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Veröffentlicht am 22­.02.2019

22.2.2019 - Frankfurter Rundschau

Reformbewegung „Wir sind Kirche“: Anti-Missbrauchs-Plan des Papstes greift zu kurz

Papst Franziskus berät mit Bischöfen über Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen. Die Pläne des Papstes wurden nun kritisiert. Der News-Ticker zum Krisengipfel.

16.08 Uhr: Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ hält die Vorschläge von Papst Franziskus zum Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern für unzureichend. Die genannten 21 Punkte könnten nur erste Schritte sein, um weltweit verbindliche Standards für Prävention und den Umgang mit Verdachtsfällen festzulegen, erklärte die Laienorganisation am Freitag. Generell sei eine fundamentale Neuausrichtung der Kirche nötig. Dazu gehörten die Abschaffung des Pflichtzölibats, die Weihe von Frauen, eine andere Sexualmoral und eine echte Gewaltenteilung in der römisch-katholischen Kirche.

„Der jahrzehntelange massive spirituelle wie sexuelle Missbrauch an Kindern, Jugendlichen, Seminaristen, Frauen und Ordensfrauen und deren systematische Vertuschung sind kein Teilproblem, das isoliert gelöst werden kann, sondern ergeben sich aus der gegenwärtigen hierarchischen Grundstruktur der römisch-katholischen Kirche“, heißt es in der Erklärung. „Deshalb bedarf es in der jetzigen existenziellen Krise einer fundamentalen Neuausrichtung dieser Kirche.“

Missbrauchsskandal der Kirche: Kardinal räumt weltweites Ausmaß ein

15.00 Uhr: Am zweiten Tag des Krisentreffens im Vatikan hat ein einflussreicher Kardinal das weltweite Ausmaß des Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche eingeräumt. Die Weigerung einiger Bischöfe vor allem aus Asien und Afrika, zuzugeben, dass Kindesmissbrauch durch Kleriker in ihrem Land ein Problem sei, könne nicht akzeptiert werden, sagte der indische Kardinal Oswald Gracias am Freitag auf der Konferenz.

"Die Sache ist klar. Kein Bischof kann für sich behaupten 'Dieses Missbrauchsproblem in der Kirche geht mich nichts an, weil die Dinge in meinem Teil der Welt anders sind'", sagte Gracias. Auch wenn die Erfahrungen des Missbrauchs "in einigen Teilen der Welt dramatisch präsent" seien, sei es kein begrenztes Phänomen, betonte er. "Die ganze Kirche muss ehrlich hinschauen, rigoros urteilen und dann entschlossen handeln", forderte er.

Kardinal Gómez forderte dazu auf, „den Feind im Inneren“ anzuerkennen

In einer äußerst kritischen Rede forderte Kardinal José Horacio Gómez die Konferenzteilnehmer auf, anzuerkennen, "dass der Feind im Inneren" sei. "Der verursachte Schaden ist so groß, der beigefügte Schmerz so tief, die Konsequenzen des Missbrauchs, der in der Kirche stattgefunden hat, sind so weitreichend, dass wir nie werden behaupten können, dass wir alles, was getan werden konnte, unternommen haben", mahnte er.

Die von Papst Franziskus angestrebten Verhaltensrichtlinien sollten eindeutig klarstellen, was Missbrauch bedeute und wie Täter bestraft werden sollten, sagte Gómez.

Indischer Kardinal zu Missbrauch der Kirche: „Wir haben versagt“

11.15 Uhr: Die katholische Kirche hat nach Ansicht des indischen Kardinals Oswald Gracias angesichts des massenhaften Missbrauchs von Minderjährigen durch Geistliche versagt. „Wir müssen bereuen und dies gemeinsam und kollegial tun. Denn auf dem Weg haben wir versagt. Wir müssen um Verzeihung bitten“, sagte Gracias, der Erzbischof von Mumbai ist, am Freitag vor Teilnehmern des Anti-Missbrauchsgipfels in Rom.

11.02: Die frühere deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, hat an die veränderungsbereiten Bischöfe in Deutschland appelliert, sich zusammenzutun. Sie sollten nicht darauf warten, bis sich alle wie beim Einstimmigkeitsprinzip auf den Weg machten, sagte Schavan dem Bayerischen Rundfunk am Freitag.

Die Kirche tue sich mit nötigen Veränderungen schwer, weil sie an ihren Strukturen hänge. Die Angst vor Machtverlust gebe es eben auch in dieser Institution. Die Katholikin äußerte sich im Zusammenhang mit dem von Papst Franziskus einberufenen Anti-Missbrauchsgipfel.

8.09 Uhr: Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hat die katholische Kirche aufgefordert, jahrhundertealte Machtstrukturen zu überdenken. Durch den Zölibat, eine „schwierige Sexualmoral“, ausgeprägte Hierarchien, die „moralische Machtposition“ der Kirchen und dadurch, dass Frauen im geistlichen Umfeld kaum eine Rolle spielten, werde Missbrauch begünstigt. „Es ist unumgänglich, dass die Kirche sich alle Bausteine ihrer Struktur ernsthaft kritisch vor Augen führt“, sagte der unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, der Deutschen Presse-Agentur.

