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Veröffentlicht am 01­.07.2017

1.7.2017 - Bayerischer Rundfunk br.de

"Erdbeben" im Vatikan. Zwiespältige Reaktionen auf Papst-Entscheidung

Die Entscheidung des Papstes, die Amtszeit von Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller als Chef der Glaubenskongregation nicht zu verlängern, hat sehr unterschiedliche Reaktionen erzeugt.

Von: Tilmann Kleinjung, Franz Bumeder

Den Kardinal selbst hatte die Nachricht von seiner Entlassung offenbar unvorbereitet getroffen. Am Freitagmittag habe er vom Papst erfahren, dass seine Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation beendet ist, so zitiert die "Mainzer Allgemeine Zeitung" Gerhard Ludwig Müller, der sich am Wochenende in Mainz wegen eines Klassentreffens aufhält.

Kritik an der Personalpolitik des Papstes

In der jüngsten Vergangenheit hatte Müller Papst Franziskus offen kritisiert. Beispielsweise beim Thema Ehe und Familie. Der Papst will die Kirche für wiederverheiratete Geschiedene öffnen und sie im Einzelfall wieder zur Kommunion zulassen. Müller sagte in seinem letzten Interview mit dem katholischen Sender EWTN: "Die Ehe ist und bleibt unauflöslich, egal, was der Papst sagt." Es sei "unmöglich", dass der Papst als Stellvertreter Christi eine Lehre vertrete, die gegen die Worte von Jesus Christus sei.

Umstrittener Hardliner

Nach solchen Äußerungen sollen mehrere Kardinäle Franziskus bedrängt haben, Müller zu entlassen – so berichtet es das Jesuitenmagazin "America". Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" spricht von einer "folgerichtigen Entscheidung". Kardinal Müller habe sich immer wieder zum Lehrmeister über den Papst erhoben. Sprecherin Sigrid Grabmeier: "Wir sind Kirche" (mit Foto): "Ich meine nicht, dass der Papst unterwürfige Menschen braucht. Aber er braucht Menschen, die Kritik fair üben. Das, was Gerhard Ludwig Müller gemacht hat, war nicht fair."

Harte Kritik am Kurienkardinal übte auch der ehemalige Vorsitzende des von Müller aufgelösten Regensburger Diözeanrats der Katholiken, Fritz Wallner. Er warf Müller im Bayerischen Rundfunkvor, "dass er alles, was nicht hundertrozentig in seinem Sinn war, einfach weggeschmissen hat, auch Menschen weggeschmissen hat".

Müller selbst uneinsichtig

Warum Franziskus die Zusammenarbeit beendet hat, weiß Müller offenbar nicht. "Differenzen zwischen mir und Papst Franziskus gab es nicht", behauptet er. Am Rande eines Gottesdienstes im Mainzer Dom berief er sich am Sonntag auf den Vorgänger von Franziskus: "Benedikt VI. hat mich berufen nur für dieses Amt als Präfekt der Glaubenskongregation. Und für ein anderes Amt hätte ich ja auch nie ein Bistum aufgegeben, das Bistum Regensburg."

Gerhard Ludwig Müller ist seit fünf Jahren Präfekt der Glaubenskongregation. Er wurde noch von Papst Benedikt berufen und nach dessen Rücktritt von Franziskus bestätigt und zum Kardinal erhoben. Seine Amtszeit endet nun turnusgemäß am 2. Juli. Die in der Vergangenheit durchaus übliche und gängige Praxis, einen Kardinal auch darüber hinaus im Amt zu belassen, lehnt Franziskus für Müller ab.

Das ist zumindest ungewöhnlich: Leitende Kurienkardinäle müssen dem Papst erst zum 75. Geburtstag ihren Rücktritt anbieten. Müller wird Ende des Jahres 70 Jahre alt. Warum Franziskus sich von dem deutschen Kardinal trennt, dafür gibt es noch keine offizielle Begründung.

In Regensburg, der Stadt, in der Müller zuletzt Bischof war, vermuten die Gläubigen, dass die Chemie zwischen dem eher aufgeschlossenen Papst und dem eher konservativen Kardinal nicht gestimmt hat.

Kritik an der Papstentscheidung

Der frühere SPD Politiker Albert Schmid, der ehemalige Vorsitzende des Landeskomitees der Bayerischen Katholiken und Vertraute Müllers, kritisierte die Papstentscheidung. Einen solchen Vorgang habe es "in den 500 Jahren des Bestehens dieses Amtes so nicht gegeben". Die Entlassung Müllers werde "in der Kirche noch lange nachwirken". Im BR sprach Schmid von "personalpolitischen Brachialmaßnahmen". Man müsse auch ohne solche innerkirchliche Spannungen aushalten.

Wer auf Müller als Chef der Glaubenskongregation folgt, auch das hat der Papst bekannt gegeben – Die Wahl fällt auf den spanischen Kurienerzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer – Müllers wichtigsten Mitarbeiter in den vergangenen Jahren. Dass damit ein Sekretär zum Präfekten aufsteigt, ist alles andere als selbstverständlich.

Der 73-jährige gilt als konservativ und gehört wie Franziskus dem Jesuitenorden an. Der spanische Kurienerzbischof wurde 2008 von Papst Benedikt XVI. zum Sekretär der vatikanischen Glaubenskongregation ernannt. In der Öffentlichkeit tritt der auf Mallorca geborene Ladaria selten auf, Interviews gibt er wenige. Der Geistliche gilt als gemäßigt konservativ. Ladaria studierte unter anderem in Frankfurt an der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen und spricht gut deutsch.

http://www.br.de/nachrichten/kardinal-mueller-papst-100.html

Zuletzt geändert am 02­.07.2017