22.5.2019 - Deutschlandfunk
Illegal geweihte Priesterin: „Wir sind der Stachel im Fleisch der katholischen Kirche“
2002 ließ sich die katholische Theologin Ida Raming zusammen mit sechs anderen katholischen Frauen zur Priesterin weihen – ein Verstoß gegen das Kirchenrecht, der mit Exkommunikation bestraft wurde. Die Lehre sei fehlerhaft, sagte sie im Dlf.
Susanne Fritz: Frau Raming, Sie bezeichnen sich als römisch-katholische Priesterin. Sie sind also das, was es eigentlich nicht gibt, nicht geben darf. Wie kam es dazu?
Ida Raming: Wir haben nach dem Verbot „Ordinatio Sacerdotalis“ gesehen, dass die Türen zugeschlagen waren. Das sollte ja endgültig sein. Das hat die Glaubenskongregation noch einmal bekräftigt. Wir haben gedacht: Es ist ein ungerechtes Gesetz, unter das wir fallen. Und wir haben das Recht, gegen ungerechte Gesetze aufzustehen. Das ist schon lange Rechtstradition: Ein ungerechtes Gesetz verpflichtet nicht. Ich möchte deutlich betonen, dass es Jesus auch geschafft hat, ungerechte oder belastende Gesetze zu übertreten, die den Menschen überhaupt nicht dienlich waren. Ich erinnere an die wirklich absurden Sabbatgebote zum Bespiel. Dadurch hat er sich Feinde geschaffen. Das haben wir auch. Wir sind vom Vatikan sofort bedacht worden mit einer Androhung der Exkommunikation.
Fritz: Ist diese Exkommunikation dann auch erfolgt?
Raming: Ja, wir haben zwar Widerspruch geleistet so gut wir das konnten. Sie wissen ja: Rechtsstaatliche Systeme gibt es eigentlich im Vatikan nicht, so dass wir dann doch diesem ungerechten Gesetz, das die da haben, zum Opfer fielen. Uns hat die Exkommunikation schriftlich errreicht im Januar 2003.
„Mit der Mafia auf einer Stufe“
Fritz: Was haben Sie dann gemacht, haben Sie der katholischen Kirche den Rücken gekehrt?
Raming: Nein, wir haben gesagt: Wir bleiben da drin. Wir sind sozusagen ein Stachel im Fleisch dieser katholischen Kirche. Wir zeigen immer wieder auf, dass das ungerecht ist, was uns geschehen ist. Auch ein Gesetz, das dann die Folge einer ungerechten Bestrafung hat, ist ungerecht. Es gibt dafür das englische Wort: „It is an unjust punishment for an unjust law.“ Wir stehen (durch die Exkommunikation) mit der Mafia auf einer Stufe. Es ist völlig haltlos, was die machen. Das klagen wir auch öffentlich an. Unsere Priesterinnen und ordinierten Frauen üben ein geisterfülltes und an Jesus ausgerichtetes Amt aus. Das ist für die Kirche eine Bereicherung. Wobei die Männer, die da im Vatikan sitzen, das gar nicht sehen.
Fritz: Die Männer sehen das ganz anders. Eine Rückkehr in die katholische Kirche wäre nur dann möglich, wenn Sie Reue zeigen würden. Sonst bleibt alles, wie es ist. Gegen welche Lehrmeinung haben Sie eigentlich verstoßen?
Raming: Ich habe jetzt nicht den Codex (Kirchenrecht) vor mir, aber in Can. 1024 steht: „Die Heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann“. Da sehen Sie schon: Die Taufe, die doch nach Galater 3,28 – „In Christus ist nicht männlich und weiblich“ – eine Gleichheit herstellt, das wird einfach nicht angewandt. Die machen ihre eigene Theologie und die ist voller Fehler. Das möchte ich deutlich sagen. Wir können das nicht anerkennen. Es sollten viele Menschen aufstehen gegen die ungerechte Lehre und die daraus folgenden Gesetze.
Fritz: Jetzt haben wir die Bewegung Maria 2.0., in der Frauen sehr wohl wieder aufstehen und für die Gleichberechtigung kämpfen. Für wie schlagkräftig halten Sie die Bewegung?
Raming: Man muss es abwarten. Es sollten immer mehr werden. Ich bin selbst involviert. Ich wohne in Stuttgrat und habe Kontakte zu der katholischen Gemeinde, zu der ich auch gehöre. Da wurde mir noch nie ein Stein in den Weg gelegt, ich bin da angenommen. Darüber bin ich froh. Diese Gemeinde hat auch etwas gemacht. Es ist so, dass diese Bewegung weiter geht und weitergehen muss. Sie wird auch von „Wir sind Kirche“ weitergetrieben und auch von pro concilio, auch so eine Reformbewegung. Das hört nicht auf. Unrecht ist so, dass man dagegen vorgehen muss.
„Standhalten, weitermachen, nicht aufgeben“
Fritz: Allerdings muss man auch sagen, dass diese Bewegungen für die Gleichberechtigung der Frauen nicht allzuviel bewirken konnten bislang. Was muss denn geschehen, damit sich etwas ändert?
