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Veröffentlicht am 13­.09.2018

13.9.2018 - Stuttgarter Nachrichten

Missbrauch katholische Kirche: Diözesen schockiert über Studie

Die in den Medien vorab bekannt gewordene Studie der Bischofskonferenz zu Fällen sexuellen Missbrauchs löst Entsetzen unter den Geistlichen aus – aber auch einigen Verdruss über die „Durchstecherei“.

Stuttgart - gart - ie vorzeitige Veröffentlichung von Teilen der großen Studie über sexuellen Missbrauch in den deutschen Bistümern in den Jahren von 1946 bis 2014 hat einerseits einige Verärgerung über die „Durchstecherei“ ausgelöst, andererseits überwiegt die Betroffenheit in den katholischen Kirchenführungen in Baden-Württemberg.

Fürst fordert, dass Konsequenzen aus der Studie gezogen werden

Der sich auf einer Dienstreise im Nordirak befindliche Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, ließ am Donnerstag mitteilen, er sei „erschüttert über das Ausmaß des Missbrauchs in der katholischen Kirche“. Er habe geahnt, welche Dimensionen die Studie aufdecken könnte, so Fürst, dennoch seien die jetzt bekannt gewordenen Ergebnisse „erschreckend“. Die Glaubwürdigkeit der Kirche sei nur zurückzugewinnen, wenn die Ergebnisse der Studie von den Verantwortlichen in den Diözesen angenommen würden und „Konsequenzen im Handeln“ daraus erfolgten. Fürst wies darauf hin, dass sein Kirchenbezirk im Jahr 2002 „als erste Diözese in Deutschland“ eine Kommission sexueller Missbrauch eingerichtet habe. Seit 2001 werden die Akten der Diözese systematisch gesichtet, jeder Vorwurf des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker oder Laien im Dienst der Diözese wird untersucht und archiviert. „Dem Bistum sind insgesamt 72 der Diözese zugeordnete Kleriker bekannt, die des Missbrauchs von Minderjährigen beschuldigt werden; 45 davon sind bereits verstorben“, heißt es in einer Donnerstag verbreiteten Pressemitteilung. Am Montag will die Diözese Rottenburg eine Pressekonferenz zum Thema abhalten.

Eigentlich sollte die Studie am 25. September erscheinen

Auch in der Erzdiözese Freiburg löste die Studie Erschütterungen aus. „Die Nachrichten über die Studie in den Medien machen uns tief betroffen“, teilte Michael Hertl, Pressesprecher des erzbischöflichen Ordinariats mit. Allerdings sei der Bischof, Stephan Burger, derzeit in Kenia und Äthiopien auf Reisen und „nur äußerst eingeschränkt“ erreichbar. Hertl verwiese auf eine Stellungnahme des Trierer Bischofs Stephan Ackermann, des Missbrauchsbeauftragten der Bischofskonferenz vom Vortage. Darin hatte Ackermann verärgert reagiert auf die Vorabveröffentlichung und sie als „verantwortungslos“ bezeichnet, gerade mit Blick auf die Betroffenen. Die Bischofskonferenz hatte die Ergebnisse der Studie erst bei ihrer Vollversammlung am 25. September vorstellen wollen, zuvor hatte die Kirche ein Beratungstelefon einrichten wollen, um wegen der Berichterstattung „aufgewühlten“ Opfern zu helfen. Inhaltlich hatte auch Ackerman gesagt, dass die Ergebnisse der Studie „für uns bedrückend und beschämend“ seien. Das Ziel der Studie sei es gewesen, Transparenz über die „dunkle Seite in unserer Kirche zu erhalten“.

Das Ausmaß des Verbrechens sei ungeheuerlich

Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sagte zur Studie, dass das „Ausmaß der Verbrechen“ wie auch die Vertuschungen im Untersuchungszeitraum von 1946 bis 2014 „ungeheuerlich“ sei. Die Ergebnisse seien für die Organisation aber „nicht unerwartet“ und sie entsprächen den Studien in vergleichbaren Ländern. Da Akten aber manipuliert oder vernichtet worden seien, handele es sich bei den Taten „wohl um die Spitze des Eisbergs“. Der Verband mahnte „tiefgreifende Reformen in der römisch-katholischen Kirche“ an, um den Opferschutz zu stärken und den „systemimmanenten Täterschutz“ zu beenden.

https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.missbrauch-katholische-kirche-dioezesen-schockiert-ueber-studie.57aca693-6bfe-4078-a3aa-9a5067cdbd05.html

Zuletzt geändert am 16­.09.2018