| |
Veröffentlicht am 05­.06.2007

5.6.2007 - Die Welt

Kirchentag. Wie ein Pantomimeabend im Radio

Die Parallele zum G-8-Gipfel ist zufällig: Auch beim 31. Evangelischen Kirchentag, der am Mittwoch in Köln beginnt, ist die Globalisierung das beherrschende Thema. Dort will man einen Dialog zwischen Gegnern und Befürwortern schaffen. Die Parallelität der Ereignisse ist verblüffend, doch eher zufällig: An der Ostsee, in Heiligendamm, treffen sich die Großen 8, in Köln am Rhein versammeln sich Hunderttausende zum 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag. An beiden Orten, Hunderte von Kilometern von einander entfernt, geht es um dasselbe Thema: Globalisierung und ihre Folgen.

Kirchentagspräsident Reinhard Höppner, der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, lieferte das Stichwort für die Diskussionen auf dem am Mittwochabend mit einem Fest der Begegnung beginnenden "Christengipfel": Die Globalisierung verlaufe "ungebremst", sie könne "ohne vernünftige Rahmenbedingungen nicht weiter gehen". Die Grundmelodie der Bibel besage: Kirche müsse Anwalt für die Schwachen sein, für die Entwürdigten, für die an den Rand Gedrängten. "Das ist politisch hochaktuell."

Der Kirchentag hat nach Worten Höppners einen doppelten Anspruch. Er will denen, die in Heiligendamm tagen, und jenen, die vor dem Zaun Widerspruch anmelden, ein Forum des Dialogs bieten - "und er will dafür sorgen, dass sie sich miteinander kritischen Fragen stellen". Vom Platz vor dem Kölner Dom wollen Christen am Donnerstag abend Position beziehen. Unter anderem mit Erzbischof Desmond Tutu aus Kapstadt richtet der Kirchentag einen "Ruf an den G8-Gipfel in Heiligendamm".

Vielfalt des Programms stößt auf Kritik

"Lebendig und kräftig und schärfer" lautet das dem Hebräerbrief entnommene Motto des Kirchentages, zu dem etwa 400.000 Teilnehmer erwartet werden. Unter dem Leitbegriff "Die Macht der Würde" sollen Menschen aus unterschiedlichen Religionen und Kulturen "Globalisierung neu denken". Der Bundespräsident, die Kanzlerin, der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus aus Bangladesh und viel Parteiprominenz werden erwartet. 3000 Programmpunkte, 400 Veranstaltungsorte, fünf Tage - das Programmbuch ist 600 Seiten stark. Die Kirchentagsbewegten haben die Qual der Wahl. Das thematische Programm hat jedoch eine strenge Struktur: Mensch, Gemeinschaft, Welt - nach diesen drei Bereichen richtet sich der Inhalt der einzelnen Veranstaltungen. Gleichwohl entzündet sich an dieser Programmfülle auch Kritik. Der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, katholischer "Gastgeber" des durchaus ökumenisch geprägten Protestantentreffens, spricht polemisch von "Leipziger Allerlei". Mit ähnlichem Unbehagen äußert sich der evangelische Pfarrer Wolfgang Sickinger aus Mülheim/Ruhr, ein führender Sprecher der konservativen "Evangelischen Sammlung", der es ablehnt, in Köln dabei zu sein. Er stört sich an der Konzeption des Kirchentages, "die evangelische Kirche wie ein Kaufhaus zu verstehen und darzustellen".

Ebenfalls im Vordergrund steht der interreligiöse Dialog. Im Zentrum Juden und Christen, das mittlerweile 46 Jahre Tradition hat, werden Imame und Rabbiner über Friedensmöglichkeiten debattieren. Das Gespräch mit dem Islam spielt in Köln, der "Hauptstadt der Muslime in Deutschland", ebenfalls eine wichtige Rolle; es wird auf Kirchentagen seit mehr als einem Jahrzehnt geführt. Was Christen und Muslime verbindet und was sie trennt, soll nicht allein theologisch debattiert werden. Man will auch das Alltagsleben in den Blick nehmen. "Christliche und muslimische Begleitung im Krankenhaus" ist Thema eines ganzen Tages im Begegnungszentrum Christen und Muslime. Ein islamischer Mediziner beteiligt sich an der Diskussion über Patientenverfügungen. Das Zentrum Jugend richte sich an all jene, die einen "echten jungen Kirchentag" erleben wollen: interaktiv, international, interreligiös", sagt Landesjugendpfarrer Rüdiger Breer.

Keine gemeinsame Abendmahlsfeiern

Und die christliche Ökumene? Die Kirchentagsleitung zeigte sich "angenehm überrascht" über die "aufgeschlossene" ökumenische Atmosphäre in der größten Stadt des Rheinlandes, in der Protestanten lange eine Randexistenz führten. Ein evangelischer Kirchentag im katholischen Köln, lästerte der Kabarettist Jürgen Becker, sei "fast wie ein Pantomimenabend im Radio". Doch es gibt in den nächsten fünf Tagen eine Reihe ökumenischer Veranstaltungen, darunter einen Ökumenischen Gottesdienst. Und Kardinal Meisner beteiligt sich an einer Bibelarbeit mit dem Präses der evangelischen Landeskirche, Nikolaus Schneider. Im Blick auf die Weltverantwortung der Christen komme man überhaupt nicht daran vorbei, "möglichst überall mit einer Stimme zu sprechen" (Reinhard Höppner). Über das Thema eucharistische Gastfreundschaft beziehungsweise gemeinsames Abendmahl, eine Dauerstreitfrage zwischen Katholiken und Protestanten, wurde schon vor Wochen eine Art Einvernehmen erzielt: Es soll nichts geschehen, was zu atmosphärischen Trübungen führt. Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, selber einmal Kirchentagspräsident, warnte ausdrücklich vor "Provokationen". 2003, beim ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin, hatten von der Kirchenleitung nicht genehmigte gemeinsame Abendmahlsfeiern zu scharfen Reaktionen katholischer Bischöfe geführt. Einer der beteiligten Priester, Gotthold Hassenhüttl, wurde in Folge vom Dienst suspendiert.

Zuletzt geändert am 05­.06.2007