4.9.2018 - Main-Echo
»Die Kirche lügt sich selbst in die Tasche«
Zölibat:Ex-Mönch fordert in Buch Abschaffung
Anselm Bilgri lebt nur knapp einen Kilometer vom Priesterseminar entfernt - und doch inzwischen in einer anderen Welt. Vor fast 40 Jahren wurde er von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst, zum katholischen Priester geweiht, vor fast 15 Jahren trat er aus dem Kloster Andechs und dem Benediktinerorden aus.
Heute fordert der Ex-Mönch in seinem neuen Buch »Bei aller Liebe« die Abschaffung des Zölibats, für ihn einer der Hauptgründe für den Priestermangel. »Die Kirche lügt sich selbst in die Tasche«, sagt er in München. Er hofft, sein Buch könnte einen Impuls geben für die anstehenden Bischofssynoden. »Das ist aber natürlich utopisch.«
Die knappe Reaktion des obersten Gremiums der katholischen Kirche in Deutschland bestätigt seine Befürchtung: »Zum Thema Zölibat gibt es keinen Diskussionsstand innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz«, heißt es da. Der Zölibat habe »ganz unsägliche, fatale Folgen«, sagt dagegen Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung »Wir sind Kirche«. »Man kann die Sexualität nicht ignorieren oder auf Null drehen.«
Heimliche Liebe
In Bilgris Buch geht es auch um das heikle Thema Missbrauch, den größten Teil aber widmet er der heimlichen Liebe der Priester: Ein schwuler Pater kommt zu Wort, der sein ganzes Ordensleben lang immer wieder Sex mit Männern hat. Priester berichten von langjährigen, heimlichen Beziehungen zu ihrer großen Liebe.
Eine 2015 veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern um den Jesuiten Eckhard Frick hat herausgefunden, dass nur etwa jeder zweite Priester sich wieder für eine zölibatäre Lebensform entscheiden würde. Für die Studie waren deutschlandweit 8600 Seelsorger befragt worden, darunter 4200 Priester.
Zuletzt geändert am 04.09.2018