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Veröffentlicht am 01­.07.2019

1.7.2019 - KNA

Geteiltes Echo auf Papstbrief zu Reformdebatte in Deutschland

Bonn (KNA) Das Papstschreiben zur kirchlichen Reformdebatte in Deutschland hat ein geteiltes Echo hervorgerufen und sehr unterschiedliche Interpretationen. Viele Bischöfe und Vertreter katholischer Laien lobten den am Wochenende veröffentlichten Brief in teils gemeinsamen Reaktionen als Ermutigung und Wertschätzung. Mit Blick auf den „synodalen Weg“ hieß es dagegen aus dem Bistum Regensburg, es könne nun kein „Weiter so“ geben. Der Brief von Franziskus ist das erste vergleichbare Papstschreiben an die Kirche in Deutschland seit rund 20 Jahren.

In dem Text lobt er das Engagement und die Reformanstrengungen der deutschen Katholiken. Zugleich mahnt Franziskus die Einheit mit der Weltkirche an. Leitkriterium der Erneuerung müsse die Evangelisierung sein. In dem 19-seitigen Schreiben „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ macht der Papst grundsätzlich Mut zum geplanten synodalen Prozess. Die Katholiken dürften sich durch den zunehmenden Verfall des Glaubens auch in traditionell katholischen Gebieten nicht entmutigen lassen.

„Wir danken dem Heiligen Vater für seine orientierenden und ermutigenden Worte und sehen uns als Bischöfe und Laienvertreter eingeladen, den angestoßenen Prozess in diesem Sinn weiter zu gehen“, erklärten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Thomas Sternberg.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki betonte, dass der Papst nichts beschönige und auf den Vorrang der Evangelisierung Wert lege. Ähnlich äußerten sich der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und weitere Bischöfe. Kirche müsse missionarisch sein. Der Münsteraner Bischof Felix Genn hob hervor, der Papst ermutige, den „synodalen Prozess“ gemeinsam zu gehen und „auch Auseinandersetzungen nicht zu scheuen“.

Der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs erklärte mit Blick auf den „synodalen Prozess“, dass es nach dem Brief „sicher“ kein „Weiter so“ geben könne: „Eigentlich drängt der Brief auf eine komplette Neufassung eines solchen Prozesses, der auf Evangelisierung und geistliche Erneuerung ausgerichtet sein soll“.

Franziskus warnt in dem Schreiben davor, die Kirche als Organisation zu verstehen, die man allein über Strukturdebatten verändern könnte. Weder eine Anpassung an den Zeitgeist noch eine Rückkehr zu alten Gewohnheiten dürften den Reformprozess bestimmen, betont der Papst. Notwendig sei, „einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes“ zu beschreiten: „Evangelisieren bildet die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche.“

Mit Blick auf das Verhältnis der Kirche in Deutschland zur Gesamtkirche und den von den deutschen Bischöfen eingeleiteten „verbindlichen synodalen Weg“ unterstreicht der Papst, Teilkirchen und Weltkirche lebten voneinander und seien aufeinander angewiesen. Das bedeute nicht, dass man nicht voranschreiten oder ändern könnte. Wichtig sei aber die Perspektive, Teil eines Ganzen zu sein und die Einheit zu wahren.

In weiteren Reaktionen bezeichnete der Trierer Bischof Stephan Ackermann das Schreiben als Ermutigung bezeichnet. Der Brief zeige, wie sehr sich Franziskus eine „synodale Kirche“ wünsche, und gebe wichtige Hinweise für das Gelingen eines kirchlichen Miteinanders und für den bundesweit geplanten Dialogprozess.

Von Wertschätzung und Ermutigung sprachen auch die Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, Ingeborg Schillai, und Bischof Georg Bätzing. Franziskus nehme „die besondere Situation wahr, in der wir als Katholiken zurzeit stehen“. Die Empörung, Wut und Unruhe, die bei so vielen nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie aufgekommen sei, und die seitdem ins Zentrum der Diskussion gerückten Themen seien Anlass für den Papst gewesen, dieses „starke Zeichen der persönlichen Solidarität und Verbundenheit zu geben“. Bätzing betonte, er verstehe diesen Aufruf so: „Geht die Fragen und Herausforderungen mutig gemeinsam an und bleibt zusammen auf dem Weg.“

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße sagte, der Brief bestärke ihn, „dass es richtig ist, diesen Prozess zu beginnen“. Er freue sich, „dass der Papst diesen Prozess wahrnimmt und persönlich reflektiert“. Der Papst erkenne an, dass die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Themen, die die Katholiken in Deutschland beschäftigen, berechtigt und notwendig sei und dass es gut sei, diese Auseinandersetzung synodal zu gestalten.

Der Fuldaer Bischof Michael Gerber nannte den Brief eine „heilsame Herausforderung“. Der Papst ermutige dazu, auf das Wirken Gottes und das „Wehen des Heiligen Geistes“ in der Kirche zu vertrauen, auch wenn es nicht den eigenen Erwartungen entspreche, so Gerber. Die Kirche müsse Weggemeinschaft erfahrbar machen als „ein gemeinsames Ringen - längst nicht immer spannungsfrei, durchaus von unterschiedlichen Polen geprägt, jedoch gespeist aus einer Mentalität, die uns bewusst macht, wir sind gemeinsam unterwegs“.