Raming: Standhalten, weitermachen, nicht aufgeben. Ich habe öfter schon gesagt: Wahrheit wird letztlich siegen, nicht die Lüge. Und Sie wissen sicherlich auch, dass es einen Report gegeben hat von der Päpstlichen Bibelkommission im Vatikan. Die hat herausgefunden, dass es keinen Grund gibt, Frauen auszuschließen. Das war sogar angefordert worden – dieser Report – von der Glaubenskongregation. Das Ergebnis passte der Glaubenskongregation nicht. Da hat sie es einfach ignoriert. Das ist unerhört, was da alles geschehen ist.
Fritz: Frau Raming, Sie haben es gerade selber erwähnt. Sie haben sich 2002 zur katholischen Priesterin weihen lassen, der Kampf für die Frauenordination ist viel, viel älter, etwa 57 Jahre alt, vor dem Vatikanischen Konzil haben sie angefangen. Woher nehmen sie den Mut für die Priesterinnenweihe weiter zu kämpfen?
Raming: Ja, ich verlasse mich letztlich doch auch auf Gottes Geist. Gottes Geistkraft wird auch die Menschen belehren und viele sagen ja schon, diese fehlerhaften Dogmen können wir nicht akzeptieren. Fragen sie mal Professoren wie Professor Häring oder andere, die das längst gesagt haben. Professor Küng war ja auch ein Vorkämpfer dafür. Wir können fehlerhafte Dogmen nicht einfach akzeptieren. Das ist ja gegen die Würde des Menschen überhaupt. Man kann ja noch nach Wahrheit fragen, aber nicht diese wirklich sehr fehlerhaften Lehrsätze.
„Eine Beleidigung Jesu“
Fritz: Was ist daran fehlerhaft?
Raming: Ja, also Jesus hätte – es wird ja immer gesagt, er hat Männer ausgesandt – das sind zwölf angeblich, aber das ist nur bei Lukas, glaube ich, so geschrieben. Eine Frau hätte er in die Öffentlichkeit nicht aussenden können zu seiner Zeit. Er hätte auch nicht sagen können: „Maria aus Magdala, gehe mal in die nächste Synagoge und predige da!“
Die Jünger, die Apostel haben doch gepredigt, auch vor Juden. Sie waren ja selbst Juden und das ist einer Frau nicht möglich gewesen. Beispiel: Jesus hat mit der Samariterin am Brunnen gesprochen und da ist es aufgefallen den Jüngern. Es heißt in der Bibel wörtlich: „Sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach.“ Das war ein öffentlicher Platz, ein Brunnen, wo jeder hingehen musste, um Wasser zu holen für die Familie oder so. Und da hat Jesus aber dieses getan. Er hat schon die Sitten seiner Zeit irgendwie überwunden, aber er konnte nicht die Strukturen überwinden.
Fritz: Was ist der Grund Ihrer Meinung nach dafür, dass sich die katholische Kirche dieser historisch-kritischen Interpretation widersetzt?
Raming: Ja, weil sie die Macht behalten will über Frauen und es ist deutlich gegen Jesus gerichtet. Ich möchte das nochmal sagen: Es ist eine Beleidigung Jesu. Denn Jesus hat gesagt: „Unter euch soll es nicht so sein, dass ihr Herrscher habt, über die Untertanen sozusagen verfügt. Das tun Weltliche, aber ihr nicht. Unter euch soll es nicht so sein.“ Das ist ein wichtiges Wort der Bibel. Aber sie halten sich ja gar nicht daran. Es ist eine Sünde gegen die göttliche Geistkraft, gegen den Heiligen Geist, der Frauen ebenso beruft wie Männer.
Vorbild Untergrundkirchw
Fritz: Haben sie darüber auch mit einem Bischof diskutiert?
Raming: Es waren bei unserer Ordination schon auch einige Kleriker da. Und es gibt schon den Namen eines Bischofs, den wir nicht sagen, weil er sonst verfolgt wird vom Vatikan und der steht dazu. Der kommt aus der so genannten Untergrundkirche der Tschechoslowakei, da sind ja auch schon um 1970 Frauen ordiniert worden. Da hat es einen Bischof gegeben, der schon tot ist, aber er hat natürlich auch Nachfolger hat und der hat gesagt: „Neues wird nicht mit offenen Armen aufgenommen. Wenn wir wollen, dass es aufgenommen wird, dann müssen wir es präsent machen.“ Das war ein wichtiges und weises Wort. Der hat es gewagt, in der damaligen Untergrundkirche in der Tschechoslowakei zu ordinieren.
„Wir sind ganz offen gegenüber den Bischöfen“
Fritz: Haben Sie denn darüber auch mit den amtierenden Bischöfen in Deutschland gesprochen?
Raming: Ja, wir sind ganz offen gegenüber den Bischöfen. Also ich muss ja sagen, hier Bischof Fürst, der ist eigentlich freundlich zu mir, aber ich sag dem auch deutlich was. Aber wir können doch auch nicht nur Jubeltiraden da sprechen und sagen: „Wunderbar, dass Sie da sind.“ Ich bin dafür, dass man ehrlich sagt, wie es steht mit uns und dass auch die Bischöfe das hören. Und die wissen im Grunde genommen, dass es nicht richtig ist wie wir behandelt werden.
Zuletzt geändert am 23.05.2019