Demnach haben die 20 evangelischen Landeskirchen im vergangenen Jahr 390.000 Mitglieder verloren, die 27 katholischen Bistümer 270.000 Gläubige. Das sind deutlich mehr als noch 2016 – damals sank die Zahl um 530.000 Mitglieder. Insgesamt gehören jetzt noch gut 54 Prozent der Bevölkerung einer der beiden großen Kirchen an.
Kirchen fehlt der Nachwuchs
In der evangelischen Landeskirche Hannover, der größten protestantischen Kirche, war 2017 ein Rückgang von 50.403 Mitgliedern gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Das entspricht 1,95 Prozent. Vor allem die hohe Zahl der Verstorbenen macht den Kirchen zu schaffen, die seit den Neunzigerjahren mit einem stetigen Mitgliederschwund zu kämpfen haben. Nach Berechnungen der hannoverschen Landeskirche, die sich schon lange auf den Strukturwandel einstellt, wird sich die Mitgliederzahl durch die demografische Entwicklung im Jahr 2040 fast halbiert haben.
Derzeit gehören knapp 2,6 Millionen Menschen der hannoverschen Landeskirche an. Mit den anderen Landeskirchen leben in Niedersachsen 3,5 Millionen Protestanten und etwa 1,3 Millionen Katholiken.
In Hannover traten allerdings auch 23.255 Menschen bewusst aus der Kirche aus (3119 mehr als 2016), während auch die Zahl der Taufen und Neuaufnahmen leicht zunahmen. Die EKD wies am Freitag darauf hin, dass – Taufen und Neueintritte zusammenrechnet – im Jahr 2017 mehr Menschen in die evangelische Kirche eingetreten als ausgetreten sind. So habe es im protestantischen Bereich insgesamt 180.000 Taufen und 25.000 Aufnahmen gegeben. Dem standen rund 200.000 Austritte gegenüber.
Neue Wege gehen
Das in ganz Deutschland 2017 gefeierte Reformationsjubiläum hat auf die Statistik keinen Einfluss gehabt. Dennoch habe es den evangelischen Kirchen einen „großen Schub gegeben“, sagt Stefanie Springer, Präsidentin des hannoverschen Landeskirchenamtes. Man müsse immer wieder neue Wege suchen, damit Menschen vom christlichen Glauben berührt werden könnten. „Wir müssen noch stärker als bisher über den eigenen Tellerrand schauen und den Anspruch erheben, nicht nur im eigenen Saft zu schmoren.“
Als beispielgebend nannte Springer ein Projekt in Georgsmarienhütte, wo eine Kirchengemeinde in enger Abstimmung mit den lokalen Gremien ein „Luther-Hütte“ genanntes Gemeindezentrum geschaffen habe, das in dem von 15 Nationen bewohnten Stadtteil neue geistliche Akzente setze.
Gründe für Austritt oft unklar
Zu den hohen Austrittszahlen meinte Springer, man kenne nur in seltenen Fällen die Gründe. Manchmal gebe es „lautstarke Briefe“, die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kirchen übten, manchmal aber auch Wiedereintritte, die gerade die aufnehmende Haltung der Kirchen begrüßten.
Der kirchenkritische katholische Verein „Wir sind Kirche“ forderte die Bistümer dazu auf, endlich die „unsinnigen Strukturreformen in Form von Pfarreizusammenlegungen zu stoppen“ und im Sinne des Papstes „mutigere Vorschläge“ zu entwickeln.
Von Michael B. Berger