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Veröffentlicht am 19­.07.2019

19.7.2019 - KNA

Starker Anstieg von Austritten bei beiden großen Kirchen

Bonn/Hannover (KNA) Die beiden großen Kirchen haben im vergangenen Jahr deutlich mehr
Kirchenaustritte verzeichnet als 2017. Auch der demografische Wandel trug dazu bei, dass die Zahl
der Kirchenmitglieder in Deutschland um 700.000 auf 44,14 Millionen gesunken ist. Damit gehörten
53,2 Prozent der Gesamtbevölkerung den beiden Kirchen an. Insgesamt sind rund 23 Millionen Bundesbürger
Mitglied der katholischen und 21,14 Millionen Mitglied der evangelischen Kirche. Das geht
aus den von der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
am Freitag veröffentlichten Daten hervor.

Bei den Kirchenaustritten lagen die evangelischen Landeskirchen mit 220.000 weiterhin höher als die
katholische Kirche mit 216.078. Allerdings müssen die Katholiken mit einem Plus von 29 Prozent
eine stärkere Zunahme der Austrittszahlen hinnehmen als die EKD mit 11,6 Prozent. Für die Katholiken
ist es die zweithöchste Zahl an Austritten seit dem Mauerfall. Beide Kirchen verlieren darüber
hinaus Mitglieder durch den demografischen Wandel. Die Zahl der Taufen, Neueintritte und Wiedereintritte
liegt deutlich unter der Zahl der kirchlichen Bestattungen.

Für die katholische Kirche sprach der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, von
einer "besorgniserregenden" Statistik. Er betonte die Bereitschaft zur Suche nach neuen Wegen:
Initiativen wie "Maria 2.0" zeigten, dass die Menschen Veränderungen wollten. Der jetzt eingeleitete
"synodale Weg" wolle das aufgreifen.
Der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, betonte, da die Menschen
heute frei über ihre Kirchenmitgliedschaft entscheiden könnten, müsse die Kirche deutlicher machen,
warum "die christliche Botschaft eine so starke Lebensgrundlage ist".

Der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Stefan Vesper, erklärte,
die Zahlen müssten Ansporn sein, beim eingeschlagenen Reformprozess mutig und entschlossen
voranzugehen. Die Initiative "Wir sind Kirche" erklärte, die Bischöfe müssten umsteuern. Auch die
sinkende Teilnahme an Gottesdiensten belege, dass der Vertrauensverlust groß sei und die Umstrukturierung
der Gemeinden zu einem Verlust von Beheimatung beitrage.

Die Erfurter Theologieprofessorin Julia Knop warf der Bischofskonferenz Beschönigung vor. Die
sprunghaft gestiegene Zahl der Austritte sei ein "unzweifelhaftes Indiz für ein Katastrophenjahr", sagte
sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag). Die Beteuerungen der Bischöfe, sich um neue
Glaubwürdigkeit zu bemühen, schlügen nicht durch.

Der Religionssoziologe Detlef Pollack riet, neben Kritik auch positive Aspekte in die Debatte zu bringen.
"Ich denke, dass die Menschen in der Kirche anfangen müssen, über die Kirche gut zu reden.
Wenn die ganze Zeit nur Kritik geübt wird, dann hat das eine verheerende Wirkung auf das Image",
sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Das bedeute aber nicht, dass Kritik wie etwa die Frauen-Protestaktion Maria 2.0 kontraproduktiv seien,
betonte er. Das dürfe jedoch nicht alles sein. "Es sollten sich auch die zu Wort melden, die brav
jede Woche zur Messe gehen und darunter leiden, dass die Kirche so ein schlechtes Image hat."

Zuletzt geändert am 22­.07.2019