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Veröffentlicht am 25­.03.2017

25.3.2017 - Hessenschau

Tebartz-Nachwirkungen: Da war noch was im Bistum Limburg

Der Rausschmiss liegt schon Jahre zurück. Aber Limburgs Bischof Georg Bätzing mag die Hoffnung auf Versöhnung nicht aufgegeben. Pech für Patrick Dehm, dass er nicht gemeint ist.

Von Wolfgang Türk

Diese unselige Geschichte christlich abzuschließen liegt ihm am Herzen. Mehr als einmal in seiner noch kurzen Amtszeit hat Bischof Georg Bätzing das betont. Der Wunsch gilt seinem Vorgänger: Franz-Peter Tebartz-van Elst, der vor genau drei Jahren sein Amt verlor, der vor genau drei Jahren sein Amt verlor, nachdem er als "Protzbischof" Schimpf und Schande über die katholische Kirche gebracht hatte.

Der Theologe Patrick Dehm glaubt, dass erst einmal ganz andere an der Reihe wären, wenn Bätzing Unbewältigtes zur Chefsache machen wollte. Er selbst zum Beispiel.

"Mir und anderen ist Unrecht geschehen, das bis heute nicht zurecht gerückt worden ist“, sagt Dehm. Er hofft, dass der neue Bischof nachholt, was andere versäumt hätten: die volle Rehabilitierung von Kritikern und Leitragenden der erzkonservativen Tebartz-Ära und ihrer Auswüchse. "Wenn Kündigungen und Abmahnungen nicht zurückgenommen werden, ist eine überzeugende Versöhnung mit Tebartz-van Elst doch gar nicht möglich." Kann der Mann nicht endlich Ruhe geben?

Auf Granit gebissen

Vier Jahre ist es her, dass der 54-Jährige seine Anstellung als Leiter der katholischen Bildungsstätte "Haus der Begegnung" in Frankfurt verlor. Er hatte vor Zeugen vermutet, für die teure Bauleidenschaft von Tebartz-van Elst müsse im Bistum nun wohl "das Tafelsilber verscherbelt werden. Aber die Zeit läuft für uns."

Für Dehm lief sie nicht. Er wurde denunziert. Das Arbeitsgericht machte aus einem unhaltbaren fristlosen Rauswurf einen Schlichtungsspruch mit sechsstelliger Abfindung. Als Tebartz fort war, biss Dehm bei den Übergangs-Nachfolgern mit seiner hartnäckigen Forderung nach Rückkehr auf Granit. Gewiss, man sprach mit ihm. Den Leitungsposten im "Haus der Begegnung" ließen der Apostolische Administrator Manfred Grothe und Generalvikar Wolfgang Rösch aber lieber jahrelang unbesetzt, als ihn dem unbequemen Dehm zurückzugeben.

Inzwischen gibt Bätzings rechte Hand Rösch längst die Losung "Zukunftsorientierung" aus. Das Bistum schaue nach vorne. Klingt nach Schlussstrich. Bistumssprecher Stephan Schnelle bestreitet das entschieden: "Die Aufarbeitung ist weder nach Meinung des Bischofs noch nach der des Generalvikars abgeschlossen." Der Heilungsprozess werde, wie oft bekundet, Jahre dauern.

Anstrengungen und Erfolge

Eine AG aus Klerikern und Laien ist noch immer dabei, Lehren aus dem Tebartz-Desaster abzuleiten: wie mit Mitarbeitern umgegangen, größere Transparenz geschaffen, bessere nach innen und außen kommuniziert werde. Und gab es nicht vielfältige Anstrengungen und allseits respektierte Erfolge? Hat man nicht die Finanzen vorbildlich geordnet, Mitarbeitern ein Sorgentelefon angeboten? Und was ist mit der Aufbruchsstimmung seit Bätzings umjubeltem Amtsantritt vergangenen Herbst?

Aber noch immer will nicht bei allen Katholiken diese Stimmung aufkommen. Für ihre Gegner sind sie Ruhestörer, Reform-Eiferer, die üblichen Verdächtigen. Eine Minderheit. Aber das waren sie schon einmal: Als es den Mut brauchte, gegen einen skandalösen Bischof aufzubegehren.

"Bis heute nicht bereut"

Dorothea Nassabi von der Basisinitiative "Wir sind Kirche" empört es zum Beispiel, wenn Bätzings Sprecher Schnelle mitteilt: Die Versöhnung mit Tebartz-van Elst bleibe "eine Herausforderung". "Bätzing will Versöhnung mit jemandem, der sein Unrecht bis heute nicht einmal bereut. Von einer wirklichen Wiedergutmachung, einer völligen Rehabilitierung der Geschädigten spricht er nicht. Vielleicht wird ihm vorgegaukelt, dass das alles erledigt ist", sagt Nassabi.

