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Veröffentlicht am 25­.02.2019

25.2.2019 - bild.de

Warum versteckt der Papst die „Akten der Schande“?

Tausende missbrauchs-Dokumente liegen unter Verschluss im Vatikan

Wo die Unterlagen stecken, was drin steht und warum die Justiz nicht drankommt

Artikel von: SIMON SCHÜTZ

Die Entscheidungsträger der katholischen Kirche haben vier Tage lang über Konsequenzen aus Missbrauchsskandalen beraten. Doch die Ergebnisse sind ernüchternd.

Es fehlt an konkreten Maßnahmen. Der Wille aufzuklären, die Täter zu bestrafen und den Opfern zu helfen, ist nur stellenweise erkennbar. Ein Grund: Der Vatikan hält die Dokumente über solche Fälle unter Verschluss.

Es geht um Daten über Tausende Fälle, Täter und Opfer

„Ganz viele Unterlagen über Tausende Missbrauchsfälle, über Tausende Täter und Opfer liegen im Vatikan – in den Sälen und Palästen. Und niemand geht da ran“, beklagte Matthias Katsch, Sprecher der Betroffenen-Organisation „Eckiger Tisch“, im Talk bei Anne Will.

Heribert Prantl, Ressortleiter bei der „Süddeutschen Zeitung“: „Man muss die Akten öffnen, man muss die Archive öffnen, in denen die Missbrauchstaten verzeichnet sind. Die Wissenschaftler durften nicht selbst ran an die faktische Basis für die Missbrauchsstudie. Kirchliche Mitarbeiter haben die Akten vorsortiert, das ist keine echte Aufklärung.“

Der deutsche Kardinal Marx räumte schwere Versäumnisse und gezielte Vertuschungsmanöver ein. „Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt“, sagte Marx. Er fordert die Einschränkung des Päpstlichen Schweigegeheimnisses.

„Es ist eine Schande, dass der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, 2001 angeordnet hat, alle Akten nach Rom zu schicken, geheim zu halten – und sie damit dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen hat“, findet Christian Weisner von Bewegung „Wir sind Kirche“. „Erst unter dem Druck des Missbrauchsskandals 2010 in Irland und Deutschland hat er als Benedikt XVI. die Zusammenarbeit mit den weltlichen Gerichten zugelassen.“

Der Knackpunkt ist das Päpstliche Schweigegeheimnis

Kirchenrechtler Prof. Prof. Dr. Thomas Schüller von der Uni Münster zu BILD: „Die Bischöfe der Welt sind verpflichtet, bei einem begründeten Anfangsverdacht die Glaubenskongregation zu informieren und ihr die Ergebnisse der Voruntersuchung zu übermitteln. Sie entscheidet, wie vorzugehen ist: Strafprozess oder Verwaltungsverfahren oder auch
Einstellung wegen Geringfügigkeit.“

Der entscheidende Punkt, warum die katholische Kirche Missbrauchsfälle überhaupt verstecken kann: „Diese Akten fallen unter das Päpstliche Schweigegeheimnis, das heißt, sie sind Dritten weder bekanntzumachen noch herauszugeben. Kardinal Marx hat daher
gefordert, dieses Schweigegeheimnis aufzugeben, um an die Unterlagen heranzukommen“, erklärt Schüller.

► Das Päpstliche Schweigegeheimnis wie auch das Bischöfliche Geheimarchiv lassen keine Einsicht in diese Akten zu, nicht für Wissenschaftler, nicht für Juristen oder interessierte Dritte.

17 Personen bearbeiten die „Akten der Schande“

Verjähren können die Akten, nachdem sie an die Glaubenskongregation geschickt wurden, allerdings nicht mehr: „Mit der Anzeige des Bischofs ist die Angelegenheit anhängig und kann nicht verjähren, von daher greift der Vorwurf der Verschleppung nicht mehr“, sagt Schüller.

Die Glaubenskongregation wurde von zehn auf 17 Mitarbeiter aufgestockt. „Aktuelle Fälle, die immer noch Tag für Tag eingehen, werden auch zeitnah bearbeitet, da hat sich viel in den letzten Jahren verändert.“

Einige deutsche Bischöfe wollen mit gutem Vorbild vorangehen und haben Listen mit möglichen Tatverdächtigen an die Staatsanwaltschaften übergeben. In den Listen der Bistümer Limburg, Fulda und Mainz werden 266 Namen genannt, Priester wie auch Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen.

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Zuletzt geändert am 26­.02.2019