| |
Veröffentlicht am 15­.05.2017

15.5.2017 - Rheinzeitung Koblenz und Region

Rast das Bistum Trier gegen die Wand?

Kirchenreform: Stimmung ist nach der Synode gespalten – Vorwurf: Priester stehen zu sehr im Fokus

Von unseren Reportern Michael Defrancesco und Chiara Theis

Rheinland-Pfalz. Ist die Trierer Synode gescheitert, und begräbt sich die katholische Kirche gerade selbst? Oder bieten sich ungeahnte Chancen, wenn man nur noch 35 Großpfarreien hat, damit sowohl unzählige Priester von Verwaltungsaufgaben befreit und gleichzeitig die Gläubigen zum Eigenengagement motiviert? Werden die Katholiken im Bistum Trier resigniert aufgeben und sich abwenden? Oder wird es zu einem Neuaufbruch kommen? Die Stimmungslage im Bistum changiert zwischen diesen Polen hin und her.

Zwiegespalten sind auch die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte im RZ-Land. Ob die Reform des Bistums ein Erfolg wird, das wird von den einzelnen Katholiken abhängen, glaubt Jutta Gerhold, Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Pfarrei St. Peter und Paul in Idar-Oberstein. Tine Harmuth aus Bad Kreuznach gibt zu bedenken, dass auch die Zahl der Gemeindemitglieder nun einmal konstant sinkt und dass somit gehandelt werden musste. „Aber Fakt ist auch, dass die Wege für uns alle nun weiter werden und die Räume, wie sie jetzt vorgeschlagen wurden, zu groß sind.“ Ob sie die Reform positiv oder negativ sieht, kann sie noch gar nicht sagen: „Dazu gibt es noch viel zu viele offene Fragen.“ Roswitha Schmidt, Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Simmern, will nicht aufgeben. „Die Leute, die derzeit in die Kirche gehen, werden dies auch weiterhin tun“, ist sie sicher. Und sie glaubt, dass sich diejenigen am meisten über die Reform aufregen, die ohnehin nicht in die Kirche gehen.

Hanspeter Schladt, Diözesansprecher der Laienorganisation „Wir sind Kirche“ im Bistum Trier, war bei der Trierer Synode dabei, die die Strukturreform angeregt hat. Er zeigt sich dennoch unzufrieden mit der aktuellen Lösung. Für ihn ist die katholische Kirche nach wie vor viel zu sehr auf die Priester fokussiert. „Die Gemeindeleitung durch den Priester ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt er unserer Zeitung. „So wird jede Reform behindert.“ Das Kirchenrecht schreibt allerdings ebendies vor, dass nur ein Priester einer Gemeinde vorstehen kann, da nur der Priester befugt ist, die Sakramente zu spenden.

Jutta Lehnert, Pastoralreferentin im Dekanat Koblenz, ist dies ebenfalls ein Dorn im Auge. „Die Trierer Synode ist gescheitert“, sagt sie unumwunden. „Sie ist gescheitert, weil sie von vornherein den Status quo akzeptiert und nur im vorgegebenen Rahmen gedacht hat.“ Sie hätte von der Synode erwartet, dass sie im Vatikan vorstellig geworden wäre, laut geworden wäre, vehement die Stimme für tiefere Reformen und für eine Änderung des Kirchenrechts erhoben hätte. „Wer sonst soll das tun, wenn nicht eine Bistumssynode?“

„Die Zeit der Priester ist vorbei“, sagt Jutta Lehnert und entwirft im Gespräch mit unserer Zeitung eine Utopie von Gemeindeleben, die an die Anfänge des Christentums erinnert. „Die Gemeindebildung muss freigegeben werden. Dann können sich überall engagierte Jesusgruppen bilden“, sagt sie. Dazu brauche es männliche wie weibliche Seelsorger, die sich um die Menschen kümmern, und Theologinnen und Theologen, die die Bibel auslegen, „aber keine Priester“. Diese Jesusgruppen sollen Vollmachten bekommen, auch die Eucharistie feiern zu dürfen, denn das bräuchten sie für ihr gesellschaftliches Engagement. „Die Kirche hat in ihrer Tradition immer die Ämter ausgebildet, die sie in der jeweiligen Zeit gebraucht hat“, sagt die Pastoralreferentin. „Aber irgendwann wurde eine Ämterstruktur geschaffen, die versteinert ist. Die Synode hat diese Strukturen und Formen gar nicht geprüft und hinterfragt und nicht wirklich neu gedacht.“ Im Jahr der Reformation träumt Jutta Lehnert von einer Reform von unten, wie sie sagt. „Diese Jesusgruppen müssen kleinteilig und an vielen Orten sein. Es braucht nur engagierte Menschen, die sich um die Bibel und im Gebet versammeln, sich gegenseitig helfen und sich vernetzen.“ Denn sie ist sicher: „Die Gesellschaft braucht das Evangelium.“ Und die Nähe sei wichtig, damit die Christen sich nicht entfremden.

Im Bistum Trier selbst befinden sich die Entscheidungsträger noch mitten in der sogenannten Resonanzphase. Das Resonanztelefon wurde schon abgeschaltet – derzeit werden die Reaktionen ausgewertet, heißt es aus dem Bistum.

Über das Telefon wurde viel Kritik geäußert, es kamen aber auch Lob sowie Vorschläge, sagt Bistumssprecherin Judith Rupp. Die Kritik reichte von „Ich fahre nicht in eine andere Kirche, da bekomme ich keinen Parkplatz“ bis zur Grenzenziehung der neuen 35 Großpfarreien.

„Häufig konnten wir am Resonanztelefon nur darauf hinweisen, dass manche Fragen weltkirchlich beraten oder gelöst werden müssten“, sagt die Bistumssprecherin. „Manche meinten ja, man müsse nur den Pflichtzölibat abschaffen, auch Frauen weihen oder erst mal Bistümer zusammenlegen – und schon wären viele Probleme gelöst.“

Die Protokolle der gut 100 Telefonate – die von zwei Minuten bis zu einigen Dreiviertelstunden dauerten – gehen nun wie alle anderen Reaktionen und Rückmeldungen an das Synodenbüro und die Teilprozessgruppe „Raumgliederung“, teilt das Bistum mit. Sie werden gesichtet und sollen gegebenenfalls in den zweiten Entwurf eingebaut werden.

Zuletzt geändert am 17­.05.2017