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Veröffentlicht am 01­.03.2018

1.3.2018 - Süddeutsche Zeitung Landkreis Dachau

Domäne der Frauen

Viele Katholiken im Landkreis haben bei den Pfarrgemeinderatswahlen erstmals ihre Stimme per Brief abgegeben. Der Anteil weiblicher Mitglieder in den Gremien ist auffallend hoch

VON LAURA WINTER

Dachau – Ein Ehrenamt auszuüben, ist oft eine aufwendige Angelegenheit: Vorbereitungen und Organisation kosten oft viel Zeit. Wer hat dafür schon noch Muße? Ein- bis zweimal, okay, aber mehrmals in der Woche? Gemeinschaften jeder Art bauen auf ehrenamtlichen Mitgliedern auf. Das gilt auch für die Kirchengemeinden. Aus 356 Kandidaten haben die wahlberechtigten Katholiken im Landkreis Dachau 322 Pfarrgemeinderäte gewählt. Etwa ein Drittel der Gewählten war zum ersten Mal zur Wahl angetreten.

21,7 Prozent der knapp 66000 Wahlberechtigten haben am Sonntag ihr Kreuzchen gesetzt. Das ist zwar noch nicht rekordverdächtig. Dennoch war die Wahlbeteiligung beträchtlich höher als 2014. Bei den vergangenen Wahlen vor vier Jahren hatte die Beteiligung im Landkreis Dachau gerade einmal etwa 18 Prozent betragen. Der Diözesanrat der Katholiken begründet das gute Ergebnis vor allem mit der verstärkten Nutzung der neu eingeführten Briefwahl.

In insgesamt 39 der 44 Pfarreien im Landkreis Dachau haben die Gemeindemitglieder erstmals per Brief gewählt. Alle Wahlberechtigten, also alle Katholiken ab 14 Jahren, bekamen die Wahlunterlagen direkt nach Hause zugestellt. So habe man auch Gläubige erreicht, die nicht regelmäßig an Gottesdiensten teilnehmen, heißt es in einer Pressemitteilung des Diözesanrats. Die übrigen fünf Pfarreien blieben bei der klassischen Urnenwahl. „Viele Katholiken haben ihre Stimme genutzt und damit ihre Mitverantwortung für ihre Pfarrgemeinde als getaufte und gefirmte Christen wahrgenommen“, sagt Vorsitzender Hans Tremmel. Das Aufgabenfeld des Gremiums ist facettenreich. Die Mitglieder beraten und unterstützen die pastoralen Mitarbeiter unter anderem bei der Seelsorge und der Planung der Gottesdienste. Sie organisieren Feste und Veranstaltungen; durch ihre Nähe zu den Gemeindemitgliedern vermitteln sie zwischen der Gemeinde und der Pfarrei. Das Gremium spielt also eine wichtige Rolle für das Gemeindeleben und dessen Zusammenhalt. Dass lebendiger Glaube Gemeinschaft braucht, bestätigt auch Christian Weisner von der Kirchen-Volksbewegung „Wir sind Kirche“. Die Bewegung richtet den Appell an die Pfarrgemeinden, das Gemeindeleben selbst in die Hand zu nehmen und nicht auf „Hilfe von oben“ zu warten. „Der Pfarrgemeinderat ist ein gutes Instrument, durch die Einschränkungen der Kirche ist er leider etwas unscharf gemacht worden“, sagt Weisner.

Die katholische Kirche mag sämtliche Weiheämter ausschließlich Männern vorbehalten, das Gemeindeleben wird mit deutlicher Mehrheit von ehrenamtlich tätigen Frauen geprägt: 62,6 Prozent der gewählten Pfarrgemeinderatsmitglieder in der Erzdiözese München und Freising sind Frauen. Im Landkreis Dachau liegt ihre Quote noch etwas höher, hier sind 72,6 Prozent aller Gewählten weiblich. Dieses Ergebnis sei zwar grundsätzlich gut, trotzdem mahnt Weisner: „Frauen dürfen keine Lückenbüßer sein.“ Durch die hohe Frauenquote falle die Diskrepanz zwischen den zölibatären Männern in pastoralen Ämtern und den ehrenamtlich wirkenden Frauen immer mehr auf. „Dass so viele Frauen unter den gewählten Pfarrgemeinderatsmitgliedern sind, zeigt deutlich, dass sie die Gemeinden am Leben halten“, sagt Weisner. Aber die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten den Mangel an Seelsorgern nicht ausgleichen.   

Andrea Stolze engagiert sich seit knapp zehn Jahren ehrenamtlich in der Kirche. Als wiedergewählte Pfarrgemeinderätin fällt auch ihr auf, dass es vor allem die Frauen sind, die ein Ehrenamt in der Kirche übernehmen. Die Kirchenverwaltung sei hingegen fest in Männerhand. „Frauen erleben oft eine Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf“, sagt sie. „Wir haben viel mit Kindern, Familie und Umwelt zu tun. Das ist für viele Männer vielleicht weniger anziehend als Finanzen und Verwaltung.“ Sie verweist aber auch auf eine ganz andere Problematik: „Die Frauenquote ist hier meiner Meinung nach nicht entscheidend. Uns fehlt es an Menschen, die bereit sind, ein Ehrenamt auszuüben.“ Einige Gemeindemitglieder kämen zwar unterstützend zu einmaligen Veranstaltungen – die Verantwortung eines Pfarrgemeinderats wollen sie aber nicht.

Es komme die Frage auf, wer überhaupt noch dazu bereit ist, Zeit in eine ehrenamtliche Tätigkeit zu investieren. Vor allem junge Leute zwischen 20 und 35 Jahren, egal welchen Geschlechts, gelte es zu gewinnen. „Die Gemeinde soll schließlich weiterleben“, sagt sie bestimmt. Auch Klara Popp geht es ähnlich. Sie tritt ihre zweite Amtszeit als Mitglied im Pfarrgemeinderat in der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz in Dachau an. „Wenn man die Kirche etwas zeitgerechter gestalten und alte Muster aufbrechen würde, könnte man vielleicht auch wieder mehr junge Leute begeistern“, sagt sie. Dabei sei es jedem selbst überlassen, wie viel Zeit man aufbringen wolle.

Viele Menschen zögen sich immer mehr ins Private zurück, was „sehr schade“ sei. Bernhard Rümmler, Pfarrer im Pfarrverband Karlsfeld, betont: „Im Fokus muss stehen, was Glaube bedeutet. Nicht Rom, nicht das Gebäude. Glaube sind wir alle.“ Gelinge dies, fänden sich auch wieder mehr Menschen, die bereit sind, ihre freie Zeit dem Ehrenamt in der Kirche zu widmen.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/mittler-zwischen-kirche-und-gemeinde-domaene-der-frauen-1.3887438

Zuletzt geändert am 14­.03.2018