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Veröffentlicht am 14­.04.2007

14.4.2007 - aspekte-Sendung im ZDF

Papst Benedikt porträtiert Jesus

Der Pontifex schreibt gegen die historisch-kritische Bibelexegese an

Gottes Stellvertreter schrieb eine Biografie über Jesus von Nazareth. Das gab es so noch nie. Benedikt XVI. will den Wissenschaftler in sich, will den Joseph Ratzinger nicht verleugnen. Deshalb lädt er ausdrücklich ein zum Widerspruch. Diesen Wunsch erfüllen wir gern. Anna Riek sprach mit einem renommierten Bibelforscher (Prof. Dr. Hermann Häring aus Tübingen).

Alle liegen ihm zu Füßen. Der Papst wird gefeiert wie ein Pop-Star, weil er gegen die heutige „Diktatur der Beliebigkeit“ seine Stimme erhebt. Benedikt XVI. verspricht Halt und Orientierung in unsicheren Zeiten. Und jetzt hat er der Welt einen neuen Wegweiser geschenkt, seine lang erwartete Jesus-Biografie, schon vorab als Sensation gefeiert.

Die Kernaussage des Buches lautet: Jesus war ein Mensch. Es gab den historischen Jesus. Und er war zugleich Gott. Ohne Wenn und Aber hält der Papst an dem Dogma von den zwei Naturen Jesu fest. Doch Benedikt fürchtet, dass viele Christen diesen Glauben nicht mehr teilen und in Jesus nur noch einen außergewöhnlichen Menschen sehen – eine große Gefahr für den Glauben. Und warum ist das so? Die Theologen sind Schuld, schreibt Benedikt, genauer: die historisch-kritische Forschung. Diese Methode der Bibelauslegung, so der Papst, habe den Glauben an Jesu göttliche Natur verwässert, so dass „die Gestalt Jesu ... immer undeutlicher wurde, immer mehr an Kontur verlor.“

Nun meldet sich einer der angegriffenen Theologen zu Wort: Er entgegnet, erst die großen Konzilien, einige Jahrhunderte nach dem Tod Jesu, haben ihn als Gott verklärt. Häring: „Das waren Zusammenkünfte, sozusagen aller Bischöfe des damaligen Staatsgebietes des römisch-byzantinischen Reiches und haben Beschlüsse gefasst und haben gesagt, nach vielen Auseinandersetzungen: So wollen wir über Jesus Christus reden.“

Die kritische Bibelforschung versucht, durch Quellenstudium herauszufinden, was wir sicher über Jesus wissen können. Eines steht fest, zu Lebzeiten wurde er nicht als Gott wahrgenommen. Doch davon will der Papst in seinem Buch nichts wissen. Er projiziert Vorstellungen, die im Nachhinein erfunden wurden, auf die Evangelien zurück.

Häring: „Nur legt er nahe in seiner Darstellung, dass im Grunde dieser ganze Glaube des Gottmenschen im Neuen Testament schon drin liegt, während historisch-kritische Exegeten, Theologen da sehr warnen und sagen: Vorsicht, so weit sind wir noch lange nicht. Nach den gängigen Aussagen des Neuen Testaments ist Jesus eben nicht Gott sondern er ist Sohn Gottes, und das ist ein ganz großer Unterschied. Denn Sohn Gottes wurden auch die Propheten genannt.“

Der Papst benutzt die historische Forschung dort, wo sie zu seinem Dogma passt. Er ignoriert sie, wo sie ihm widerspricht. Vor allem kommt es ihm darauf an, die Römische Kirche und das päpstliche Amt zu rechtfertigen. Auch wenn sein Buch durch große Klarheit und tiefe Religiosität besticht, das Jesus-Bild des Papstes ist vor allem eines: geglättet, harmonisch und sehr innerlich. Es zeigt weder Brüche noch Verwerfungen. Erst recht ist Jesus in den Augen des Papstes kein Rebell, der gegen eine empörend ungerechte Welt protestiert.

Häring: „Das Problem ist nur, dass in diesem Jesus-Bild, das er zeichnet, dass das sozusagen so rund ist und dass es so harmonisch ist, dass von Anfang an auch alle Texte, die da interpretiert werden, so wunderbar zusammenpassen, dass man beinahe die Frage stellt: War das auch wirklich so, hat Jesus nicht auch mal eine Entwicklung gehabt, war nicht auch mal ein Punkt, wo er nicht mehr weiter wusste.“

Theologisch gesehen ist Ratzingers Jesus-Buch ein Rückschritt. Es fällt hinter den Stand der Bibelforschung zurück. Wen kümmert’s, könnte man meinen. Doch der Papst nutzt seine Macht, um abweichende Jesus-Bilder zu bekämpfen. Gerade eben hat Rom den lateinamerikanischen Befreiungstheologen Jon Sobrino öffentlich gerügt, weil dieser das göttliche Wesen Jesu nicht genug betone. Seltsam, als Joseph Ratzinger lädt der Buchautor zum Widerspruch ein – als Papst Benedikt duldet er Widerspruch nicht. Doch was ist ein Disput wert, der nur das Dogma zulässt?

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(Hermann Häring, promoviert und habilitiert in Tübingen, war seit 1980 Professor für Dogmatische Theologie in Nijmegen, von 1999 bis 2005 Professor für Wissenschaftstheorie und Theologie, Nijmegen.)

Zuletzt geändert am 15­.04.2007