17.3.2007 - Südwestpresse
Benedikt XVI. ohne Mut
Das alles findet im Schreiben des Papstes keine Erwähnung. Benedikt XVI. scheint auch vergessen (verdrängt?) zu haben, was er selbst in früheren Jahren einmal vertreten hat. 1970 schrieb er in seinem Buch "Glaube und Zukunft", die Kirche werde "gewiss neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen. In vielen kleineren Gemeinden ... wird die normale Seelsorge auf diese Weise erfüllt werden." Diese Ausführungen trug er auch im Rundfunk vor. Noch 1996 ist in seinem Buch "Salz der Erde" zu lesen, das Zölibat sei "kein Dogma". Das päpstliche Schreiben bringt auch keinen Hinweis auf neuere Überlegungen, wie sie Paul M. Zulehner veröffentlicht hat: Neben den akademisch ausgebildeten ehelosen Vollzeitpriestern sollte es eine neue Art des Priesteramtes geben, anders ausgebildet und gegebenenfalls auch verheiratet, das nicht solistisch, sondern im Team arbeitet. Es ist zu bedauern, dass im Dokument nur die alten Positionen wiederholt werden. Benedikt hätte es sich als angesehener Theologe erlauben können, über eine Zusammenfassung der Synodenergebnisse hinaus einige zukunftsträchtige Perspektiven wenigstens zur Diskussion zu stellen. Er hätte sogar kraft Amtes als "Pontifex Maximus" (größter Brückenbauer) den Minderheitsvoten folgen und eine Lockerung des Pflichtzölibats verfügen können. Er hat nicht den Mut dazu besessen. Die Gemeinden werden weiter ausbluten.
Dr. Norbert Scholl, war bis 1996 Professor für Katholische Theologie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Zuletzt von ihm erschienen: Kein Platz für Gott?
Zuletzt geändert am 27.03.2007