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Veröffentlicht am 25­.09.2018

25.9.2018 - Westfälische Rundschau / DPA

Missbrauchsstudie der katholischen Kirche fehlt Transparenz

Fulda Der Kriminologe Christian Pfeiffer wirft den deutschen Bischöfen mangelnde Transparenz bei ihrer Studie zum Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche vor.

Es sei nicht zu verstehen, dass den Autoren der Studie kein Zugang zu Originaldokumenten in den Kirchenarchiven eingeräumt worden sei. "Die Bischofskonferenz hat mit dieser Entscheidung ihre eigene Forschung massiv entwertet", sagte Pfeiffer der Deutschen Presse-Agentur.

Die Missbrauchsstudie soll heute bei der Herbsttagung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda vorgestellt werden. "Eine Folge davon ist, dass die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse nicht den einzelnen Diözesen und den verantwortlichen Bischöfen zuordnen konnten", kritisierte Pfeiffer. Es sei daher zum Beispiel nicht nachzuvollziehen, wer jeweils einen auffällig gewordenen Priester einfach in eine andere Gemeinde versetzt habe, so wie dies immer wieder vorgekommen sei. Nur volle Transparenz schaffe Vertrauen, betonte Pfeiffer: "Die Bischofskonferenz hat das bisher leider nicht verstanden."

Ähnlich sieht es der Kirchenrechtler Thomas Schüller. Hätten die Autoren der Studie direkt in alle Akten Einsicht nehmen können, "wäre sicher die Zahl der aufgedeckten Fälle größer, und sie hätten präziser die männerbündischen klerikalen Machtstrukturen analysieren können", sagte er. Hinzu komme, dass es unter den 27 Bistümern auch Diözesen gegeben habe, die nur sehr begrenzt auskunftswillig gewesen seien. "Nicht alle Bischöfe scheinen verstanden zu haben, dass das Thema Missbrauch zur Überlebensfrage der Kirche geworden ist."

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie waren bereits vorab bekannt geworden. Demnach sollen zwischen 1946 und 2014 insgesamt 1670 katholische Kleriker 3677 meist männliche Minderjährige sexuell missbraucht haben.

Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" sieht in der Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit einen Grund für die jahrzehntelange Vertuschung sexuellen Missbrauchs auch in der deutschen katholischen Kirche. Der Zölibat an sich sei als Lebensform zwar keine direkte Ursache für die etlichen jüngst in einer Studie dokumentierten Missbrauchsfälle, "aber einer männerbündischen, hierarchischen Kirche mit Zwang zum Zölibat fällt es sehr leicht, solche Verbrechen so lange Zeit zu vertuschen", sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner der Deutschen Presse-Agentur.

"Die rigide katholische Sexualmoral und eine angstbesetzte Sexualität können zu unguten Persönlichkeitsentwicklungen führen", kommentierte er. Viele Menschen in der Kirche würden daran gehindert, "eine reife und verantwortungsbewusste Einstellung zur Sexualität" zu entwickeln.

Noch schlimmer sei eine "nichteingestandene, unterdrückte" Homosexualität. "Denn Homosexualität ist in der katholischen Kirche nach wie vor ein tabuisiertes Thema." Obendrein erleichterte das Machtgefälle der Priester gegenüber den Gläubigen die Ausübung "geistlicher und sexualisierter Gewalt" und mache eine Vertuschung der Missbrauchsfälle möglich.

https://www.wr.de/politik/missbrauchsstudie-der-katholischen-kirche-fehlt-transparenz-id215410213.html

Zuletzt geändert am 25­.09.2018