9.10.2018 - Deutschlandfunk "Tag für Tag"
Vatikan verweigert Jesuit Wucherpfennig die Lehrerlaubnis
Wegen Haltung zur Homosexualität
Der Vatikan verweigert Ansgar Wucherpfennig, bisher Rektor der Jesuitenhochschule Sankt Georgen, die Lehrerlaubnis. Als nicht genehm gilt, dass er homosexuelle Paare segnet. Nun formiert sich Widerstand gegen Rom – der Orden und der zuständige Bischof unterstützen den Theologen.
Johannes Siebner ist zornig. Er ist Provinzial der Deutschen Jesuitenprovinz in München und damit der direkte Vorgesetzte von Professor Ansgar Wucherpfennig an der Hochschule Sankt Georgen. Dass dieser dafür von Rom bestraft wird, dass er bestimmte Bibelstellen zur Homosexualität anders interpretiert als die Bildungskongregation der Kurie, empört Siebner:
„Pater Wucherpfennig macht genau das, was seines Amtes ist – als Wissenschaftler, als Theologe und als Exeget. Er denkt nach, er geht in die Substanz der Schriften, die zugrunde liegen und dann stellt er ein paar Fragen. Er stellt ein paar Überlegungen an und zwar ganz auf dem Boden der katholischen Lehre. Und wenn das nicht mehr geht, dann haben wir ein richtiges Problem. Es geht hier darum, dass einem persönlich integren Mann, einem sehr geschätzten Priester, einem anerkannten Wissenschaftler das Vertrauen entzogen wird. Darum geht es. Und zwar von Leuten, die nicht mal einen Namen haben. Ich weiß ja nicht mal, wer da geschrieben hat.“
In der Leitung der Deutschen Jesuiten in München sowie im ebenfalls für St. Georgen zuständigen Bistum Limburg hofft man, dass Ansgar Wucherpfennig doch noch im Laufe dieser Woche vom Vatikan als Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Jesuiten St. Georgen in Frankfurt am Main bestätigt wird. Das sagt der Bistumssprecher Stephan Schnelle, den wir am Telefon auf dem Weg in den Urlaub erreichen. Wucherpfennig habe in den letzten zehn Jahren „großartige Arbeit“ in St. Georgen geleistet. Deswegen sei die Verweigerung des „Nihil obstat“, also der Unbedenklichkeitsbescheinigung für eine dritte Amtszeit als Rektor an der Hochschule für das Bistum „überraschend“ gekommen, so Schnelle:
„Und wir hoffen auf eine gute Lösung.“
Hoffen auf Franziskus
Das Semester an der Hochschule beginne am 15. Oktober, so der Bistumssprecher. Dann wäre es gut, wenn es einen gewählten Rektor gäbe und nicht lediglich einen geschäftsführenden Leiter der renommierten Bildungseinrichtung, an der auch Papst Franziskus selbst früher einige Monate für ein Promotionsprojekt geforscht hatte. Daran erinnert Christian Weisner von der Bewegung „Wir sind Kirche“. Er fordert ebenso wie der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) die Bildungskongregation des Vatikans auf, die Erlaubnis für eine dritte Amtszeit Wucherpfennigs als Rektor von St. Georgen doch noch umgehend zu erteilen:
„Papst Franziskus war ja als jüngerer Jesuit mal für drei Monate in St. Georgen. Er kennt also den Ort und ich kann also wirklich nur hoffen, dass er ganz schnell von diesem unsäglichen Vorgang im Vatikan, in der Bildungskongregation, erfährt und auch diese Entscheidung wieder korrigiert. Aber ich sehe die große Schwierigkeit, dass natürlich ein Papst Franziskus nicht über 4.500 Bischöfe weltweit und so viele katholische Universitäten, dass er überall im Detail stecken kann. Er ist dringend darauf angewiesen, gute Mitarbeiter und hoffentlich auch immer mehr Mitarbeiterinnen zu haben, die in seinem Sinne, die im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils die Führung leiten.“
