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Veröffentlicht am 28­.10.2017

28.10.2017 - Südwest-Presse

Eigeninitiative gegen Gemeindesterben / "Das Heft selbst in die Hand nehmen"

Priestermangel und schwindende Pfarreien - Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" setzt auf engagierte Gemeinden.

„Bischöfe leiten die Kirche, aber sie leiten nicht, und wir leiden darunter“, moniert Magnus Lux vom Bundesteam der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“. Hervorgegangen ist die Bewegung aus dem Kirchenvolks-Begehren von 1995. Darin wird unter anderem auf mehr Mitbestimmung in der Kirche gepocht, auf die Gleichberechtigung der Frau und die Freistellung des Zölibats. Vom 27. bis 29. Oktober kommen die Mitglieder der Bewegung zur 40. Bundesversammlung im „Haus der Begegnung“ in Ulm zusammen. Das  Thema lautet: „Baustelle Gemeinde – Gemeinden finden Lösungen“ – Lösungen, die die Bischöfe laut Lux bislang schuldig geblieben sind.

Die Baustelle ist groß: Die Zahl der Pfarreien ist im Vergleich zu 1990 um fast 23 Prozent gesunken, und mit 77 wurden letztes Jahr bundesweit 109 weniger Männer zum Priester geweiht als noch 1995. „Obwohl es immer weniger Priester gibt, konzentriert sich immer mehr Arbeit auf einen Priester“, sagt Willi Knecht von der Diözese Rottenburg-Stuttgart. In Ulm sei die Situation mit fünf Pfarrern zwar noch „privilegiert“,  pensionierte Pfarrer müssten dennoch aushelfen. Um der schwierigen Lage Herr zu werden, fordert Magnus Lux: „Gemeinden müssen das Heft selbst in die Hand nehmen!“ Denn Gemeinde sei „Kirche vor Ort“. Lux sieht den Priestermangel auch als Chance für mehr Beteiligung: „Wir müssen von Möglichkeiten und Personen ausgehen, nicht von Ämtern.“ Wer etwas beitragen könne, soll das dürfen. „So entsteht kein Chaos, es entstehen Netzwerke“, so Lux. Ein bestimmtes Modell schwebt dem Reformer nicht vor: Die Bischöfe müssten die Gemeindemitglieder ausprobieren lassen und auf Augenhöhe mit ihnen sprechen. Probleme könnten bei der Haftung und Verschwiegenheit der Engagierten auftreten.

Und wenn das Kirchenrecht in die Quere kommt? Lux ist für eine Anpassung des Kirchenrechts an die schwierigen Umstände: „Die Kirche fordert: Was ist, muss dem Recht folgen. Das Recht sollte aber dem folgen, was ist.“ Solange sich die Kirche jedoch querstellt, ist Kreativität gefordert: „Man könnte Deutschland zum Missionsland erklären“, schlägt Lux’ Kollege Christian Weisner vor. Durch den Missionsstatus ergäbe sich formal mehr Spielraum, Gemeindemitglieder könnten in der Kirche mehr Verantwortung tragen, ohne dass Kirchenrecht verletzt würde. Ob die Bischöfe sich von einer solchen Idee leiten ließen, ist eine andere Frage.

Zuletzt geändert am 28­.10.2017