9.5.2018 - Lausitzer Rundschau
Schwer zu glauben
Wer absolut kein Interesse am 101. Deutschen Katholikentag in Münster hegt, dürfte dennoch seinen Heidenspaß beim Treffen der Gläubigen bekommen: auf dem sogenannten Ketzertag Münster 2018, den der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten ausrichtet - abseits des Programms natürlich. Und während der Katholikentag aus Psalm 34 "Suche Frieden" zum Motto erkoren hat, haben sich die selbst ernannten Ketzer naheliegend für "Suche Streit" entschieden.
Doch für diesen unfrommen Wunsch bedarf es in Münster nicht erst der Ungläubigen. So werden auf dem Katholikentag manch widerstreitende Positionen aufeinandertreffen. Da ist der Auftritt des AfD-Politikers Volker Münz. Der ist kirchenpolitischer Sprecher seiner Partei im Bundestag und wurde eingeladen, sich mit den vergleichbaren Sprechern der anderen Fraktionen - also der CDU, SPD, FDP und den Grünen - der Frage zu stellen: "Nun sag', wie hast du's mit der Religion?" Riesentrara um seine Teilnahme. Und eine Studie des Instituts für Christliche Sozialwissenschaft versorgt die erregten Gemüter mit der wenig überraschenden Erkenntnis, dass im AfD-Grundsatzprogramm eine "nationalistische Bevölkerungspolitik" propagiert werde.
Also gar nicht erst einladen? Das hatte man auf dem Leipziger Katholikentag vor zwei Jahren beherzigt. Ergebnis: ebenfalls ein Riesentrara. Und auch dazu gab es dann Podien, auf denen sich die Experten die Köpfe zur Ausladung heißredeten, während die damalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry im Ü-Wagen eines bedeutenden Senders im Interview der Woche sich darüber mokieren und die Flüchtlingshilfe der Kirche zu einer Form des modernen Ablasshandels deklarieren konnte.
Jetzt also wird Münz seinen Auftritt haben. Unsere Empörungsbereitschaft darüber kann aber gefährlicher werden, als man denkt. Weil sich diese nur an einem Auftritt entzündet und man damit aus dem Blick verlieren könnte, dass es auch die Bundesvereinigung Christen in der AfD gibt. Ihre Mitglieder rekrutieren sich aus dem wertkonservativen Milieu, die in der AfD gemeinsame Feindbilder wiederfinden: in der sogenannten Homo-Lobby, im vermeintlichen Genderwahn, vor allem im Islam. "Maria statt Scharia" lautet ihre Parole - wie bei der NPD.
Irgendjemand hat brav nachgezählt, dass im 680 Seiten starken Programm das Wort Frieden fast 800 mal zu lesen ist. Von den 1000 Veranstaltungen dürfte damit ein Großteil davon "betroffen" sein, ohne aber immer auch friedliche Spuren hinterlassen zu können. Dafür ist der Katholikentag in der alten Wiedertäuferstadt einfach viel zu politisch und kirchenpolitisch. Gerade in den vergangenen Wochen häuften sich Themen an, die von katholischen Laien jetzt auch öffentlich diskutiert werden wollen. Etwa über den Erlass der bayerischen Staatsregierung, Kreuze in öffentlichen Gebäuden aufzuhängen. Die Mehrheit der deutschen Bischöfe verwahrte sich gegen eine solche wahlkämpferische Instrumentalisierung durch die Politik; auch Armin Laschet sieht für Nordrhein-Westfalen keinen Handlungsbedarf. Der Ministerpräsident des Landes wird neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie dem Bischof von Münster, Felix Genn, den Katholikentag heute Abend auf dem Domplatz eröffnen.
Reichlich Konfliktstoff liefert auch der Brief von sieben Bischöfen an den Vatikan, die Zweifel erheben, dass Teilnahmen von protestantischen Ehepartnern an der Kommunion rechtmäßig sein könnten. Für manche aus dem Kirchenvolk geht es dabei auch darum, dass die Bischöfe mit dem auch ökumenisch heiklen Votum ihre Autorität verspielen. So sehen das vor allem die Vertreter der Bewegung von "Wir sind Kirche", obligate Randgäste, die ihr Programm - unter anderem mit einem Auftritt Eugen Drewermanns - "Kirchentag plus" nennen.
Natürlich gibt es wieder fulminante Kritik am Treffen der Laien mit diesmal 50.000 Dauergästen. Der Kölner Autor und Politikberater Drewermanns nennt den Katholikentag eine "brutale Geldverschwendung", weil die, die dort hingingen, entweder in der Kirche ohnehin engagiert oder bei der Kirche angestellt seien und ihre Arbeitszeit in Münster zubringen würden. Das ist natürlich Blödsinn, weil die Treffen immer kritische Glaubenfeste waren für alle, die selbstbewusst ihrer Kirche angehören. Das ist viel in einer Zeit, in der der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung hierzulande bei nicht einmal 29 Prozent liegt. Selbst in "schwarzen Hochburgen" wie Münster sind die Katholiken nicht mehr in der Mehrheit; 47,7 Prozent beträgt der Anteil in der Stadt. Noch katastrophaler ist es um den Priesternachwuchs bestellt: In den 27 Bistümern werden in diesem Jahr nur 60 Männer zu Priestern geweiht. Eine Kirche ohne Seelsorger ist längst nicht mehr nur ein Szenario. "Der Unglaube ist heute attraktiver als der Glaube", hat der Theologe Robert Spaemann jüngst in seinem Buch "Beten bei Nebel" konstatiert. Und jetzt treffen in Münster wieder Laien und Amtskirche aufeinander, zwei "Lager", was selbstverständlich kaum jemand so nennt, was atmosphärisch aber doch spürbar bleibt. Nicht jeder formuliert das so scharf wie Papst Franziskus wenige Monate nach seiner Wahl: "Wenn ich einen Klerikalen vor mir habe, werde ich im Nu zum Antiklerikalen."
Katholikentage diskutieren immer auch über Vertrauensverluste. Wobei ihr buntes, frohes Treiben noch das Gegenteil dokumentiert. Ihr Wert erscheint in Zeiten des Abbaus größer denn je - für Kirche und Gesellschaft. Inzwischen wurde auch der "Weiße Fleck" im Programm gefüllt, ein Podium, das sich einer aktuellen Debatte widmen soll und das erst kurz vor Beginn geplant wird. Thema diesmal: Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.
Zuletzt geändert am 04.06.2018