9.3.2017 - Main-Echo Aschaffenburg
»Wir sind Kirche« will den Wandel
Würzburg. Es sind unruhige Zeiten für die katholische Kirche: 5240 Gläubige traten 2015 in Unterfranken laut Statistik der Deutschen Bischofskonferenz aus der Kirche aus, aber nur 157 kamen neu hinzu. Damit verzeichnet das Bistum Würzburg 1,2 Prozent weniger Gläubige als im Vorjahr. Zudem herrscht Priestermangel. 2015 ließen sich lediglich 58 Männer weihen. Was sich auch in der künftigen Struktur niederschlagen wird: Aus den aktuell 163 Pfarreiengemeinschaften sollen künftig rund 40 »pastorale Räume« mit durchschnittlich 15 000 Katholiken und zehn Seelsorgern werden. Ringen um Zukunft
Und über allem gibt es noch einen Papst, der die Ortskirchen stärken und eine gewisse Öffnung will - und der dadurch gegen gehörige Widerstände in Rom kämpfen muss: Es sind spannende Zeiten für die katholische Kirche. Im Ringen um die Zukunft bekommen Reformgruppen wie »Wir sind Kirche« neuen Auftrieb. Vom 10. bis zum 12. März tagt die Bundesversammlung der Bewegung in Würzburg. »Es geht um die Gemeinde. Um die Zukunft von Gemeinde«, erläutert Magnus Lux aus dem Bundesteam von »Wir sind Kirche« aus Schweinfurt. Vor dem Hintergrund, dass aber immer weniger junge Männer Priester werden wollten und deshalb riesige regionale Pfarreien gebildet werden sollen, müsse man über Alternativen nachdenken. »Gemeinden leiten können genauso gut Frauen machen«, so Lux. Kirchenrechtlich sei das möglich. Unter Bischof Scheele in Würzburg sei das noch so praktiziert worden, doch diese Pfarrbeauftragten habe sein Nachfolger, Bischof Hofmann, wieder abgeschafft.
In der ganzen Diskussion geht es um Macht und um Machterhalt. »Diese Strukturen in der Kirchenleitung sind über Jahrhunderte gewachsen. Alle Ämter gehören auf den Prüfstand«, sagt der Theologe. Die Zwei-Stände-Gesellschaft aus Geistlichen und Laien müsse abgeschafft werden. »Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir haben ja auch keinen König mehr«, so Lux.
Kirche seien alle, nicht nur einige wenige. Auch gegen den Pflichtzölibat wendet sich der Zusammenschluss. »Das Recht auf Ehe und Familie ist ein Menschenrecht. Es ist schlicht unmenschlich, das Seelsorgern abzuverlangen«, meint der Vertreter der Bewegung. Auch sei das nirgendwo in der Bibel begründet. Es sei ein Kirchengesetz, das man jederzeit ändern könne. An der Bundesversammlung in Würzburg nimmt auch die Pfarrer-Initiative Deutschland teil, in der rund 30 Pfarrer der Diözese Würzburg aus Unterfranken organisiert sind. Auch diese Vereinigung setzt sich seit über 20 Jahren für Reformen in der Kirche ein. »Der Bezug des Priesters zu einer konkreten Gemeinde nimmt ab, wenn jetzt überall riesige Pfarreiengemeinschaften entstehen. Dadurch entsteht die Gefahr der eigenen Heimatlosigkeit und des Kontaktverlustes zur Basis«, sagt Pfarrer Christian Ammersbach aus Schweinfurt, der auch mal Pfarrer in Elsenfeld (Kreis Miltenberg) war.
Positives Zeichen
Und was hält die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) von den Reformwilligen? Auf die Frage reagiert man dort zurückhaltend. Man habe »engste Verbindungen zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken, in dem die ganze Vielfalt des deutschen Katholizismus abgebildet ist«, teilt Pressesprecher Matthias Kopp mit. Tatsächlich gab es laut Lux ein erstes Treffen mit der DBK vor einem Jahr. Und dass die Bundesversammlung heuer in einer Einrichtung der Diözese stattfinden könne, wertet er als positives Zeichen. »Sie müssen sich irgendwann mit unseren Forderungen auseinandersetzen. Wenn es immer weniger Katholiken gibt, braucht man irgendwann auch keine Bischöfe mehr«, meint Magnus Lux.
Bundesversammlung ab Freitag, 10. März, 18 Uhr, Burkardushaus Würzburg; Interessierte sind willkommen.
Bettina Kneller
Hintergrund: »Wir sind Kirche« hat Bezug zu Unterfranken
Das Kirchenvolks-Begehren war eine 1995 erstmals in Österreich durchgeführte Unterschriftenaktion, die eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche forderte. In der Folge entstand daraus in Deutschland 1996 die Bewegung Wir sind Kirche. Mit zu den Gründern gehörte auch der katholische Pfarrer Roland Breitenbach aus Schweinfurt, der auch mal in Retzstadt (Kreis Main-Spessart) tätig war. Breitenbach hat sich schon immer lautstark gegen den Zölibat gewandt. Zu den »Sexskandalen« von Priestern meinte er, dass eine Kirche, die am Zölibat festhalte, mitschuldig sei. (Bettina Kneller)
http://www.main-echo.de/ueberregional/politik/art4204,4439470
Zuletzt geändert am 14.03.2017