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Veröffentlicht am 14­.10.2018

14.10.2018 - Westfalenpost

Der Papst, der die Pille verbot, wird heiliggesprochen

Berlin/Rom  Er verbot Verhütung – und modernisierte die Kirche. Papst Paul VI. ist eine zwiespältige Figur. Am Sonntag wird er heiliggesprochen.

Während die Heiligsprechung der deutschen Ordensschwester Maria Katharina Kasper und des 1980 ermordeten Erzbischofs von San Salvador, Oscar Romero, an diesem Sonntag in Rom weitgehend auf Zustimmung stieß, war die Ehrung für Papst Paul VI. selbst in der katholischen Kirche nicht unumstritten.

Das hat hauptsächlich einen Grund: Der Pontifex, der von 1963 bis 1978 an der Spitze des Vatikan stand, ging als der Papst in die Geschichte ein, der den Gläubigen Verhütungsmittel wie Kondome und die Anti-Baby-Pille verbot – und ihm den Beinamen „Pillen-Paul“ eintrug.

Paul VI. bereitete auch Franziskus den Weg

Seine 1968 veröffentlichte Enzyklika „Humanae Vitae“ steht bis heute exemplarisch für Antiquiertheit und Lustfeindlichkeit der Amtskirche. Sie stellt eines der umstrittensten päpstlichen Schreiben der neueren Kirchengeschichte dar. Durch die Enzyklika verloren Papsttum und kirchliche Sexuallehre für viele bis heute ihre Glaubwürdigkeit.

Die Laienbewegung „Wir sind Kirche“ mahnte anlässlich der Heiligsprechung, es sei „dringend notwendig, diese Enzyklika einer grundlegenden Kritik zu unterziehen“.

Doch wer den Italiener Giovanni Battista Montini, der am 21. Juni 1963 zum 262. Nachfolger Petri gewählt wurde, auf das Pillen-Verbot beschränkt, greift zu kurz. Tatsächlich war Papst Paul VI. ein – wenn auch vorsichtiger – Reformer, der seinen Nachfolgern Johannes Paul II. und Franziskus den Weg bereitete.

Es war Paul VI. der nach dem Tod Johannes XXIII. die beim Zweiten Vatikanischen Konzil angestoßenen kirchlichen Reformen vorantrieb und umsetzte. Während der 15 Jahre seines Pontifikats entstaubte er die Amtskirche, schaffte Jahrhunderte alte Posten und Pöstchen ab. Paul VI. selbst legte die päpstliche Tiara, ein Symbol päpstlicher Machtansprüche, endgültig ab.

Er setzte eine Liturgiereform um und war der erste Papst, der die Messe nicht in lateinischer Sprache hielt. Ebenfalls als erster Papst der Neuzeit reiste er ins Ausland, seine Rede zum Weltfrieden 1965 vor der UN-Vollversammlung in New York war ein flammender Appell gegen den Krieg, sein Besuch im Heiligen Land trug in erheblichem Maße zur Verständigung mit dem Judentum bei.

Er rückte die soziale Frage ins Zentrum

Dass Paul VI. dabei nicht so resolut und mutig voran ging wie seine Nachfolger, erklärt sich auch aus der Zeit. In den 60er-Jahren spielte sich das Wirken des Papstes gleichsam in ganz dünner Luft ab, unnahbar, meist abgeschirmt hinter den hohen Mauern und schweren Portalen des Vatikan.

Doch ohne die Auslandsbesuche Pauls VI. wäre der Rekord-„Reise-Papst“ Johannes Paul II. nicht denkbar gewesen; genauso wenig wie ein Papst Franziskus, der eine „arme Kirche für die Armen“ einfordert, ohne die „Vorarbeit“ Pauls denkbar wäre, der 1967 die soziale Frage erstmals behandelte und den Nord-Süd-Konflikt thematisierte.

Zuletzt geändert am 14­.10.2018