Die News vom Anti-Missbrauchs-Gipfel in Rom der Katholischen Kirche vom Donnerstag 

21.11 Uhr: Die Italienische Bischofskonferenz hat am Donnerstag erstmals eine eigene Internetseite zum Thema Missbrauch und Kinderschutz freigeschaltet. Das Portal bietet Informationen und Zugänge zu den relevanten Dokumenten, Verfahrensordnungen und Kontaktstellen rund um die entsprechenden Themen.

Im Januar hatten die Bischöfe eine landesweite Fachstelle für Kinderschutz ins Leben gerufen und vergangene Woche deren Leitungsgremium benannt. Die Stelle soll Italiens Bischofskonferenz sowie einzelne Bistümer und Ordensgemeinschaften zu Prävention und Fortbildung beraten und unterstützen.

Ihre Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch und zur Prävention wollen die Bischöfe im Mai aktualisieren. Darin sollen dann auch die Ergebnisse des weltweiten Anti-Missbrauchs-Gipfels einfließen, der in dieser Woche im Vatikan stattfindet.

18.18 Uhr: Zum Auftakt eines Krisentreffens im Vatikan hat Papst Franziskus "konkrete und wirksame Maßnahmen" der katholischen Kirche gegen sexuellen Kindesmissbrauch gefordert. Die internationale Konferenz mit mehr als 100 Bischöfen dürfe sich nicht mit "schlichten und offensichtlichen Verurteilungen" der Taten begnügen, sagte Franziskus am Donnerstag im Vatikan. Die Spitzen der katholischen Kirche müssten "den Schrei der kleinen" Opfer hören, "die Gerechtigkeit fordern".

Auf Einladung des Papstes waren die 114 Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenzen weltweit nach Rom gereist. Sie sollen über Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen in vielen Ländern beraten, die die Kirche in den vergangenen Jahren zutiefst erschüttert haben. Kindesmissbrauch sei ein "Übel", dem sich die katholische Kirche offen stellen müsse, sagte Franziskus.

Mehrere Missbrauchsopfer berichteten in einer den Konferenzteilnehmern vorgespielten Audioaufnahme über ihre Erfahrungen. Eines der anonymen Opfer sagte: "Ihr seid doch eigentlich die Pfleger der Seele - und dennoch seid Ihr in einigen Fällen zu den Mördern der Seele, den Mördern des Glaubens geworden." Eine Frau berichtete, dass sie drei Abtreibungen hinter sich habe, weil sie mehrfach von einem Priester vergewaltigt und schwanger geworden sei.

24 polnische Priester beschuldigt

16.47 Uhr: Opfer von sexuellem Missbrauch durch katholische Priester in Polen werfen 24 amtierenden und ehemaligen Bischöfen des Landes Vertuschung dieser Verbrechen vor. Der Opferverein „Habt keine Angst“ beschuldigte in einem am Donnerstag in Rom veröffentlichten, 27 Seiten umfassenden Bericht an Papst Franziskus unter anderen den Warschauer Kardinal Kazimierz Nycz und den Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewski, Täter geschützt zu haben. Den Bericht hatte der Verein am Mittwoch dem Papst persönlich am Rande der Generalaudienz übergeben.

Nycz habe 2005 als Bischof von Köslin-Kolberg (Koszalin-Kolobrzeg) einen zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Pfarrer zur Weiterarbeit in eine andere Pfarrei versetzt. Als Warschauer Erzbischof habe er dem 2008 ebenfalls zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Priester Piotr D. eine neue Gemeinde zugewiesen; dort habe dieser zwei Jungen sexuell missbraucht. Jedraszewski sei einer der „glühendsten Verteidiger“ des früheren Posener Erzbischofs Juliusz Paetz, so der Verein. Paetz werden sexuelle Übergriffe auf Seminaristen und Priester vorgeworfen; er weist dies zurück.

Beschuldigt werden in dem Bericht auch die amtierenden Ortsbischöfe Slawoj Leszek Glodz (Danzig), Jan Tyrawa (Bromberg/Bydgoszcz), Jozef Gorzynski (Ermland), Andrzej Dziuba (Lowicz), Jacek Jezierski (Elbing/Elblag), Jan Watroba (Rzeszow) und Andrzej Czaja (Oppeln/Opole).

14.34 Uhr: Der Vatikan hat 21 Punkte veröffentlicht, über die die Teilnehmer des weltweiten Anti-Missbrauchsgipfels diskutieren sollen. Unter den am Donnerstag vorgestellten Denkanstößen sind etwa die Einrichtung einer auch von der örtlichen Kirche unabhängigen Anlaufstelle für Missbrauchsopfer, eine Beteiligung von Laien an der Untersuchung von Missbrauchsvorwürfen und Kirchenrechtsprozessen zu sexuellem und Macht-Missbrauch sowie gemeinsame Vorgehensweisen bei der Prüfung von Missbrauchsvorwürfen, beim Kinderschutz und beim Verteidigungsrecht Angeklagter.

