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Veröffentlicht am 11­.10.2018

11.10.2018 - Bayerischer Rundfunk

Aussagen zu Homosexualität: Jesuit darf nicht mehr Rektor sein

Das Verbot aus Rom hat viele vor den Kopf gestoßen: Der Jesuit Ansgar Wucherpfennig erhält überraschend kein so genanntes "Nihil obstat". Eine geplante weitere Amtszeit als Rektor kann der katholische Theologe ohne diese "Unbedenklichkeitsbescheinigung" der päpstlichen Bildungskongregation nicht antreten.

Keine "Unbedenklichkeitsbescheinigung"

Und das, weil sich Wucherpfennig in seiner Funktion als Professor für Neues Testament in einem Zeitungsinterview im Jahr 2016 zum Thema Homosexualität geäußert hat und eine mögliche Segnung homosexueller Paare befürwortet. Ausgerechnet kurz nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz, die zu einer offene Debatte über die katholische Sexualmoral, über Zölibat und Homosexualität und den Diakonat der Frau anregt, ist die Verweigerung des "Nihil obstat" ein fatales Signal der Kurie, findet der katholische Theologe Michael Brinkschröder vom Arbeitskreis Homosexuelle und Kirche (HuK): "Das ist der Versuch, jede nur halbwegs kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Homosexualität zu ersticken."

Letztlich sei es nur ein Interview gewesen, auf das sich diese Verweigerung des "Nihil obstat" bezog, so Brinkschröder. Ansgar Wucherpfennig habe nur drei, vier Sätze zum Thema Homosexualität beim Apostel Paulus gesagt. Michael Brinkschröder deutet die Verweigerung der "Unbedenklichkeitsbescheinigung" als eine Einschüchterung aller, die in der Wissenschaft tätig sind.

"Es sind ja dutzende von Theologen und Theologinnen in den letzten Jahrzehnten wegen des Themas Homosexualität verurteilt oder zum Schweigen gebracht worden. In der Regel von der Glaubenskongregation, diesmal ist es die Bildungskongregation."
Michael Brinkschröder, Arbeitskreis Homosexuelle und Kirche

Solidarität mit Ansgar Wucherpfennig

Die Verweigerung des "Nihil obstat" kommt für viele überraschend. Sowohl der Bischof von Limburg, Georg Bätzing, zuständig für die Hochschule Sankt Georgen, als auch der Frankfurter Stadtdekan, Johannes zu Eltz, haben sich offiziell hinter den Jesuiten gestellt. Acht Frankfurter Pfarrer haben ihre Solidarität mit Wucherpfennig in einem offenen Brief erklärt, ebenso die Studierenden der Katholischen Hochschule. Der Provinzial der Jesuiten in Deutschland, Johannes Siebner, ist empört darüber, dass ein renommierter Theologe wie der verdiente Hochschulrektor derart brüskiert wird: "Ich stehe zu Pater Wucherpfennig und seinen Äußerungen. Ich finde sie ganz im Sinne dessen, was wir in der Kirche gerade diskutieren."

"Da wird ein Mensch hängen gelassen, der sich für die Kirche sehr einsetzt. Er ist seit Jahren ein großartiger Seelsorger, ein wunderbarer Mensch und wirklich ein exzellenter Gelehrter."
Johannes Siebner, Provinzial der Jesuiten in Deutschland

Aufforderung zum öffentlichen Widerruf

In Frankfurt ist Wucherpfennig auch in der Seelsorge für Homosexuelle im Einsatz. Doch es ist nicht nur das Thema Homosexualität, das den Fall zum Aufreger macht. Der autoritäre Stil, in dem die päpstliche Bildungskongregation ihre Bedenken vorgebracht hat, stößt vielen sauer auf. Der Hochschulprofessor ist aufgefordert worden, seine Aussagen öffentlich zu widerrufen. Das ärgert alle, die auf eine Dezentralisierung der römischen Machtkonzentration hoffen, wie Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche".

"Der christliche Glaube muss sich ja fort entwickeln, damit die christliche Botschaft die Menschen heute und morgen überhaupt noch erreichen kann."
Christian Weisner, Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche"

Ein Bauernopfer sei der Frankfurter Jesuitenpater, so beurteilte der katholische Kirchenrechtler Thomas Schüller in einem Interview die Situation, der Affront gegen Wucherpfennig sei zugleich ein Angriff auf den fortschrittsorientierten Jesuitenorden und zugleich ein indirekter Angriff auf den reformfreudigen Jesuiten, Papst Franziskus. Ansgar Wucherpfennig äußert sich indes nicht öffentlich zur Sache. Zu dem Schreiben aus Rom hat er laut Jesuitenorden schriftlich Stellung genommen und warte nun auf Antwort. Einen Widerruf hat er allerdings bereits abgelehnt.

Autorin: Friederike Weede

https://www.br.de/nachrichten/kultur/aussagen-zu-homosexualitaet-jesuit-darf-nicht-mehr-rektor-sein,R63xpa4

Zuletzt geändert am 12­.10.2018