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Veröffentlicht am 28­.02.2019

28.2.2019 - br.de

Nach dem Missbrauchsgipfel: Enttäuschung an der Basis

Der Ärger über die Institution Kirche ist bei Peter Steer deutlich zu spüren. Seit 2010 der Missbrauchsskandal im Berliner Canisius-Kolleg aufgedeckt wurde, sei zu wenig passiert, sagt der Katholik, der sich ehrenamtlich in der katholischen Kirche in München-Laim engagiert. Große Erwartungen habe er nicht gehabt an den Gipfel in Rom. Trotzdem sei er enttäuscht, was das Ergebnis und die Abschlussrede des Papstes anbelangt. "Mir war das nicht verbindlich genug, mir war das nicht deutlich genug und vor allem hat es den Eindruck erweckt, als hätten viele Bischöfe noch nicht den Ernst der Lage begriffen." Steer findet, es müsse selbstverständlich sein, dass Täter öffentlich benannt würden. Das Vertuschen hält er für fast genauso schlimm wie die Taten. "Da hätte man schon vor Monaten, Jahren anfangen müssen, daran zu arbeiten."

Christian Weisner ist Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Seine Einschätzung: Viele Katholiken seien von der Institution Kirche enttäuscht. Die Aufklärung gehe zu langsam voran, immer noch werde vertuscht, gezögert, sagt er. Zwar sei Papst Franziskus der erste Papst, der das Thema Missbrauch entschieden anpackt, innerhalb der Kirche stoße er allerdings auf Widerstand. Weisner fordert, es müsse nach den Gründen geforscht werden für sexuellen Missbrauch in der Kirche. Zu den Gründen zählt er dazu, dass die katholische Kirche eine "Männerkirche" sei, dass Frauen keine Rolle spielten. Er zählt aber auch die katholische Sexualmoral dazu, dass Homosexualität verteufelt werde. Auch den Zölibat nennt er. "Das sind alles Gründe, die den Missbrauch und die Vertuschung möglich gemacht haben in den vergangenen Jahren."

Die Basis ist zornig und enttäuscht

Die Stimmung an der Basis: Zorn und Enttäuschung über eine Symbolpolitik ohne konkrete Konsequenzen. Hiltrud Schönheit vom Münchner Katholikenrat erwartet jetzt von der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in zwei Wochen in Lingen entschiedenes Handeln. "Die Reaktion auf solche Missbrauchstaten muss schneller sein, sie muss klarer sein. Ich persönlich meine auch, dass man die Täter gleich aus dem Priesteramt entlassen muss." Die Laienvertreterin fordert mehr Demokratie in der katholischen Kirche. "Letztendlich geht das ganze Problem zurück auf eine fehlende Gewaltenteilung in der Kirche."

Noch mehr Austritte befürchtet

Die katholische Kirche hat durch den Missbrauchsskandal längst an Glaubwürdigkeit verloren. Inzwischen denken auch Menschen, die mit der Kirche stark verbunden sind und sich in der katholischen Kirche engagieren, über einen Austritt nach. Peter Steer aus der Pfarrei München-Laim sagt, er erwarte, dass die Kirche sich besinne und die Dinge richte - und zwar in den kommenden Wochen und Monaten und nicht erst in Jahren. Wenn nichts passiere, werde das bei vielen Katholiken zu Problemen führen. "Da werden auch Leute wie ich, die jahrzehntelang mit der katholischen Kirche verhaftet sind, sich überlegen, ob sie dann noch dieser Kirche die Treue halten können."

Es muss dringend etwas geschehen, sagt Peter Steer. Ein Kirchenaustritt steht für ihn momentan nicht zur Diskussion. Grundsätzlich ausschließen kann er es aber nicht, dass er irgendwann der katholischen Kirche den Rücken kehrt.

 

https://www.br.de/nachrichten/bayern/nach-dem-missbrauchsgipfel-enttaeuschung-an-der-basis,RJNBwqm

Zuletzt geändert am 28­.02.2019