschland sind akkreditiert – Ort und Thema versprechen viel, zumal zeitgleich der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz in der unterfränkischen Domstadt tagt. Zahlreiche Oberhirten werden im CCW erwartet, darunter mit Kardinal Reinhard Marx auch der höchste Repräsentant des katholischen Deutschland.

Der Erzbischof von München und Freising lobt zuletzt auffallend deutlich die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin, die „Welt“ bezeichnete beide als „ziemlich beste Freunde“.

Angela Merkel könnte mit ihrer Rede also die CSU in Erklärungsnöte bringen. Für die 62-Jährige ist der Diözesanempfang kein unbekanntes Terrain. Geboren in Hamburg, wuchs sie in Mecklenburg-Vorpommern in einem christlichen Elternhaus auf, sie ist Tochter eines evangelischen Pfarrers. Sie selbst hat Glaubensthemen immer wieder zum Gegenstand von Reden gemacht, sprach davon, dass „Gott uns als freies Wesen geschaffen hat. Gott wollte keine Marionetten“.

Immer wieder hat sie auch ein Bekenntnis gefordert: „Haben wir doch auch den Mut zu sagen, dass wir Christen sind“, rief Merkel jenen zu, die Muslime dafür kritisierten, dass sie zu ihrem Glauben stehen.

Das Schicksal von Anas Modamani ist eng mit Merkel verknüpft

Vielleicht gibt es keinen syrischen Flüchtling, dessen Schicksal so eng mit Angela Merkel verknüpft ist wie Anas Modamani. Sein Selfie mit der Kanzlerin im September 2015 ist längst zu einer Art Symbolbild für Merkels Politik geworden. Das Bild aber hat dem 19-Jährigen nicht nur Bekanntheit beschert, sondern auch jede Menge ausländerfeindlichen Hass.

In sozialen Netzwerken wie Facebook wird er oft mit gezielten Falschnachrichten verleumdet, jetzt klagt er dagegen vor dem Landgericht Würzburg. Grundsätzlich findet es Modamani „prima“, dass Deutschland unter Merkel so viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Viele andere Länder, „wie die USA“, hätten dies nicht getan. Entsprechend dankbar sei er, sagt der Syrer, der in Berlin lebt. „Ich bin glücklich, dass ich eine Gastfamilie gefunden, eine Arbeit bekommen habe und die Sprache lernen konnte.“

Allerdings sagt er auch, seine Situation sei eher „eine Ausnahme“. Leider gehe es vielen Landsleuten, die ebenfalls vor dem Krieg geflüchtet sind, schlechter. Viele seien „sehr verzweifelt“.

Gerade in Berlin laufe die Integration nicht gut, sagt Flüchtling Modamani

Er habe Freunde, so Modamani, die auch nach zwei Jahren in Deutschland nicht anerkannt seien. Sie müssten in engen Gemeinschaftsunterkünften leben, hätten keine Gelegenheit, einen Sprachkurs zu besuchen und einen Job zu bekommen. „Das verstehe ich nicht“, sagt der junge Mann. Lediglich immer wieder zu betonen, wir schaffen das, reiche nicht. Gerade in Berlin laufe die Integration nicht gut. „Dabei sollte Deutschland ein Interesse haben, gerade junge Leute zu integrieren und ihnen Arbeit zu verschaffen.“

Auch Bayerns Justizminister Winfried Bausback kommt nach Würzburg

Über die Hoffnungen seiner Landsleute auf eine bessere Zukunft in Deutschland würde Anas Modamani gerne mit der Kanzlerin sprechen – mit der Erfahrung aus 16 Monaten in Deutschland. „Es wäre mein Wunsch, Angela Merkel noch einmal zu treffen.“

Für den bayerischen Justizminister Winfried Bausback (Aschaffenburg) gibt es solch ein Treffen bereits an diesem Montag. Er gehört zu den Gästen im Würzburger CCW und wird ganz genau zuhören, was die Kanzlerin zu sagen hat. Der 51-jährige Familienvater hatte sich jüngst verärgert gezeigt über die Kritik der Bischöfe, „die vielfach überzogen, undifferenziert und meines Erachtens auch unchristlich“ gewesen sei, schrieb er damals auf Facebook.

Bausback nennt die Kritik der Bischöfe an der CSU „überzogen“

Bausback bezeichnet sich selbst als „praktizierenden Katholiken“, für den „der Glaube eine wichtige Rolle spielt“. „Natürlich bewegen die vielen Fragen im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom auch die katholische Kirche, und selbstverständlich soll sich die Kirche einbringen.“ Die Kritik der Bischöfe an der CSU hält er nach wie vor „an manchen Stellen für überzogen“.

