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Veröffentlicht am 02­.06.2017

2.6.2017 - Neue Westfälische

Vier Demonstranten für fünf neue Paderborner Priester

Weihe und Protest: Fünf Diakone werden am Samstag zu Priestern geweiht. Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ plant vor dem Dom erneut eine Kundgebung, kann ihre Mitglieder aber nicht mehr mobilisieren

Birger Berbüsse

Paderborn. Es ist gewissermaßen eine doppelte Tradition in der Domstadt: Durch Handauflegung und Gebet wird Erzbischof Hans-Josef Becker fünf Diakonen am Samstag, 3. Juni, im Hohen Dom zu Paderborn das Sakrament der Priesterweihe spenden. Gleichzeitig will die innerkirchliche Reformbewegung „Wir sind Kirche" zum 22. Mal vor dem Haupteingang des Doms demonstrieren, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.

Organisator Manfred Dümmer rechnet allerdings wie in den Vorjahren nur noch mit spärlicher Beteiligung an der Aktion. Mehr als vier Demonstranten werden es seiner Schätzung nach wohl nicht sein, die vor der Domtreppe Plakate hochhalten und Flyer verteilen. „Wir sind Kirche" fordert seit 1995 die Öffnung zum Priesteramt für Frauen und Verheiratete sowie weitere innerkirchliche Reformen. „Aber es hat sich seitdem nichts bewegt", sagt Dümmer. Das frustriere die Mitglieder der Bewegung, die zu Pfingsten außerdem häufig familiäre Verpflichtungen hätten. „Was bringt es, wenn wir hier stehen?" würden viele von ihnen fragen. Jugendliche interessierten die Themen gar nicht mehr.

Dümmer macht trotzdem weiter und setzt Hoffnung in Papst Franziskus, der in seinem Apostolischen Schreiben ein Programm der Erneuerung der Kirche entworfen habe und dafür gesorgt habe, dass es Bewegung bei der Rolle wiederverheirateter Geschiedener gegeben habe. Vielleicht, so mutmaßt Dümmer, werde zumindest ein Frauendiakonat möglich. Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums will die Bewegung am Samstag auch auf den „Skandal der Trennung der christlichen Kirchen" hinweisen, so Dümmer. Die Aktion, bei der den Neupriestern ausdrücklich auch gratuliert wird, findet ab 10.30 Uhr vor dem Haupteingang des Doms statt.


Im Dom beginnt um 9 Uhr der Gottesdienst mit der Weiheliturgie im Beisein von Familienmitgliedern sowie stets zahlreicher Gläubige aus den Heimat- und Diakonatsgemeinden.

Zu Priestern werden in diesem Jahr geweiht: Diakon Lukas Hellekes aus der Pfarrei St. Agatha in Altenhundem (geb. 1988), Diakon Jakob Jan Küchler aus der Pfarrei Allerheiligste Dreifaltigkeit in Wanne-Eickel (geb. 1990), Diakon Dominic Molitor aus der Pfarrei St. Johannes Baptist in Neheim und Voßwinkel (geb. 1988), Diakon Duc Thien Nguyen aus der Kirchengemeinde St. Elisabeth in Bergkamen (geb. 1989) und Diakon Oliver Schütte aus der Kirchengemeinde St. Laurentius in Erwitte (geb. 1977). Die neu geweihten Priester werden im Anschluss an die Weiheliturgie erfahren, wo ihre erste Dienststelle als Vikar sein wird.

Zum jährlichen Protest vor dem Dom sagte der Pressesprecher des Erzbischöflichen Generalvikariats, Ägidius Engel, auf NW-Anfrage: „Wie generell in unserer Gesellschaft gilt auch in der Kirche das Recht auf freie Meinungsäußerung, wozu auch Protest und Widerspruch einer Reformbewegung zählen. Das Erzbistum Paderborn freut sich jedoch zunächst über fünf Männer, die ihre bewusste Berufungsentscheidung für den priesterlichen Dienst getroffen haben."

Im vergangenen Jahr waren im Erzbistum Paderborn lediglich zwei neue Priester geweiht worden.

Kommentar der Redaktion

Zur Reform gezwungen

Und sie bewegt sich doch!" soll Galileo Galilei der Legende nach einst vor dem Inquisitionsgericht gesagt haben. Er meinte natürlich die Erde – und nicht die Kirche, die über 400 Jahre nach Galilei mittlerweile zwar das kopernikanische Weltbild akzeptiert hat, aber immer noch am Zölibat und dem reinen Männer-Priestertum festhält. Stillstand statt Bewegung also. Die Reformbewegung „Wir sind Kirche" fordert seit 22 Jahren, dass die katholische Kirche sich in dieser Hinsicht öffnen müsse. Bislang vergeblich. Das frustriert die Mitglieder. Auch, weil sie sich von der Kirchenführung nicht wirklich ernst genommen fühlen und ignoriert werden, es eigentlich gar keinen richtigen Dialog gibt.

Frustration führt auf Dauer zur Resignation. Das Ergebnis: Vermutlich nur noch vier Demonstranten werden vor dem Dom für ihre Anliegen werben. Die anderen haben aufgegeben. Doch sollte die Kirche die geringer werdende Zahl der Protestler nicht als Erfolg für sich werten. Zum einen, weil Dialogverweigerung nichts rühmliches ist. Zum anderen, weil die Probleme der Amtskirche genauso offensichtlich sind: Nur fünf neue Priester sind eben viel zu wenig. An einer Reform wird die Kirche früher oder später also gar nicht vorbei kommen.

http://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/paderborn/21809602_Vier-Demonstranten-fuer-fuenf-neue-Paderborner-Priester.html

Zuletzt geändert am 06­.06.2017