12.14 Uhr: Aktivisten haben im polnischen Danzig das Denkmal für einen katholischen Priester von seinem Sockel gestoßen, weil dem Geistlichen der sexuelle Missbrauch von Kindern vorgeworfen wird. Über die sozialen Netzwerke verbreitete Videos zeigten, wie drei Männer in der Nacht zum Donnerstag die Statue von Priester Henryk Jankowski mit einem Seil niederreißen. Anschließend legten sie Unterwäsche und Messdiener-Gewänder auf den Sockel - in Anspielung auf die mutmaßlichen Opfer des Geistlichen.

Gegen den 2010 gestorbenen Jankowski waren in den vergangenen Jahren immer wieder Vorwürfe des Kindesmissbrauchs laut geworden. Der Sturz seiner Statue erfolgte wenige Stunden vor dem Beginn eines mehrtägigen Treffens im Vatikan zum Thema Kampf gegen den Kindesmissbrauch.

Kirchen-Oberhäupter treffen sich in Rom: Papst Franziskus fordert Maßnahmen

11.29 Uhr: Missbrauchsvertuschung und Täterschutz in der katholischen Kirche hat Manilas Kardinal Antonio Tagle verurteilt. „Das Fehlen von Antworten auf das Leid der Opfer, bis hin zu ihrer Zurückweisung und der Vertuschung des Skandals zum Schutz der Vergewaltiger und der Institution hat unser Volk gebrochen“, sagte der 62-Jährige am Donnerstag im Vatikan. Tagle hielt den ersten Redebeitrag des von Papst Franziskus einberufenen weltweiten Bischofstreffens zum Kinderschutz. Am ersten Tag ging es um das Thema „Verantwortung“.

9.37 Uhr: Papst Franziskus hat zum Auftakt des Kinderschutzgipfels im Vatikan „konkrete und wirksame Maßnahmen“ gefordert, um das „Übel“ des sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen. „Das Volk Gottes schaut auf uns und erwartet von uns keine einfachen und vorhersehbaren Verurteilungen“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Donnerstag in der Synodenaula des Vatikans. „Hören wir den Schrei der Kleinen, die Gerechtigkeit verlangen.“

Er erinnerte die Chefs der Bischofskonferenzen der Welt an ihre Verantwortung und verlangte „Mut und Konkretheit“. An dem Treffen nehmen bis Sonntag neben den Bischöfen die Spitzen der römischen Kurie und Ordensvertreter teil. „Die Jungfrau Maria möge uns erleuchten, um diese schweren Wunden zu heilen, die der Skandal der Pädophilie sowohl den Kleinen als auch den Gläubigen zugefügt hat“, sagte der Papst.

Erstmeldung vom 21. Februar: Papst Franziskus eröffnet Kirchengipfel zu sexuellem Missbrauch in Rom

Rom - Papst Franziskus verspricht sich von dem Krisengipfel eine Schärfung des Bewusstseins von Bischöfen für das Thema sexueller Missbrauch und die Verständigung auf ein Regelwerk für den Umgang damit. Teilnehmer der viertägigen Konferenz sind die Vorsitzenden von mehr als 110 Bischofskonferenzen aus aller Welt. Zudem sollen Experten und Opfer zu Wort kommen.

Franziskus hatte angesichts der Skandale, die die katholische Kirche weltweit tief erschüttert haben, eine "Null-Toleranz"-Haltung gegenüber Missbrauch versprochen. Wenige Tage vor der Konferenz setzte er ein Zeichen, indem er den Ex-Kardinal Theodore McCarrick nach Missbrauchsvorwürfen aus dem Klerikerstand entließ.

“Sie wissen, dass dies überall passiert“ - Papst Franziskus äußert sich zu Missbrauchsvorwürfen

Rom: Marx auf Krisengipfel im Vatikan: „Übel überwinden“ 

Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erhofft sich von der im Vatikan stattfindenden Missbrauchskonferenz einen "Schub" für die katholische Kirche. Es müsse von den Begegnungen im Vatikan in den kommenden Tagen ein Impuls in die Gesellschaft ausgehen, dass die Kirche den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nicht dulde, sagte Marx unmittelbar vor Beginn der Konferenz im Vatikan vor Journalisten.

Es gehe jetzt darum, "dieses Übel zu überwinden", sagte Marx. Dafür würden die im Vatikan tagenden Teilnehmer alles tun. "Ich hoffe, ich glaube auch, dass hier etwas geschieht, was für die gesamte Weltgesellschaft von Bedeutung ist."

Missbrauch von Nonnen: Papst spricht von einem besonders schockierenden Fall

afp, dpa

https://www.fr.de/politik/rom-reformbewegung-anti-missbrauchs-plan-papstes-greift-zu-kurz-zr-11787120.html

Zuletzt geändert am 22­.02.2019