Dass der Tebartz-Nachfolger selbst doch noch einmal genauer zurückblickt, hält auch der Limburger Pfarrer Hubertus Janssen für dringend geboten. "Das Bistum muss in einer unabhängigen Studie aufarbeiten lassen, wie ein Bischof innerhalb weniger Jahre ein solches autoritäres System aufziehen konnte. Es muss doch auch Bätzing ein Anliegen sein, das aufzuklären", sagt der 79-Jährige.

Und noch etwas hat die Amtskirche nach Meinung Janssens versäumt, wenn eine tragfähige Versöhnung gelingen sollte: eine glaubwürdige, öffentliche Demonstration der Reue und des Dankes an die wenigen, die sich widersetzten, als das noch etwas kostete.

- Zum Beispiel Pater Wolfgang Jungheim, der seine Pfarrei verlassen musste, weil er Tebartz-van Elst bei einer Firmungsmesse nicht im Hochgebet erwähnte. Anders als Dehm gab sich Jungheim nach einer Aussprache mit Interimschef Grothe besänftigt. Zurück auf seine Stelle kam er aber nicht.

- Oder Hanno Heil, Ex-Chef der Caritas, abserviert nach unangenehmen Fragen zu teuren Kunstschätzen. Er wählte - bei fortlaufender Bezahlung – das innere Exil theologischer Forschung. Völlig ignoriert ließ das Bistum Heils Vorschlag, aus der teuren Bischofsresidenz ein "Haus der Schatten" zu machen, das aus gegebenem Anlass die dunklen Seiten der Amtskirche ausstellt.

- Janssen könnte sich auch selbst nennen. Als wirkungsmächtiger Tebartz-Gegner im Klerus war er öffentlich heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Der Personaldezernent, der den aufmüpfigen Pfarrer zum Rapport einbestellte, hat gerade erst sein Amt als Domherr aufgegeben. Zuvor durfte dieser Tebartz-Getreue noch den neuen Oberhirten Bätzing mitwählen.

- Nicht nur Kirchenleute spüren die Tebartz-Folgen bis heute. So geriet der Lokalredakteur Johannes Laubach unter Druck, der als erster kritisch berichtete. Das Bistum drohte Anzeigen zu stornieren und Abos zu kündigen. Vorübergehend ließ man ihn die Affäre nicht mehr kommentieren. Inzwischen hat der Journalist den Job gewechselt - unter finanziellen Einbußen.

Angesichts solcher Fälle könnten Mitmacher und Mitläufer des Tebartz-Systems auf den Gedanken kommen: alles richtig gemacht. Denn die meisten behielten Posten und Gehalt. Der Dombaumeister zum Beispiel, der bei den Kosten für die 31-Millionen-Residenz log - aus nackter Angst vor seinem herrischen Oberhirten, wie Fürsprecher geltend machen. Der zwangsemeritierte Bischof wird in Rom unter anderem mit 6.700 Euro aus Limburg versorgt, die ihm als Ruhegehalt zustehen.

Abfindungen und Abfuhren

Auch mit seinem Ex-Mitarbeiter Dehm hat das Bistum rechtlich einwandfrei abgerechnet. Der Theologe will sich damit nicht abfinden. "Den Vergleich musste ich doch annehmen, um mich gegen weitere Attacken zu schützen. Aber ich habe meine Arbeit in der Kirche ja 23 Jahre lang mit Leidenschaft gemacht." Also ein neuer Anlauf nach all den Abfuhren?

> Dossier Neuanfang im Bistum Limburg

Aus Bätzings Pressestelle heißt es: Offene Fragen im Umgang mit Tebartz-Leidtragenden seien in vielen Gesprächen geklärt worden. Es heißt aber auch: Der Bischof sei grundsätzlich "dialogbereit". Einen kurzen Dialog haben die beiden schon einmal geführt. Bei einem Empfang nach der Uraufführung eines Oratoriums im Dom stellte sich Ex-Bistumsmitarbeiter Dehm dem Bischof vor. Der habe kurz gezögert und gesagt: "Dehm, ja, da war was."

Zur Erinnerung
Am 26. März 2014 nahm Papst Franziskus das Angebot von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zum Amtsverzicht an. So die Sprachregelung des Vatikans für die Ablösung des Oberhirten, der im bis dahin eher liberal geführten Bistum Limburg mit rigiden Methoden eine konservative Wende durchsetzte. Priester und Mitarbeiter beklagten ein "Klima der Angst". Ein First-Class-Flug nach Indien und vor allem der Bau einer mindestens 31 Millionen Euro teuren Residenz brachten Tebartz-van Elst international in die Schlagzeilen - und nicht zuletzt seine Lügen in diesen Affären.


Quelle: hessenschau.de

http://hessenschau.de/gesellschaft/tebartz-kritiker-drei-jahre-nach-dem-abgang-des-skandal-bischofs,bistum-dehm-baetzing-102.html

Zuletzt geändert am 25­.03.2017