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Veröffentlicht am 28­.09.2018

28.9.2018 - Esslinger Zeitung

Missbrauch - Freiburger Erzbischof räumt Fehler ein

Stephan Burger nennt erstmals Zahlen seiner Diözese

Nach einer bundesweiten Studie zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche reagiert der Freiburger Erzbischof. Er bittet die Opfer um Vergebung.

Freiburg (dpa/lsw)Nach dem jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche hat die Erzdiözese Freiburg eine Expertengruppe sowie ein Beratungstelefon für Opfer eingerichtet. Zudem werde die Präventionsarbeit gestärkt, sagte Erzbischof Stephan Burger am Freitag in Freiburg. Die aus internen und externen Experten bestehende Gruppe solle Strukturen der Kirche kritisch überprüfen und Strategien entwickeln, wie Missbrauch künftig verhindert werden könne. Als Beispiel nannte er eine Modernisierung von Priesterausbildung und Fortbildung. Zudem werde er das persönliche Gespräch mit vom Missbrauch Betroffenen suchen.

Burger bat Missbrauchsopfer um Vergebung und räumte Machtmissbrauch und Fehler ein. Auch in seiner Erzdiözese seien Akten manipuliert worden, Täter der vergangenen Jahrzehnte seien so nicht mehr zu identifizieren. Es fehlten Teile von Personalakten oder Einträge, 9 von insgesamt 4123 Personalakten seien komplett verschwunden.

«Dieser willkürliche Umgang mit Akten muss künftig ausgeschlossen werden», sagte der Erzbischof. Das Personal- und Aktenmanagement werde entsprechend geändert. Freiburg ist mit rund 1,9 Millionen Katholiken eine der größten Diözesen in Deutschland.

Mindestens 3677 Minderjährige von Klerikern missbraucht

Eine am Dienstag von der Deutschen Bischofskonferenz vorgestellte Studie hatte den massiven sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Kleriker in den vergangenen Jahrzehnten detailliert belegt. Zwischen 1946 und 2014 sollen demnach mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 meist männliche Minderjährige missbraucht haben. Kritisiert wurden in der Studie Strukturen der Kirche, die Missbrauch auch heute noch begünstigten.

Unabhängig von der Studie habe die Erzdiözese Freiburg externe Fachleute eingesetzt, diese forschten anhand von Personalakten nach sexuellem Missbrauch. Von Anfang 1946 bis Ende 2015 seien so im Bereich der Erzdiözese 190 Beschuldigte entdeckt worden, die meisten von ihnen Priester. Zu ihnen macht die Kirche aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine weiteren Angaben. Es gebe mindestens 442 Betroffene.

In 51,3 Prozent der Fälle handele es sich um weibliche Opfer, sagte ein Sprecher der Diözese. Hinweise an die Justiz habe es von der Kirche aus nicht gegeben. Viele der Beschuldigten lebten heute nicht mehr, Verbrechen seien juristisch betrachtet meist verjährt. Die Anschuldigungen reichten bis ins Jahr 1899 zurück.

Eine Million Euro Entschädigung

An die Opfer habe die Kirche insgesamt knapp eine Million Euro Entschädigung gezahlt, sagte die externe Missbrauchsbeauftragte der Diözese, Angelika Musella. In jüngster Vergangenheit, seit 2015, gebe es drei Fälle. Sie bewegten sie zudem in einem Bereich, der eine staatliche Strafverfolgung nicht zur Folge habe. Dennoch kläre die Kirche auf und kümmere sich um Betroffene.

Die deutschen Bischöfe hatten angesichts des Missbrauchsskandals am Donnerstag erste kircheninterne Konsequenzen zugesagt - umfangreiche Reformen wie von Kritikern gefordert jedoch nicht in Gang gebracht.

Keine Änderungen zu erwarten 

Die Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit (Zölibat), die Einstellung der katholischen Kirche zu Homosexualität und die katholische Sexualmoral seien nun wichtige Themen, sagte der Freiburger Erzbischof. Sie würden von Bischöfen besprochen, zeitnahe Änderungen seien aber nicht zu erwarten. Die Themen seien grundlegend und eigneten sich nicht für schnelle Veränderungen.

Kritiker, wie etwa die katholische Reformbewegung «Wir sind Kirche» sowie Opferschutzverbände, hatten die Ankündigungen der Bischöfe als nicht ausreichend bezeichnet.

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Zuletzt geändert am 28­.09.2018