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Veröffentlicht am 28­.03.2019

27.3.2019 - Eichstätter Kurier

"Verantwortung für eine zeitgemäße Kirche"

Eichstätt (EK) Im Zuge des Finanzskandals im Bistum Eichstätt geraten Führungsstil und Dialogfähigkeit von Bischof Gregor Maria Hanke in die öffentliche Diskussion. Innerhalb der kirchlichen und klerikalen Strukturen erscheint Widerspruch schwer. Eine Vereinigung von Katholikinnen und Katholiken, die sich seit 1995 außerhalb der Hierarchien zu Wort meldet, ist die Vereinigung "Wir sind Kirche", Diözesangruppe Eichstätt. Deren Sprecher ist Walter Hürter. https://ad.donaukurier.de/openx/www/delivery/lg.php?bannerid=0&campaignid=0&zoneid=78&loc=https%3A%2F%2Fwww.donaukurier.de%2Flokales%2Feichstaett%2FVerantwortung-fuer-eine-zeitgemaesse-Kirche%3Bart575%2C4129373&cb=d4245c63b5

 

> Foto: Die Diözesangruppe "Wir sind Kirche" mit ihrem Sprecher Walter Hürter (links) fordert seit Jahren mehr Dialog und eine "geschwisterliche Kirche", wie hier mit einer Demonstration am Rande des Jubiläumsfestes des Priesterseminars am 11. Oktober 2014.

 

Herr Hürter, wie empfinden Sie die Dialogbereitschaft von Bischof Gregor Maria Hanke?

Walter Hürter: Seit über 10 Jahren versuchen wir als Teil der "Kirchenvolksbewegung" mit Bischof Hanke in einen Dialog über Reformen im Sinne des Kirchenvolksbegehrens zu kommen. Dazu war er bisher in keiner Weise bereit. 2010 ließ er durch seinen damaligen Sekretär Domvikar Sebastian Bucher schriftlich unter anderem mitteilen, dass die Erneuerung der Kirche bei jedem persönlich anfange und der Bitte nach einem Gespräch nicht stattgegeben werden könne.

Warum soll der Bischof Ihre Vereinigung ernst nehmen? Pfarrgemeinderäte sind aus den Reihen der Gläubigen gewählt, auch der Diözesanrat hat als höchstes Laiengremium ein gewisses Mandat der Gläubigen inne. Wie legitimieren Sie sich Ihrerseits als "Wir sind Kirche"? Woher haben Sie Ihr Mandat? Für wen sprechen Sie?

Hürter: "Wir sind Kirche" ist aus dem Kirchenvolksbegehren 1995 hervorgegangen, bei dem innerhalb weniger Wochen in Österreich eine halbe Million und kurz danach in Deutschland 1,5 Millionen Katholikinnen und Katholiken die Forderung nach Reformen, die zum zeitgemäßen Glauben gehören und die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen, unterschrieben haben. Diese klar formulierten Forderungen wurden und werden von uns zum Beispiel in Veranstaltungen, Aktionen oder in Medien vertreten. Im Gegensatz zu offiziell anerkannten kirchlichen Gremien wie Diözesanrat, Dekanatsrat oder Pfarrgemeinderat versagen uns die Bischöfe auch nach fast 24 Jahren die Anerkennung als kirchliche Bewegung. Dazu muss ich aus den Statuten dieser Gremien und meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass diese Gremien keine Mitbestimmungs- und nur sehr eingeschränkte Beratungsrechte haben. Sie sind in meinen Augen ein "scheindemokratisches Feigenblatt". Das drückt sich auch in einer minimalen Wahlbeteiligung aus. Die Mitglieder von "Wir sind Kirche" sind weder finanziell noch organisatorisch abhängig von der Kirchenhierarchie und können ungehindert ihre Reformziele verfolgen.

Was sind - kurz gefasst - Ihre Ziele?

Hürter: Unsere Ziele sind der Aufbau einer geschwisterlichen Kirche, die volle Gleichberechtigung der Frauen in allen Ämtern, die freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform, die positive Bewertung der Sexualität und Frohbotschaft statt Drohbotschaft.

Zu den Stichworten "geschwisterliche Kirche", "Transparenz" und "Dialog". Bischof Gregor Maria Hanke betont, dass er mit dem aktuellen Umbau der Organisationsstrukturen im Bistum auch die Laien stärker hören und einbinden will. Zum einen mit der Besetzung von Leitungsfunktionen durch nicht ordinierte Männer und Frauen und zum anderen auch den Diözesanrat als offizielles Laiengremium. Begrüßen Sie diese Entwicklung?

Hürter: Ich begrüße die Ansätze zu einer Veränderung in der Bistumsverwaltung, erwarte aber gleichzeitig, dass Bischof Hanke sich endlich zum Beispiel für die Gleichberechtigung von Frauen in allen Ämtern einsetzt und den Dialog mit kritischen Christinnen und Christen beginnt. Das Hauptproblem unserer Kirche ist das Glaubwürdigkeitsproblem und nicht ein Glaubens- oder Gläubigenproblem. Wir müssen weg von einer erstarrten Dogmatik, wie sie Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Bischof Walter Mixa und Bischof Gregor Maria Hanke vertreten, hin zu mehr Orientierung an den Worten und Taten Jesu.

Mit Blick auf die aktuelle Diskussion um den Führungsstil von Bischof Hanke. Haben Sie Verständnis dafür, wenn sich Kritiker Hankes nur anonym und nicht namentlich äußern wollen?

Hürter: Ich verstehe angesichts der wenig ausgeprägten Kritikkultur in Eichstätt sehr gut, wenn Insider in der Kirche auf Anonymität bestehen, um sich gegenüber seriösen Medien kritisch zum Beispiel zum Führungsstil des Bischofs zu äußern. Das gilt vor allem für kirchliche Angestellte, die bei öffentlich geäußerter Kritik berufliche Schwierigkeiten befürchten müssen. Es geht um die Sache und das öffentliche Interesse. Reflexartig reagieren oft Menschen, die Kritik an Bischöfen als Majestätsbeleidigung empfinden, wie ich es persönlich wiederholt erlebt habe.

Warum engagieren Sie sich trotz des Ärgers? Warum treten Sie nicht einfach aus der katholischen Kirche aus? Und, was sagen Sie Gläubigen, die angesichts der aktuellen Situation - weltweit und im Bistum - kurz vor dem Austritt stehen?

Hürter: Als Christinnen und Christen stehen wir alle in der Verantwortung für eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Kirche. Wir wollen mit unseren Reformzielen ernst genommen werden und erwarten in einem Dialog den Austausch von Argumenten und ein Abwägen. Erst wenn sich wirklich was bewegt, wenn die meisten Gläubigen sich mit ihrer Kirche identifizieren können, wird es Freude machen, der Glaubensgemeinschaft anzugehören. Papst Franziskus zeigt uns die Richtung, auch wenn er nicht fehlerfrei ist oder so tut. Eine glaubwürdige Kirche, die stärker als bisher ökumenisch ist, brauchen wir dringend. Ich habe die Hoffnung nach fast 24 Jahren nicht verloren, auch wenn ich verstehe, dass viele Gläubige resigniert die Kirche verlassen haben oder verlassen.

Die Fragen stellte Eva Chloupek.

https://www.donaukurier.de/lokales/eichstaett/Verantwortung-fuer-eine-zeitgemaesse-Kirche;art575,4129373

Zuletzt geändert am 28­.03.2019