19.10.2018 - General-Anzeiger Bonn
Woelki soll Professor in Bonn verhindert haben
Kardinal schaltete sich in Berufungsverfahren ein
Bonn. Kritik an Kardinal Woelki: Er soll die Berufung eines Theologen an die Uni Bonn blockiert haben. Der Hochschullehrer hatte den Ruf an den Rhein bereits erhalten, doch dann kam es anders.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erntet im Zusammenhang mit einer Personalie an der Universität Bonn scharfe Kritik. Ihm wird vorgeworfen, in einem Berufungsverfahren an die katholisch-theologische Fakultät interveniert und den Theologen Joachim Negel als Professor für Dogmatik verhindert zu haben.
Tatsächlich gibt dem Erzbischof die kirchlichen Unbedenklichkeitserklärung „Nihil obstat“ Kompetenz in theologischen Personalfragen; Kritiker bewerten den aktuellen Bonner Fall jedoch anders: Hier sei es darum gegangen, einen missliebigen Kandidaten auszubooten.
Leidtragender ist der Paderborner Theologe Joachim Negel, der nun nicht wie geplant die Bonner Professur für Dogmatik erhalten wird. Im Mai 2016 hatte Negel, der in den 1990er Jahren am Rhein promoviert hatte und seit 2015 in der Schweiz lehrt, den Ruf an seine alte Alma Mater erhalten. Er wollte ihn zum Wintersemester 2016/17 annehmen, nun sollte eigentlich nur noch um die Konditionen gehen. Doch als Negel am Morgen des 13. September 2016 das katholisch-theologische Dekanat im Hauptgebäude betrat, erlebte er eine böse Überraschung, wie er dieser Zeitung schildert: Denn der Termin für die Verhandlung war kurzfristig abgesagt worden. Mitgeteilt habe ihm die Uni dies am Nachmittag des Vortages mit einer E-Mail. Die aber hatte Negel, der sich bereits auf den Weg nach Bonn gemacht hatte, nicht mehr erreicht. So war er umsonst acht Stunden aus der Westschweiz angereist. „Befremdet hat mich vor allem, dass die Universität nicht einmal ein Wort des Bedauerns dafür übrig hatte – zumal sie sich stets der Willkommenskultur rühmt“, sagt er.
Dass der Termin platzte, ließ zwar Schlechtes ahnen, doch das Entscheidende kam erst. Denn der sicher geglaubte Lehrstuhl an seiner alten Alma Mater rückte seitdem in immer weitere Ferne: Das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium nahm den Ruf zurück, der Schriftwechsel zwischen Negel und den Theologen am Regina-Pacis-Weg geriet ins Stocken. Dabei seien bereits Pensionsregelungen getroffen und Büro und Sekretärin ausgesucht gewesen.
Insider führen den Rückzug darauf zurück, dass Woelki lieber einen anderen Theologen auf dem Lehrstuhl gesehen hätte und mit einem entsprechenden Monitum und unter Anzweiflung der fachlichen Eignung Negels im Ministerium interveniert habe. Auf Anfrage dieser Zeitung bestätigte das Erzbistum dies indirekt: Die Bonner Fakultät habe im Berufungsverfahren ihre Verpflichtung zur Bestenauslese verletzt, heißt es seitens des Generalvikariats. „Der wissenschaftlichen Vermittlung der Glaubenslehre und der Ausbildung des priesterlichen Nachwuchses wäre es in höchstem Maße abträglich, wenn hiermit nicht die am besten qualifizierten Hochschullehrer betraut würden“, so die Pressestelle. Darüber hinaus will sich das Erzbistum unter Verweis auf ein „laufendes Verfahren“ zu dem Vorgang nicht äußern.
Auch die Uni Bonn, am Mittwoch ganz im Zeichen ihrer Jubiläumsfeier, ließ Nachfragen vorerst unbeantwortet. Negel indes hat mit dem Ruf nach Bonn eigentlich abgeschlossen. „Wenn Bonn noch an mir Interesse hat, müsste die Uni schon intensiv auf mich zukommen“, sagt er.
Kritiker sehen den Fall als symptomatisch für kirchliches Machtgebaren. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sagte auf Anfrage: „Im Prinzip ist eine Intervention möglich, das gibt das Konkordat her. Was mich aber schon erstaunt hat ist, dass die damalige Ministerin in dieser Form darauf eingegangen ist; Denn die Freiheit auch der theologischen Wissenschaftler der Universität ist ein hohes Gut. Insofern ist das kein nebensächlicher Vorgang, der da zur Rede steht.“ Und Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ sagte: „Dieser Vorgang schadet der Kirche nicht nur nach außen; er vergiftet auch das Binnenklima und sendet keine guten Signale an die Theologen.“
Zuletzt geändert am 20.10.2018