Auch der Aachener Bischof Helmut Dieser begrüßte den Brief als „hilfreiche geistliche Orientierung“ zur Vertiefung des von den deutschen Bischöfen beschlossenen „synodalen Wegs“ zur Erneuerung der Kirche. Beeindruckend sei, wie Franziskus von den Teilnehmern eine kirchliche Gesinnung erwarte, um die Gefahr von Spaltung und Schwächung des kirchlichen Zeugnisses zu bannen. Mit Blick auf polarisierende Debatten biete das Schreiben eine Fundquelle für Orientierung und Korrektur.

Hildesheims Bischof Heiner Wilmer lobte den Papstbrief als „Bereicherung und Ermutigung“. Franziskus wende sich unmittelbar an das pilgernde Volk Gottes. „Das unterstreicht die hohe Bedeutung, die er uns Gläubigen beimisst“, so Wilmer. Die Katholiken seiner Diözese rief er auf, „frisch und frei“ aufzubrechen.

Für den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode birgt der Papstbrief auch die Herausforderung, den Dialog mit der Weltkirche nicht aus den Augen zu verlieren: „So muss unser Weg des Dialoges für alle Ebenen der Kirche offen sein und uns nicht auf die Ebene in unserem Land oder Bistum beschränken.“ Ein solcher Dialog biete aber auch die Chance, „mutig die drängenden Fragen unserer Gemeinden zur Sprache zu bringen, gemeinsam um Antworten zu ringen und neue Schritte zu wagen.“

Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst erklärte, der Papst bestärke darin, die „aktuellen Herausforderungen“ der Kirche anzugehen. „Machen wir uns auf der Basis des Evangeliums gemeinsam auf den synodalen Weg, ohne dabei die Einheit mit der Weltkirche aus dem Blick zu verlieren“, so Fürst.

Der Würzburger Bischof Franz Jung sieht auch eine „Mahnung, nicht den Selbsterhalt an die erste Stelle zu setzen, sondern die Treue zum Evangelium und zu seiner Dynamik“. Der Weg der Erneuerung verlange Ausdauer und Geduld.

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) hielt Papst Franziskus vor, die Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche zu wenig im Blick zu haben und zu wenig auf die Fragen von Frauen einzugehen. Dennoch sei der Brief ein „positives Zeichen dafür, dass Franziskus mit großer Aufmerksamkeit auf die römisch-katholische Kirche in Deutschland blickt“.

Die Münsteraner Theologin Dorothea Sattler betonte, der Papst gebe keine Ordnung des synodalen Verfahrens vor - weder in der Form noch bei den Themen - und sage seine Unterstützung zu. Sie verstehe daher den Brief als „Ermutigung auf dem begonnenen synodalen Weg,“ wobei der Papst das Geschehen „vor allem unterstützen und nicht kontrollieren“ wolle.

Theologe Thomas Söding sagte „Kirche-und-Leben.de“, der Brief sei wichtig, da „der Papst darin den synodalen Weg anerkennt“. Er sei nicht von Verboten bestimmt, sondern positiv orientiert. Sicher werde versucht werden, diesen Brief so zu lesen, als ob Franziskus vor allem betone, was die Katholiken in Deutschland auf ihrem synodalen Weg alles nicht dürften. „Aber davon steht im Brief kein Wort“, unterstrich der Theologe. Der Papst müsse die Einheit der Kirche wahren, erklärte Söding. Das sei seine Aufgabe: „Aber die Einheit ist nicht starr, sondern lebendig und vielfältig.“

Ein neues Verhältnis zwischen Geistlichen und Laien in der katholischen Kirche forderte der Bielefelder Soziologe Franz-Xaver Kaufmann (87). Über Jahrhunderte habe die Kirche auf klerikale Hierarchien gesetzt und sich damit der Moderne entfremdet, schrieb er am Montag in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in dem er den Papstbrief analysiert. Jetzt entfremde sie sich auch zunehmend von ihren Gläubigen.

Aus Sicht der Initiative „Wir sind Kirche“ darf der „synodale Weg“ weder „Sackgasse noch Sandkasten werden“. Er sei die „einzige und vielleicht letzte Möglichkeit, die existenzielle Kirchenkrise in Deutschland zu überwinden“. Dazu müsse es aber einen transparenten Dialog ohne Vorbedingungen geben, der zu konkreten und verbindlichen Beschlüssen führe, die auch Relevanz für die Weltkirche haben sollten. Man dürfe aber nicht zu viel Hoffnung auf den „synodalen Weg“ setzen, solange nicht „dogmatisch und kirchenrechtlich geklärt ist, wer in welcher Weise am Zustandekommen der Beschlüsse beteiligt wird und welche Verbindlichkeit sie haben“. Nach derzeitigem Kirchenrecht sei kein Bischof an die Ergebnisse eines solchen Prozesses gebunden.

 

Zuletzt geändert am 02­.07.2019