Johannes Siebner, der Provinzial der Deutschen Jesuitenprovinz setzt nicht darauf, dass der Papst persönlich sich mit den Zeitungs-Äußerungen von Ansgar Wucherpfennig auseinandersetzen wird:
„Also, wenn Sie dieses Interview in der Frankfurter Neuen Presse dem Papst persönlich vorlegen, wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Bei aller Liebe. Ich vermute ja nicht mal, die Glaubenskongregation hat es zur Kenntnis genommen, sondern ganz bestimmte interessierte Kreise meinten, sie müssen – das ist jetzt meine Vermutung – sich darüber empören und eine Verdachtslogik ausleben. Dann gibt es eben leider das, was der Vatikan schon mal vor fünf Jahren die Lepra des Vatikans genannt hat, nämlich seinen Hofstaat. Da gibt es Leute, die beißen darauf an.“
„Wir brauchen dringend eine theologische Weiterentwicklung“
Für Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ deutet die Verweigerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung „Nihil obstat“ auf die ungebrochene Wirksamkeit einer althergebrachten, menschenfeindlichen Sexuallehre im Vatikan hin. Weisner glaubt…
Christian Weisner von der Kirchen-Reformgruppe „Wir sind Kirche“ (dpa/picture alliance/Armin Weigel)
„…dass wir dringend eine theologische Weiterentwicklung brauchen – ob mit Jesuiten oder ohne Jesuiten. Dass wir dringend eine theologische Weiterentwicklung brauchen – gerade in der Frage der Sexualmoral. Denn die Familiensynode und jetzt auch die Umfrage vor der Jugendsynode haben ja doch gezeigt, dass die kirchliche Botschaft von den Menschen überhaupt nicht mehr verstanden wird. Aber es geht jetzt nicht nur um das Verstehen der Botschaft sondern es geht darum zu fragen, gerade in diesem Fall der Homosexualität, um den es hier ja geht: Ist denn wirklich die kirchliche Lehre, so wie sie bisher gelehrt worden ist, ist sie wirklich richtig, entspricht sie der jesuanischen Botschaft oder ist sie nicht wirklich eine vollkommen falsche Sexualmoral, die auch mit den modernen Humanwissenschaften nicht mehr mithalten kann.“
Befugnisse zurück an die Ortskirchen?
Weisner glaubt auch, dass es sinnvoll ist, die Unbedenklichkeitsbescheinigung „Nihil obstat“ für Lehrstuhlbesetzungen wieder aus Rom zurück zu holen und an die Ortskirchen zu geben, wie es früher schon einmal war:
„Unter den beiden Vorgänger-Päpsten Johannes Paul II. und Papst Benedikt ist ja sehr viel nach Rom geholt worden, sehr viel in Rom konzentriert worden bis hin zur Genehmigung der Liederbücher des Gotteslobs in der deutschen Kirche. Papst Franziskus möchte wie das Zweite Vatikanische Konzil aber eine Dezentralisierung der Kirche und so ist auch eine logische Folgerung, dass auch diese Erteilung der Lehrbefugnis – des ‚Nihil obstat‘ – dass das wieder an die Ortsbischöfe zurückgegeben wird, wie es auch früher gewesen ist.“
Pater Johannes Siebner, der Provinzial der Deutschen Jesuiten, stimmt an diesem Punkt uneingeschränkt zu:
„Subsidiarität ist die Antwort. Das sagen wir laut und öffentlich, wann immer es in den Predigten und in den Seminarveranstaltungen gewünscht ist, und selber kriegen wir es nicht hin. Natürlich ist das eine richtige Forderung. Ich bin jetzt im Einzelnen nicht damit vertraut, wie das funktioniert alles bei Hochschulen und all diesen Dingen. Aber die Grundidee leuchtet mir sofort ein.“
Wir haben mündlich und schriftlich beim Vatikan eine Stellungnahme zu „Fall St. Georgen“ angefragt. Doch eine Antwort blieb bisher aus. Die Deutsche Bischofskonferenz wollte sich dazu nicht äußern. Dafür sei Rom zuständig.
Zuletzt geändert am 09.10.2018