Der Jurist sagt, dass es für die Staatsregierung und die CSU ein Gebot der christlichen und humanitären Verantwortung sei, „schutzbedürftigen Menschen zu helfen. Dabei – so sagt es im übrigen auch Papst Franziskus – müssen wir die Integration der Menschen, die zu uns kommen, gewährleisten – und zwar ohne unsere Sicherheit oder unsere kulturelle Identität zu gefährden.“

Bausback glaubt nicht, dass die Kontroverse um die Obergrenze die Zukunft der Union gefährdet und CDU und CSU spaltet: „Entscheidend ist, dass wir in den zahlreichen großen Fragen unserer Zeit Gemeinsamkeiten erarbeiten. Wir sind uns darin einig, dass die inhaltlichen Differenzen bei der Obergrenze einem gemeinsamen Wahlprogramm und unserer Unterstützung für Angela Merkel nicht im Weg stehen sollten.“

Horst Seehofer, Merkels Gegenspieler, wird am Montag wohl fehlen

Das klingt anders, sanfter als der harte Kurs von Ministerpräsident Horst Seehofer, Merkels großem Gegenspieler, der beim Diözesanempfang wohl fehlen wird. Seehofer hatte vor Weihnachten, anders als Jörg und Söder, die Kirche ermutigt, sich politisch zu äußern. Christian Weisner vom Bundesteam der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ findet zwar, dass Kirche „keine Parteipolitik machen darf“.

Aber ihr Wirken und ihre Verkündigung habe „selbstverständlich politische Auswirkungen und muss es auch haben“.

Angesichts der Weltprobleme sei etwa der Papst zu einer moralischen Stimme geworden, die auch außerhalb der Kirchen wahrgenommen wird. Mit Spannung erwartet auch er die Rede der Bundeskanzlerin, Weisner erhofft sich Impulse für das Zusammenwachsen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Gesellschaft, das dringend notwendig sei. Vielleicht könne das gemeinsame Gedenken an Martin Luthers Reformation vor 500 Jahren ein guter Ausgangspunkt für eine neue Sichtweise auf das Zusammenleben sein.

Hochschulpfarrer Burkhard Hose klagt über die Verschärfungen des Asylrechts

Burkhard Hose, der Würzburger katholische Hochschulpfarrer, ist an diesem Montag nicht in Würzburg. Er hat schon im September eine Lesung zugesagt. Ob er froh ist, sich deshalb nicht entscheiden zu müssen, ob er lieber der Kanzlerin bei ihrer Rede zuhört oder die Studierenden der Katholischen Hochschulgemeinde (unterstützt, die um 19 Uhr gegen die Asylpolitik der Bundesregierung vor dem CCW demonstrieren wollen?

„Nein“, sagt Hose. „Mein Platz wäre an der Seite der Studierenden gewesen.“ Er erlebe derzeit selbst, wie die jüngsten Verschärfungen des Asylrechts bei Flüchtlingen auch in Würzburg für Verunsicherung „und teilweise Panik“ sorgen. Massiven Druck verspürten vor allem Afghanen.

Dass die Bundesregierung Menschen in ein Land abschiebe, in dem sich Bundeswehr-Soldaten nicht trauen, ihre Unterkünfte zu verlassen, sei skandalös. „Afghanistan ist kein sicheres Land“, weiß sich Hose im Einklang mit vielen Hilfsorganisationen.

Für Pfarrer Hose ist klar: „Kirchliches Handeln ist immer politisch“

Der Hochschulpfarrer sagt, die Demo richte sich gegen die Bundesregierung, und für diese stehe die Kanzlerin nun mal. Gleichzeitig wisse er durchaus zu schätzen, dass Angela Merkel sich bis heute den schrillen Tönen aus der CSU widersetzt und sich weigert, der Forderung nach einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme nachzukommen. Hose: „Sie verteidigt das individuelle Asylrecht.“

Zur prinzipiellen Frage, wie politisch die Kirche sein darf, hat Burkhard Hose eine klare Position: „Kirchliches Handeln ist immer politisch.“ Die Botschaft der Bibel sei, benachteiligten Menschen solidarisch zur Seite zu stehen.

Den 49-jährigen Priester freut, dass auch der universelle Anspruch der Kirche wieder an Aktualität gewonnen habe. Die Weltkirche bilde ein klares Gegengewicht zu Nationalismus und völkischem Gedankengut. Christliche Werte würden keine Grenze kennen. „Und da sind wir wieder mittendrin in der Politik.“

Diözesanempfang
Rund 2000 Gäste aus allen Bereichen der Gesellschaft werden an diesem Montag im Congress Centrum Würzburg erwartet, wenn Bischof Friedhelm Hofmann zu seinem letzten Diözesanempfang einlädt. Der Bischof wird im Mai 75 Jahre alt und wird, wie vom Kirchenrecht vorgeschrieben, Papst Franziskus seinen Rücktritt anbieten. Die Festrede um 19.30 Uhr hält Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zu den 170 Ehrengästen gehören auch Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, sowie hochrangige Politiker aus Bayern.

Die Main-Post berichter ab 16 Uhr in einem Liveticker sowie mit Bildern und Videos vom Merkel-Besuch: www.mainpost.de

http://www.mainpost.de/regional/franken/Asylrecht-Bischoefe-Bundeskanzler-der-BRD-Justizminister-Paepste;art1727,9480189






Berichte über den Diözesanempfang:

Kanzlerin kommt zu den Katholiken. Merkel spricht beim Diözesanempfang in Würzburg
> Domradio
Merkel: Flüchtlinge haben Deutschland auf „harte Probe“ gestellt
> Merkur
Angela Merkel hielt Mutrede in Würzburg
> Main-Post
Hier wird auch über Proteste der Kath. Hochschulgemeinde gegen Verschärfung des Asylrechts berichtet.

Zuletzt geändert am 24­.01.2017