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Veröffentlicht am 16­.02.2019

15.2.2019 - Badische Zeitung

So plant das Erzbistum für 2031

Aus 224 Seelsorgeeinheiten sollen 40 Großpfarreien werden – eine Rätekonferenz diskutiert über die Zukunft der Kirche.

Von Gerhard Kiefer

FREIBURG. Wie geht die katholische Kirche mit Priestermangel und Kirchenaustritten um? Besteht das Erzbistum Freiburg in Zukunft aus 40 Großpfarreien mit jeweils rund 45 000 Gläubigen? Die Veröffentlichung des Arbeitspapiers "Pastoral 2030" hat viel Staub aufgewirbelt. Nun diskutiert am Freitag und Samstag eine Rätekonferenz über das Konzept. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

» Weshalb braucht das Erzbistum neue Strukturen?
Die katholische Kirche in Deutschland schrumpft. Das macht sich auch im Erzbistum Freiburg bemerkbar. Die Zahl der Katholiken ist dort seit Jahren rückläufig. Von 2010 bis 2016 ist ihre Zahl von 1,984 auf 1,877 Millionen gesunken. Rückläufig ist auch die Zahl der Priester. Derzeit sind es knapp 400 Diözesanpriester – bis in zehn Jahren vielleicht nur noch 223. In dem 36-seitigen Arbeitspapier heißt es, dass im Jahr 2031 wohl nur noch 70 bis 80 Kleriker die "persönlichen Ressourcen besitzen, um eine herausfordernde Leitungsaufgabe zu übernehmen". Die Zahl der Diakone, Gemeinde- und Pastoralreferenten wird ebenso drastisch sinken.

Seit 2010 ist die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstteilnehmer von 217 000 auf 165 000 gesunken. Setzt sich diese Entwicklung in gleicher Weise fort, werden 2030 nur noch 98 400 Katholiken ihre "Sonntagspflicht" erfüllen – gerade noch sechs Prozent der Kirchenmitglieder.

Wer diskutiert ab diesem Wochenende?
Noch nie im Erzbistum hat es eine Diskussionsrunde wie diese gegeben. In das Priesterseminar des Erzbistums – das Collegium Borromaeum – sind an diesem Wochenende neben dem Diözesanrat (91 Mitglieder) die 26 Dekane und die 45 Mitglieder der Kirchensteuervertretung eingeladen. Hinzu kommen drei Gremien, die öffentlich sonst nie präsent sind: der Priesterrat, der Pastoralrat und der Ordensrat. Insgesamt dürfen sich rund 170 beruflich oder ehrenamtlich engagierte Katholiken zu Wort melden. Zwei Jahre soll im Erzbistum diskutiert, dann entschieden werden. Dass der Erzbischof das letzte Wort haben wird, versteht sich von selbst. Aber schon angesichts des vor allem vom Missbrauchsskandal beschädigten Images seiner Kirche dürfte Burger vor unpopulären Alleingängen zurückschrecken.

» Was sind die Eckpunkte des Arbeitspapiers?
Derzeit gibt es im Erzbistum 224 Seelsorgeeinheiten. Sie sollen durch 40 Großpfarreien ersetzt werden, die im Durchschnitt wohl etwa 45 000 Katholiken zählen werden. Das dürfte der gravierendste Einschnitt in der fast 200-jährigen Geschichte der drittgrößten deutschen Diözese sein. Erzbischof Burger, der seit Sommer 2014 an der Spitze des Erzbistums steht, reagiert damit auf Fakten und Entwicklungen, von denen er sein Erzbistum nicht mehr abschirmen kann. Die Volkskirche sei eben am Ende, argumentiert der Erzbischof. Und betont immer wieder, ein "Weiter so" könne und dürfe es nicht geben.

» Existiert bereits ein Plan für die 40 Großpfarreien?
Dazu schweigt das Arbeitspapier – aus gutem Grund, denn über den Zuschnitt der neuen Pfarreien und die Zuordnung einzelner Gemeinden wird vor Ort gewiss heftig diskutiert oder auch gestritten werden. Burger nennt die Konferenz in Freiburg vielmehr vorsichtig den Beginn einer "Suchbewegung". Es soll jeder Eindruck vermieden werden, die Diskussion sei nur eine episkopal-klerikale Alibiveranstaltung. Im Zentrum steht für den Erzbischof, zu gewährleisten, "dass das Evangelium in unserer Gesellschaft präsent ist und die Kirche als Gemeinschaft im Glauben lebt und wächst."

Wie finanziert sich künftig der Diözesan-Etat?
Der Etat der Diözese weist für das Jahr 2019 bei insgesamt 658,5 Millionen Euro Aufwendungen und 674,4 Millionen Euro an Erträgen zwar noch ein Plus von gut 15 Millionen Euro aus. Dennoch beklagt Burger, er könne seine Aufgaben schon jetzt nur noch mit dem Griff in die Rücklagen finanzieren. Für 2022 rechnet seine Etatplanung erstmals mit einem Etat-Defizit. 2023 fehlen bei 713 Millionen Euro Einnahmen und 725 Millionen Ausgaben bereits zwölf Millionen Euro. Die Kirchensteuer-Einnahmen schrumpfen vor allem deshalb, weil im Erzbistum Freiburg Jahr für Jahr mehr als 10 000 Katholiken aus ihrer Kirche austreten. Geht es in diesem Tempo weiter, werden es 2030 nur noch 1,64 Millionen Gläubige sein. Das Erzbistum wird sich daher wohl von Gebäuden trennen müssen. Von den 5400 Bauten im Besitz des Erzbistums werden etliche nicht mehr gebraucht, obwohl viele erst im kirchlichen Bauboom der Nachkriegszeit entstanden sind. Allein die Gemeindezentren verfügen über eine Gesamtgrundfläche von rund 600 000 Quadratmetern, in vielen Fällen können die Kirchengemeinden die Unterhaltskosten nicht mehr aufbringen.

Gibt es bereits Reaktionen auf die "Kirchenentwicklung 2030"?
Etwas flapsig vorgetragene Befürchtungen, es werde auf absehbare Zeit im Erzbistum Freiburg wohl nur noch drei Seelsorgeeinheiten geben, nämlich Südbaden, Mittelbaden und Nordbaden, erweisen sich zwar als stark übertrieben. Aber Thomas Arens, der Karlsruher Pressesprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", kritisierte in einem Interview mit den Badischen Neuesten Nachrichten, das Konzept gehe "grundlegend in die falsche Richtung", ja es sei ein "Offenbarungseid". Dass die Themen Zölibat und Frau in der Kirche so gut wie gar nicht vorkommen, beklagt im selben Blatt aber auch die Diözesanratsvorsitzende Martina Kastner: "Es ist an der Zeit, an solchen Grundfesten zu rütteln."

https://www.badische-zeitung.de/freiburg/so-plant-das-erzbistum-fuer-2031--166440864.html

 

Zuletzt geändert am 16­.02.2019