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Veröffentlicht am 27­.04.2007

27.4.2007 - Publik-Forum

Jesus und die Ausgegrenzten von heute

Heilsamer Widerspruch gegen ein Urteil aus dem Vatikan: Weltweite theologische Solidarität für Jon Sobrino

Von Thomas Seiterich

Die Befreiungstheologie ist nicht tot. Drei Jahrzehnte Verfolgung durch Rom haben sie nicht zum Verstummen bringen können. Jon Sobrino, der von Papst Benedikt XVI. und der vatikanischen Glaubenskongregation gemaßregelte Befreiungstheologe aus El Salvador (Publik-Forum 6 und 7/07), erfährt eine eindrucksvolle weltweite theologische Solidarität.

Sobrinos Theologie »ist völlig rechtgläubig in ihrer Achtung der Gottheit, der Menschheit und der Einheit der Person Christi«. Dies erklärt Bernard Sesboue, Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik in Paris, in der April-Ausgabe der Zeitschrift Stimmen der Zeit.

Er verteidigt entschieden den Jesuiten aus San Salvador, der jüngst vom Vatikan gerügt worden war. Man müsse sehen, so Sesboue, dass Jon Sobrino eine Christologie vorlegt, »die wissenschaftlich und wohl informiert über die Vorgaben der Schrift, der Tradition und der zeitgenössischen christologischen Bewegung ist, die aber auch ein Zeugnis (Martyrion) sein will«. Das bedeutet für Jon Sobrino, dass er das Christus-Ereignis aus der Perspektive der Opfer deutet und aktualisiert auslegt. Gott ist der Befreier. Er ist nicht ungeschichtlich und nicht gleichgültig.

Sobrinos Anfrage an die christologischen Dogmen sei vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Definition des Konzils von Chalcedon im Jahr 451 über die zwei Naturen in Jesus Christus – wahrer Mensch und wahrer Gott, unvermischt und ungetrennt – »sagt wohl, dass das Göttliche das Menschliche annimmt, aber sie liefert keine Vorstellung vom Gott des Exodus und der Propheten, der guten Nachricht und des Reiches Gottes, des Kreuzes und der Auferstehung. Das ist kein konkreter Gott, der in einem konkreten Jesus gegenwärtig ist, und auch kein konkreter Jesus, der diesen konkreten Gott gegenwärtig macht. Denn das Verständnis des Gottseins und Menschseins bleiben abstrakt und ohne Bezug auf die Geschichte«. Das Konzil von Chalcedon regele die Echtheit des Glaubens, sei aber allzu oft als Gründungsformel des Christentums missverstanden worden. Das habe Sobrino kritisiert: »Wir predigen nicht Chalcedon; wir verkündigen Christus und respektieren dabei die Lehre von Chalcedon. Das ist ein großer Unterschied.«

Auch der international hoch angesehene Tübinger Theologe Peter Hünermann verteidigt Sobrino energisch. In der Herder-Korrespondenz vom April schreibt Hünermann, die vatikanische Notifikation sei ein »Schock« für alle Theologen. Denn mit Sobrino säßen die »angesehensten Exegeten und systematischen Theologen – katholische wie evangelische – auf der Anklagebank«. Die Glaubenskongregation habe nach einer »flüchtigen Lektüre« mit den Begrifflichkeiten eines neuscholastischen Schemas geurteilt. »Man kann in dieses Schema weder die inzwischen erarbeiteten exegetischen Befunde noch die neueren systematischen Aussagen einbringen.«

Wenn es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder zu Konflikten zwischen Theologen und Lehramt gekommen ist, die das Ansehen der Kirche beschädigt haben, so liegt dies nach Ansicht von Hünermann nicht einfach an den Personen, die in der Glaubenskongregation arbeiten, an ihrer umfassenden oder weniger tiefen Bildung. »Der Grund liegt im Wesentlichen darin, dass die Glaubenskongregation ... im Grunde immer noch die Struktur einer frühneuzeitlichen Zensurbehörde trägt.« Moderne Qualitätssicherung im Bereich der Wissenschaften sehe anders aus.

Mit Sobrino haben sich mittlerweile über 70 Theologieprofessoren solidarisiert, darunter Johann Baptist Metz, Dietmar Mieth und Heinrich Schmidinger, der Rektor der Salzburger Universität. Zahlreiche Ordensgemeinschaften, die sich in der Dritten Welt engagieren, erklären sich für Jon Sobrino, so zum Beispiel die Palottinerinnen, die Missionszentrale der Franziskaner, das Missionsreferat der Steyler Missionarinnen, Veronika Mang, die Generalobere der Franziskanerinnen von Bonlanden, die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel oder die Benediktiner von Melk. Kirchliche Mitarbeiterverbände, etwa in der österreichischen Diözese Eisenstadt, protestieren für den von Rom verurteilten Theologen. Selbstverständlich erklären sich auch die Kirchenreformgruppen wie die Aktion kritisches Christentum in Österreich, Wir sind Kirche oder die Initiative Kirche von unten gegen die Verurteilung aus Rom. Zahlreiche Universitäten erklärten ihre Solidarität mit Jon Sobrino, so etwa die Uni Graz oder die Uni Münster.

Am breitesten ist die Bewegung für Sobrino in der Spanisch sprechenden Welt. In Sobrinos Heimat im Baskenland läuft eine Unterschriftenkampagne der Missionsbüros der baskischen Diözesen. In Madrid, ja spanienweit, koordinieren die Theologinnen und Theologen der Vereinigung Johannes XXIII. die Solidarität für ihren Kollegen und Freund Jon Sobrino. Kontakte: www.itpol.de; www.proconcil.org

Zuletzt geändert am 30­.04.2007